Unerwünschte Wahrheiten
Filmdreh. Antonin Swoboda erzählt die Geschichte von Ex-Rennläuferin Nicola Werdenigg. Gedreht wird in Wien und Südtirol: Tirol wollte nicht mitspielen.
Eine Altbauwohnung in der Schwarzspanierstraße, gedreht wird eine Trauerfeier: Andreas Mann ist gestorben. Ein trauriges Ereignis, das auch noch ganz andere Dinge ins Wanken bringen wird.
Andrea Weingartner, das ist das Alter Ego einer Frau, die man in Österreich kennt. Entweder noch als Skirennläuferin. Oder als jene Ex-Skirennläuferin, die 2017 mit ihrem Schilderungen die MeToo-Debatte ins Nationalheiligtum Skisport getragen hat. Ein Schritt, der ihr nicht leicht gemacht wurde.
„Persona non grata“, heißt denn auch der Film über Nicola Werdeniggs Erlebnisse, für den Regisseur Antonin Svoboda auch das Drehbuch geschrieben hat. Er erzähle ihre Geschichte mit Fokus auf jenes „Standard“-Interview, erzählt er, „kurz davor und kurz danach. Im Prinzip ist es eine Biografie mit fiktionalen Elementen. Deswegen heißt sie auch anders: Weil es nicht darum geht, gewisse Reality Bites überprüfbar zu machen, sondern eine Geschichte zu erzählen.“
Kennen gelernt hatte Svoboda die gebürtige Innsbruckerin vor zehn Jahren – während seiner Hochzeitsreise auf einer griechischen Insel. „Es war Mai und dementsprechend wenig besucht. Wir sind immer wieder in derselben Taverne abgehangen und haben uns angefreundet.“Als 2017 jenes Interview erschien, in dem Werdenigg nicht nur ihre eigene Vergewaltigung, sondern auch die strukturelle Gewalt im österreichischen Skiverband zum Thema machte, habe er das natürlich verfolgt und sich ein Jahr später bei ihr gemeldet, um sich zu erkundigen, wie es ihr geht. Man habe sich getroffen und Werdenigg habe ihm damals ihre ganze Geschichte erzählt, auch die private. Eine Geschichte, sagt Svoboda, die ihn so „gebeutelt und betroffen gemacht“habe, dass er sie nun erzählen wolle.
Castings als Trigger
Es gehe dabei, sagt er, nicht nur um den Skiverband, nicht nur um die nötigen Systemveränderungen im Großen, in der Gesellschaft, „sondern auch um die Veränderungen im Kleinen, im System Familie, und darum, wie Mikro- und Makrokosmos verflochten sind“. Auch Werdeniggs Mutter war erfolgreiche Skirennläuferin, ebenso ihr Vater, der später auch als Trainer und Funktionär Pionierarbeit leistete. „Es ist eine Dynastie“, sagt Svoboda, „von der wir erzählen, und von den Mechanismen, die in so einer Familie greifen.“Und auch Werdeniggs Mutter war bereits in das selbe Skiheim gegangen, das auch die Tochter dann besuchte. „Man kann es fachmännisch Transgenerationentrauma nennen, was mich interessiert.“
Der Machtmissbrauch selbst betrifft freilich nicht nur den Sport. Im Castingprozess, erzählt Svoboda, habe sein Drehbuch „viele Schauspielerinnen und Schauspieler allen Alters getriggert. Mit vielen habe ich zuerst einmal über ihre Erfahrungen an Sets aus den Achtziger- und Neunzigerjahren geredet. Viele waren mit Übergriffen konfrontiert, die sie da erst begonnen haben zu artikulieren.“
Gespielt wird die auf Werdenigss Erlebnissen beruhende Figur von Gerti Drassl („Vorstadtweiber“), die sich schon für „Heldenplätze“, ihre OneWoman-Show fürs Volkstheater in den Bezirken, mit der Figur Toni Sailers beschäftigt hat. „Ich seh’ das als eine innige Aufgabe, dass diese Figur zu mir gekommen ist, und dass ich das machen darf“, sagt sie. Werdenigg
AUF EINEN BLICK
„Persona Non Grata“heißt der Film von Antonin Svoboda (Drehbuch, Regie), der auf wahren Begebenheiten im Leben Nicola Werdeniggs beruht – sie hatte 2017 sexualisierte Gewalt und Machtmissbrauch in Österreichs Skisystem zum Thema gemacht. Es spielen u. a. Gerti Drassl und Svobodas Tochter Maya Unger.
habe sie im Vorfeld getroffen, „das waren sehr wichtige Gespräche. Ich hab viel zugehört, sie hat auch mir viel zugehört. Eine ganz tolle Frau.“
Anfangs, sagt Svoboda, sei Werdenigg seiner Idee gegenüber ein wenig skeptisch gewesen. „Aber dann haben wir über die Fiktionalisierung gesprochen und peu a` peu konnte ich ihr Interesse gewinnen. Sie hat auch jede Fassung gelesen.“
Eigentlich wollte Werdenigg an diesem Tag auch selbst am Set vorbei schauen, ist aber erkrankt. Es sei ihr ein Anliegen, mit ihren Erlebnissen und Erfahrungen einen Beitrag leisten zu können, wird sie in der Drehstartmeldung zitiert. Ihr Schritt in die Öffentlichkeit habe die Abgründe und Zwielichtigkeiten des Systems „Ski in Österreich“aufgezeigt. Seither sei viel passiert, Organisationen hätten begonnen, sich der Geschichte zu stellen, „die dunklen Seiten zu sehen und aufzuklären“. Trotzdem sei „noch viel Transparenz und Bewusstseinsbildung notwendig, um Machtmissbrauch im Allgemeinen und sexualisierte Gewalt im Speziellen zu bekämpfen.“
Gedreht werden die Winterszenen übrigens in Südtirol. „Tirol“, sagt Svoboda, „hat es aus inhaltlichen Gründen nicht sollen sein.“War das Interesse enden wollend? „Das Interesse ist da, sie wollen nur nichts davon an die Öffentlichkeit bringen. Das Interesse, da nichts zu tun, war sehr groß.“