Die Presse

Das Ende meiner belgischen Fußballlie­be

- VON OLIVER GRIMM E-Mails an: oliver.grimm@diepresse.com

Gehst Du in Brüssel eigentlich noch ab und zu auf ein Match, fragen mich bisweilen meine alten Haberer aus Wien. Nein, muss ich ich ihnen dann stets antworten, beziehungs­weise: Das ist schon lange her. Ich weiß gar nicht mehr, wann ich zuletzt einem belgischen Fußballspi­el vor Ort beigewohnt hätte. Und eigentlich ist er mir auch ziemlich egal geworden, der belgische Fußball. Vor einem Jahrzehnt war das noch anders. Da hatte das Königreich für alle ballesteri­schen Vorlieben etwas im Füllhorn. Wer sich im Widerstand zum „Kommerzfuß­ball“, als Hipster deklariere­n wollte, konnte das jedes zweite Wochenende in der malerische­n Arena der Royal Union Saint-Gilloise tun, bei Blunzen, Bier, und mäßigem, aber „ehrlichem“Zweitligag­ekicke (ich bekenne mich dazu, mehrere Kolumnen über die „Vienna von Brüssel“bezeugen es). Die belgischen Spitzenklu­bs wie Anderlecht, Brügge oder Lüttich waren zwar meilenweit von ihrer glorreiche­n Vergangenh­eit entfernt, ihre Nachwuchsa­rbeit brachte aber jede Saison tolle Jungstars heraus; so sah ich den 16-jährigen Romelu Lukaku und wusste sofort: der wird ein Guter. Und das Nationalte­am, die „Roten Teufel“, wuchsen zur Nummer eins der Fifa-Rangliste heran.

Heute sind die blaugelben von Saint-Gilles, seit sie von einem englischen Investor übernommen wurden, zwar sehr gut und spielen in der Europa League, der selbstiron­ische Charme, mit 900 anderen an einem Sonntagnac­hmittag Amateurfuß­ball im Schatten vergangene­r Glorie zu feiern, ist aber futsch. Die Vereine stecken fast alle tief in einem großen Finanzskan­dal (googlen Sie „Footbelgat­e“), echte Jungstars produziere­n sie kaum mehr (der junge Brügger Charles de Ketelaere muss sich bei Milan erst beweisen). Hingegen sorgen ihre Fans für Gewaltaus- und Spielabbrü­che, jüngste jene von Charleroi (weil sie ihren eigenen Präsidente­n wegputsche­n wollen). Und die Roten Teufel? Die sind alt und lahm geworden. Sic transit gloria mundi: ich muss mir wohl einen neuen Sport suchen.

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria