Weltwirtschaft bricht stärker ein als erwartet
Prognosen. Die internationalen Wirtschaftsdaten sind uneinheitlich: Während der IWF seine Wachstumsprognose senkt, wächst die Industrieproduktion in der Eurozone, und die Preise für Agrarprodukte ziehen wieder an.
Washington/Berlin. Die Aussichten für die Weltwirtschaft sind nach Angaben des Internationalen Währungsfonds (IWF) noch schlechter als im vergangenen Monat prognostiziert. Der globale Kreditgeber senkte die Wachstumsprognose für 2023 auf 2,7 Prozent gegenüber 2,9 Prozent im Vormonat, teilte der Währungsfonds am Sonntag mit.
Die jüngsten Indikatoren „bestätigen, dass die Aussichten düsterer sind“, insbesondere in Europa, hieß es in einem Blog des IWF, der für das G20-Gipfeltreffen in Indonesien vorbereitet wurde. Der IWF machte dafür die Straffung der Geldpolitik verantwortlich, die durch die anhaltend hohe und weit verbreitete Inflation, die schwache Wachstumsdynamik in China sowie die anhaltenden Lieferketten-Unterbrechungen und die Lebensmittel-Unsicherheit − infolge des russischen Einmarschs in der Ukraine − ausgelöst wurde.
„Die Herausforderungen, mit denen die Weltwirtschaft konfrontiert ist, sind immens, und die sich abschwächenden Wirtschaftsindikatoren deuten auf weitere Schwierigkeiten hin“, sagte der IWF und fügte hinzu, dass das derzeitige politische Umfeld „ungewöhnlich unsicher“sei. Eine Verschärfung der Energiekrise in Europa würde das Wachstum stark beeinträchtigen und die Inflation in die Höhe treiben.
An dem negativen Ausblick ändert auch die über den Erwartungen liegende Industrieproduktion in Europa nichts. Die Industrie im Euroraum hat ihre Produktion im September überraschend kräftig hochgefahren. Die Betriebe stellten 0,9 Prozent mehr her als im Vormonat, wie das Statistikamt Eurostat am Montag mitteilte. Von Reuters befragte Ökonomen hatten nur mit plus 0,3 Prozent gerechnet, nachdem es im August einen Anstieg von revidiert 2,0 Prozent gegeben hatte.
Im Vergleich zum Vorjahresmonat legte der Ausstoß im September um 4,9 Prozent zu und damit deutlich stärker, als mit 2,8 Prozent erwartet worden war.
In der Eurozone stieg die Produktion von Investitionsgütern von August auf September um 1,5 Prozent und von Verbrauchswaren um 3,6 Prozent. Der Ausstoß von Vorleistungsprodukten sank hingegen um 0,9 Prozent und von Energie um 1,1 Prozent. Die im Zuge des Ukraine-Krieges stark gestiegenen Preise für Energie und Rohstoffe machen vielen Industriebetrieben das Leben schwer. Aber auch die seit Ausbruch der Coronapandemie zu verzeichnenden Störungen der Lieferketten belasten noch.
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) sieht die Weltwirtschaft noch pessimistischer als der IWF. „Das Wachstum der Weltwirtschaft wird sich auf gut 2,25 Prozent im kommenden Jahr belaufen“, heißt es. Es drohe das drittschlechteste Ergebnis für die Welt in den vergangenen 32 Jahren.
Lebensmittelpreise bleiben hoch
Und zu allem Übel zeichnen sich auch wieder höhere Lebensmittelpreise ab. In Deutschland ziehen die Preise für landwirtschaftliche Produkte wieder deutlich an. Die Erzeugerpreise lagen im September durchschnittlich 39,4 Prozent höher als im Vorjahresmonat, wie das Statistische Bundesamt am Montag mitteilte. Im August hatte die Teuerungsrate 34,5 Prozent betragen, im Juli 33,4 Prozent. Steigende Nahrungsmittelpreise gehören neben Energie bekanntlich zu den größten Inflationstreibern.
Die Preise für pflanzliche Produkte erhöhten sich in Deutschland im September um 26 Prozent. Dabei kostete Getreide 41 Prozent mehr als vor einem Jahr, Speisekartoffeln legten sogar um 73 Prozent zu. Beim Gemüse (+ 22,8 Prozent) stiegen vor allem die Preise für Gurken (+ 48,0 Prozent), Karfiol (+ 29,2 Prozent) und Kohl (+ 24,5 Prozent). Die Erzeugerpreise für Obst sanken um 4,7 Prozent, wobei Tafeläpfel 20,6 Prozent billiger waren als im Vorjahresmonat. Weit überdurchschnittlich kletterten im September die Preise für tierische Erzeugnisse: Allein für Milch musste um 57,5 Prozent mehr bezahlt werden.
Der Index der Erzeugerpreise landwirtschaftlicher Produkte misst die Entwicklung der Verkaufspreise der Landwirtschaft (ohne Umsatzsteuer). Er zeigt damit die Entwicklungen auf der ersten Wirtschaftsstufe an, also noch bevor die Waren in den Handel kommen. Der Index gibt also einen frühen Hinweis auf die künftige Entwicklung der Verbraucherpreise. (ag.)