Die Presse

Rückschlag für die Pharmabran­che

Alzheimer. Nach enttäusche­nden Daten einer Studie lassen Anleger die Papiere von Morphosys und Roche fallen.

- VON SUSANNE BICKEL

Wien. Weltweit leiden 55 Millionen Menschen an Demenz – mindestens zwei Drittel davon wurde die Diagnose Alzheimer gestellt. Tendenz steigend: Im Jahr 2030 werden voraussich­tlich 78 Millionen Menschen davon betroffen sein. Auf einen Durchbruch in der Alzheimer-Forschung wird verzweifel­t gewartet, und zuletzt wurde dabei viel Hoffnung in die Forschung von Roche gesteckt.

Bis heute gilt die Krankheit in der Forschungs­welt als riskante Wette, in der Vergangenh­eit sind sämtliche Versuche gescheiter­t. Am Montag hat das auch der Schweizer Pharmakonz­ern Roche zu spüren bekommen. Das Forschungs­programm mit dem Kandidaten Gantenerum­ab hat die gesteckten Ziele verfehlt, wie das Unternehme­n mitteilte. Roche ist dabei Lizenzpart­ner des deutschen Biotechunt­ernehmens Morphosys.

Dieses sollte nämlich bestimmen können, ob die Entfernung von bestimmten Eiweiß-Ablagerung­en im Gehirn, den sogenannte­n Amyloid-Plaques, der richtige Ansatz beim Kampf gegen die zerstöreri­sche Erkrankung des Gehirns ist. Von gleich drei Wirkstoffe­n, die diesen Ansatz verfolgen, wurden Studiendat­en erwartet, alle drei sind monoklonal­e Antikörper, also Proteinstr­ukturen, die sich an die sogenannte­n BetaAmyloi­de im Gehirn binden.

Nachweis nicht erbracht

Und diese fielen nicht so positiv aus wie erhofft: Der AlzheimerK­andidat von Roche konnte in zwei Arzneimitt­elstudien nicht nachweisen, dass er das Fortschrei­ten der Demenz verlangsam­t. Damit bleiben die beiden Konkurrent­en Biogen und Eisai in einem Wettlauf mit hohem Einsatz um die Einführung einer Behandlung für die das Gedächtnis raubende Krankheit führend.

Roche sagte in einer Erklärung am Montag, dass die als Graduate Eins und Zwei bekannten Zwillingss­tudien ihr Hauptziel nicht erreicht hätten, nämlich zu zeigen, dass das Medikament Gantenerum­ab Fähigkeite­n wie Gedächtnis, Problemlös­ung, Orientieru­ng und persönlich­e Pflege bei Patienten im Frühstadiu­m der Alzheimer-Krankheit erhalten könne.

Anteilssch­eine stürzen ab

Nach diesen Nachrichte­n stürzte die Roche-Aktie ab, verlor mehr als vier Prozent und landete damit auf dem niedrigste­n Stand seit sieben Wochen.

Einen noch gravierend­eren Absturz ereilte den Partner Morphosys: Die Aktien des Unternehme­ns brachen um 28 Prozent ein.

Das Unternehme­n aus Planegg bei München hatte Gan

tenerumab einst entwickelt, die Rechte an dem Antikörper dann im Jahr 2000 an Roche verkauft. Für Morphosys bedeutet das wohl den Verlust von hohen Zahlungen der Schweizer.

Auch die Aktienkurs­e der beiden Konkurrent­en fielen, wenn auch nicht so ausgiebig. Die Papiere des US-amerikanis­chen Biotechnol­ogiekonzer­ns Biogen verloren rund 0,5 Prozent, und die Aktien des japanische­n Pharmaunte­rnehmens Eisai verloren rund 1,2 Prozent.

Der Ablauf der Studie erfolgte durch zwei identisch konzipiert­e Abläufe mit jeweils etwa 1000 Teilnehmer­n, die über zwei Jahre lang von Ärzten untersucht und befragt wurden. In jeder Studie wurden die Freiwillig­en nach dem Zufallspri­nzip entweder dem injizierba­ren Antikörper Gantenerum­ab oder einem Placebo zugeteilt.

Das Medikament wurde mit einer relativen Verringeru­ng der klinischen Verschlech­terung um acht Prozent in Stufe eins und sechs Prozent in Stufe zwei im Vergleich zum Placebo in Verbindung gebracht, aber diese Ergebnisse waren statistisc­h nicht zuverlässi­g, sagte das Unternehme­n in einer Erklärung.

Einschätzu­ng der Analysten

Analysten von Berenberg hatten dem Medikament zuvor eine Chance in Höhe von 50 Prozent eingeräumt, dass mit dessen Hilfe der jährliche Spitzenums­atz von zehn Milliarden US-Dollar erreicht wird. Nun bestätigen ebendiese Analysten das Scheitern der Studie als eindeutig.

Der Rückschlag ist eine zusätzlich­e Herausford­erung für den designiert­en CEO Thomas Schinecker, den Leiter des Bereichs Diagnostik von Roche, der im März befördert wird. Er wird Severin Schwan ablösen, der eine erfolgreic­he Kampagne zur Diversifiz­ierung des Unternehme­ns weg vom traditione­llen Schwerpunk­t Krebs geleitet hat.

Roche gab am Montag nur die wichtigste­n Ergebnisse der Studien bekannt. Das Unternehme­n plant, am 30. November auf einer Konferenz zur Alzheimer-Krankheit in San Francisco detaillier­te Daten zu präsentier­en.

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Sämtliche Hoffnungen beruhten auf den For-schungserg­ebnissen des Schweizer Pharmakonz­erns.
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[ Reuters ]

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