Rückschlag für die Pharmabranche
Alzheimer. Nach enttäuschenden Daten einer Studie lassen Anleger die Papiere von Morphosys und Roche fallen.
Wien. Weltweit leiden 55 Millionen Menschen an Demenz – mindestens zwei Drittel davon wurde die Diagnose Alzheimer gestellt. Tendenz steigend: Im Jahr 2030 werden voraussichtlich 78 Millionen Menschen davon betroffen sein. Auf einen Durchbruch in der Alzheimer-Forschung wird verzweifelt gewartet, und zuletzt wurde dabei viel Hoffnung in die Forschung von Roche gesteckt.
Bis heute gilt die Krankheit in der Forschungswelt als riskante Wette, in der Vergangenheit sind sämtliche Versuche gescheitert. Am Montag hat das auch der Schweizer Pharmakonzern Roche zu spüren bekommen. Das Forschungsprogramm mit dem Kandidaten Gantenerumab hat die gesteckten Ziele verfehlt, wie das Unternehmen mitteilte. Roche ist dabei Lizenzpartner des deutschen Biotechunternehmens Morphosys.
Dieses sollte nämlich bestimmen können, ob die Entfernung von bestimmten Eiweiß-Ablagerungen im Gehirn, den sogenannten Amyloid-Plaques, der richtige Ansatz beim Kampf gegen die zerstörerische Erkrankung des Gehirns ist. Von gleich drei Wirkstoffen, die diesen Ansatz verfolgen, wurden Studiendaten erwartet, alle drei sind monoklonale Antikörper, also Proteinstrukturen, die sich an die sogenannten BetaAmyloide im Gehirn binden.
Nachweis nicht erbracht
Und diese fielen nicht so positiv aus wie erhofft: Der AlzheimerKandidat von Roche konnte in zwei Arzneimittelstudien nicht nachweisen, dass er das Fortschreiten der Demenz verlangsamt. Damit bleiben die beiden Konkurrenten Biogen und Eisai in einem Wettlauf mit hohem Einsatz um die Einführung einer Behandlung für die das Gedächtnis raubende Krankheit führend.
Roche sagte in einer Erklärung am Montag, dass die als Graduate Eins und Zwei bekannten Zwillingsstudien ihr Hauptziel nicht erreicht hätten, nämlich zu zeigen, dass das Medikament Gantenerumab Fähigkeiten wie Gedächtnis, Problemlösung, Orientierung und persönliche Pflege bei Patienten im Frühstadium der Alzheimer-Krankheit erhalten könne.
Anteilsscheine stürzen ab
Nach diesen Nachrichten stürzte die Roche-Aktie ab, verlor mehr als vier Prozent und landete damit auf dem niedrigsten Stand seit sieben Wochen.
Einen noch gravierenderen Absturz ereilte den Partner Morphosys: Die Aktien des Unternehmens brachen um 28 Prozent ein.
Das Unternehmen aus Planegg bei München hatte Gan
tenerumab einst entwickelt, die Rechte an dem Antikörper dann im Jahr 2000 an Roche verkauft. Für Morphosys bedeutet das wohl den Verlust von hohen Zahlungen der Schweizer.
Auch die Aktienkurse der beiden Konkurrenten fielen, wenn auch nicht so ausgiebig. Die Papiere des US-amerikanischen Biotechnologiekonzerns Biogen verloren rund 0,5 Prozent, und die Aktien des japanischen Pharmaunternehmens Eisai verloren rund 1,2 Prozent.
Der Ablauf der Studie erfolgte durch zwei identisch konzipierte Abläufe mit jeweils etwa 1000 Teilnehmern, die über zwei Jahre lang von Ärzten untersucht und befragt wurden. In jeder Studie wurden die Freiwilligen nach dem Zufallsprinzip entweder dem injizierbaren Antikörper Gantenerumab oder einem Placebo zugeteilt.
Das Medikament wurde mit einer relativen Verringerung der klinischen Verschlechterung um acht Prozent in Stufe eins und sechs Prozent in Stufe zwei im Vergleich zum Placebo in Verbindung gebracht, aber diese Ergebnisse waren statistisch nicht zuverlässig, sagte das Unternehmen in einer Erklärung.
Einschätzung der Analysten
Analysten von Berenberg hatten dem Medikament zuvor eine Chance in Höhe von 50 Prozent eingeräumt, dass mit dessen Hilfe der jährliche Spitzenumsatz von zehn Milliarden US-Dollar erreicht wird. Nun bestätigen ebendiese Analysten das Scheitern der Studie als eindeutig.
Der Rückschlag ist eine zusätzliche Herausforderung für den designierten CEO Thomas Schinecker, den Leiter des Bereichs Diagnostik von Roche, der im März befördert wird. Er wird Severin Schwan ablösen, der eine erfolgreiche Kampagne zur Diversifizierung des Unternehmens weg vom traditionellen Schwerpunkt Krebs geleitet hat.
Roche gab am Montag nur die wichtigsten Ergebnisse der Studien bekannt. Das Unternehmen plant, am 30. November auf einer Konferenz zur Alzheimer-Krankheit in San Francisco detaillierte Daten zu präsentieren.