Und wieder die Frage: Wie hältst Du’s mit der FPÖ?
Blauer Partner. Die FPÖ erreicht in Umfragen wieder eine Größe, die sie als potenziellen Koalitionspartner interessant macht – für ÖVP wie SPÖ.
Wenn jemand bei einem Meinungsforschungsinstitut eine Umfrage in Auftrag gibt, bei der die ominöse „Sonntagsfrage“gestellt wird, kann er einfach an einem Zwischenstand der politischen Lage interessiert sein. Oder er kann dabei die Absicht haben, unauffällig Neuwahlen ins Gespräch zu bringen. Bekanntlich lautet die Sonntagsfrage: „Angenommen, am nächsten Sonntag wären Nationalratswahlen. . .“Der „Kurier“brachte am Samstag eine Umfrage, bei der die FPÖ an erster Stelle liegt, ein Kommentator machte aus seinem Herzen keine Mördergrube und plädierte für Neuwahlen.
Eine Umfrage im „Profil“sieht die SPÖ vor der FPÖ an der Spitze. Bei der OGM-Umfrage für den „Kurier“wurde auch die Pogo-Partei einkalkuliert, was vermutlich die Zahlen für die SPÖ mindert. In beiden Erhebungen ist die ÖVP jedenfalls mehr oder minder abgeschlagen an dritter Stelle. Auch wenn man sich in der Volkspartei daran klammert, dass OGM-Umfragen wegen der Onlinebefragung nicht sehr verlässlich seien, bleibt das besorgniserregende Faktum, dass man unter den drei Mittelparteien in dieser Momentaufnahme die kleinste ist.
Jedenfalls hat sich die FPÖ wieder einmal in eine Größenordnung gebracht, die sie als potenziellen Koalitionspartner interessant macht – und zwar für ÖVP wie für SPÖ. Zur gern verdrängten Erinnerung: Die Freiheitlichen haben einmal eine Minderheitsregierung der SPÖ gestützt und waren einmal in einer regelrechten Koalition mit den Sozialdemokraten. Zweimal haben sie an der Seite der ÖVP regiert. Im Burgenland waren sie auch einmal Koalitionspartner der SPÖ. So „unschuldig“, wie sie tut, ist die SPÖ also nicht.
Immer, wenn eine Annäherung der SPÖ an die Freiheitlichen möglich oder wünschenswert erscheint, mutiert die FPÖ in der öffentlichen Betrachtung schnell zu einer eigentlich liberalen Partei. Auch in den Folgen der Ibiza-Affäre hat man überraschende Allianzen zwischen SPÖ und FPÖ gesehen. Steht dagegen eine Koalition ÖVP/FPÖ auf dem Programm, sind die Freiheitlichen eine rechtsradikale bis faschistische Partei, und die Regierung heißt dann Rechtsblock oder so.
Keine große Berührungsangst
Tatsächlich hat die SPÖ nie so große Berührungsängste gegenüber den Freiheitlichen gehabt, wie das manche ihrer Ideologen gern hätten. 1970 hat Bruno Kreisky die FPÖ, die damals unter der Führung des früheren SS-Obersturmführers Friedrich Peter stand, für die Duldung einer SPÖ
Minderheitsregierung mit einer Wahlrechtsreform belohnt, die der FPÖ den Einsitz im Parlament für alle kommenden Zeiten garantierte. Ein Jahr später hatte die FPÖ vorläufig ihre Schuldigkeit getan, Kreisky brauchte sie für die nächsten zwölf Jahre nicht mehr.
Stegers Ungeschicklichkeit
In diese Situation kam erst 1983 sein Nachfolger Fred Sinowatz. Er fand schnell wieder den Weg zur FPÖ. Ihrem Vorsitzenden, Norbert Steger, wurde seine Ungeschicklichkeit und politische Unbedarftheit als Liberalität angerechnet. Die Partei war freilich immer noch dieselbe alte FPÖ mit denselben Deutschnationalen und Ex-Nazis in den Spitzenrängen und im Parlament. Als Harald Ofner sein Amt als Justizminister antrat, begrüßten ihn Jungsozialisten mit dem Ruf: „Nazi-Ofner raus!“
Die Affinität zwischen der SPÖ und der FPÖ hat historische Wurzeln. In der Perspektive vieler Sozialdemokraten ist die eigentliche Katastrophe der jüngeren österreichischen Geschichte nicht die NSDiktatur gewesen, sondern die Zeit des Ständestaates davor. Der Schriftsteller Robert Menasse hat diese Sicht in seinen diversen Österreich-Essays immer wieder mit Verve vertreten. Im „Standard“wurde noch dieser Tage Bundeskanzler Engelbert Dollfuß als „austrofaschistischer Diktator“bezeichnet. Dieses Geschichtsbild hält die Linke mit großer Konsequenz aufrecht.
Das Trauma der Jahre 1934 bis 1938 wirkt bei vielen Sozialdemokraten so stark, dass sich ihm gegenüber der Schrecken der NaziHerrschaft relativiert. Der Ständestaat sei jedenfalls der größere politische Sündenfall gewesen als die Anfälligkeit mancher Sozialdemokraten für den Nationalsozialismus. Als der eigentliche „Feind“gilt ihnen daher die Volkspartei, was bei der Regierungsbildung 2000 und in den ersten Jahren von Schwarz-Blau auch in aller Vehemenz ausgebrochen ist.
Interessant in diesem Zusammenhang ist auch eine Bemerkung, die Adolf Schärf, der spätere SPÖ-Bundespräsident, 1949 gegenüber Herbert Kraus, dem Gründer des VDU, aus dem später die FPÖ hervorgegangen ist, gemacht haben soll: „Gut, dass jetzt noch eine antikatholische Partei im Parlament ist.“Gemeint war: neben SPÖ und KPÖ. Kraus sei über diese Vertraulichkeit befremdet gewesen, sagte er zu dem Gewährsmann, dem er die Episode erzählte, denn er habe seinen „Verband der Unabhängigen“als liberale Partei ohne Ressentiment gegen den Katholizismus verstanden, für dessen Vertreter Schärf die ÖVP hielt.
Es muss nicht Liebe sein, was die SPÖ zu einer Annäherung an die FPÖ treibt, sondern die strategische Logik. Es ist für sie nicht einzusehen, warum sie auf Dauer weniger Koalitionsoptionen haben soll als die ÖVP. 1999 hat sich dieser Mangel fatal für die SPÖ ausgewirkt. Die ÖVP fuhr zwar das schlechteste Wahlergebnis ihrer Geschichte ein, landete gar an dritter Stelle, Wolfgang Schüssel (VP) hatte aber im Gegensatz zu Viktor Klima (SP) mehrere Optionen. Er tat das, was seine Vorgänger Alois Mock und Erhard Busek nicht durften bzw. sich nicht trauten, und nahm sich die FPÖ als Partner. Die Möglichkeit dazu hätte zwar auch die SPÖ gehabt, Klima kam aber erst fünf nach zwölf und in auswegloser Lage auf diese Idee – und da war es zu spät.
Es muss nicht Liebe sein
Für die ÖVP ist die Beziehung zur FPÖ noch komplizierter und widersprüchlicher. „Lieber rot als schwarz“, hieß es einmal bei den klassischen deutschnationalen Freiheitlichen, denen die ÖVP als eine klerikale Partei galt. Umgekehrt gab und gibt es eine tiefe Aversion der ÖVP, besonders in Wien und Ostösterreich, gegen die Freiheitlichen – aus denselben Gründen seitenverkehrt.
Dennoch haben zwei ÖVP/ FPÖ-Regierungen sehr gut gearbeitet, die bei den Freiheitlichen allerdings das Trauma hinterlassen haben, dass sie dafür bei Wahlen bestraft werden, weil ihre Wähler sich die FPÖ als Protest- und Oppositionspartei vorstellen und nicht als zu Kompromissen verpflichtete Regierungspartei. Außerdem haben ihre Regierungsmitglieder an der Seite von Schüssel und Kurz nur Nebenrollen gespielt.
Die eigentliche „Demarkationslinie“in der ÖVP, von der ein Meinungsforscher sprach, verläuft nicht zwischen der schwarzen und der türkisen ÖVP, sondern zwischen denen in der Partei, die eine Koalition mit der FPÖ aus ideologischen Gründen ablehnen und denjenigen, die eine dauerhafte Machtperspektive für die ÖVP nur mit der FPÖ als Partner sehen. Dass die schwarz-grüne Koalition nach der nächsten Wahl Geschichte sein wird, darf man als gesichert annehmen.