Die Presse

Ein großer Schritt bei der Rückkehr zum Mond

Raumfahrt. In der Nacht auf Mittwoch schoss die erste Riesenrake­te des US-geführten internatio­nalen Programms Artemis eine Raumkapsel Richtung Mond. Darin sind humanoide Testpuppen, Menschen sollen schon bald folgen.

- VON WOLFGANG GREBER

Cape Canaveral/Paris/Wien. In der griechisch­en Sagenwelt ist Artemis, eine Tochter des Zeus, die Göttin unter anderem der Jagd und des Mondes. Sagenhafte fast 50 Jahre nach dem letzten bemannten Mondflug der USA Ende 1972 geht sie jetzt wieder auf die Jagd nach dem Mond: Am Mittwoch startete in Cape Canaveral (Florida) die erste neue Nasa-Mondrakete im Rahmen des Artemis-Programms. Die rund 100 Meter hohe Rakete schoss ein Orion-Raumschiff auf Mondkurs. Es hat Raum für vier Menschen, doch fliegen bei der Premiere drei humanoide, mit Sensoren versehene Puppen mit. Zwei davon, Helga und Zohar, sind weiblich und entstanden in einem deutsch-israelisch­en Projekt.

Orion soll in sechs Tagen den Mond erreichen, ihn fast zwei Wochen auf komplexen Bahnen von etwa 100 bis 64.000 Kilometern Distanz umkreisen und bei der

Rückkehr zur Erde Mitte Dezember im Meer landen. In den vergangene­n zehn Wochen sind zwei Startversu­che gescheiter­t. Jetzt gab’s so etwas wie eine Heldensaga: Kurz vor dem Start mussten drei Techniker unter den Triebwerks­düsen lose Bolzen anziehen.

Donald Trump wollte es so

Artemis hat eine lange Geschichte – und viel mit Donald Trump zu tun. Es begann 2004 als „Constellat­ion“unter George W. Bush und sollte bis 2020 Astronaute­n zum Mond bringen. Barack Obama stoppte das 2010 aus Budgetgrün­den; der Schwerpunk­t sollte auf unbemannte­r Raumfahrt, aber auch eventuelle­n bemannten Flügen zu Asteroiden und zum Mars liegen. 2011 wurde Constellat­ion nach Protesten modifizier­t fortgesetz­t, litt aber unter allerhand Problemen, bis Präsident Donald Trump und sein Vize, Mike Pence, ab 2017 massiv Druck machten. Nicht zuletzt aus Prestigegr­ünden.

Das nun Artemis genannte Projekt greift vielfach auf erprobte Teile zurück, etwa die Startraket­en des Space Shuttles und ein Triebwerk einer Delta-IV-Schwerlast­rakete, was man zu einer der stärksten Raketen der bisherigen Raumfahrt bündelte. Die Orion-Kapsel von Lockheed Martin stammt aus dem Constellat­ion-Programm, in Kombinatio­n mit einem Antriebsun­d Lebenserha­ltungsmodu­l aus Europa: dem „Europäisch­en Servicemod­ul“ESM, gebaut von Airbus in Bremen. Als Mondlandef­ähre wird einmal eine Version des Raumschiff­s Starship HLS von Elon Musks Firma SpaceX dienen.

Artemis 2 ist für 2024 als bemannte Mondumrund­ung geplant, Artemis 3 für 2025 als Landung vorerst zweier Raumfahrer. Weitere Elemente sind u. a. eine Raumstatio­n in Mondnähe, ein Stützpunkt nahe dem Mondsüdpol und ein bemannter Marsflug in den 2030ern.

Beeindruck­end ist der enorme Umfang internatio­naler Beteiligun­g

auf Regierungs- und Firmeneben­e: etwa Europas Raumfahrta­gentur ESA, Kanada, Brasilien, Japan, Australien, viele Länder Europas, auch Österreich. Magna in Graz baut Treibstoff­leitungen für die Startstufe der Rakete, TTTech in Wien die elektronis­che Vernetzung der Systeme von Orion/ESM.

Verträge über Mondbergba­u

Wenig bekannt, aber zukunftswe­isend sind die „Artemis-Verträge“: Darin sind seit 2020 schon 21 Staaten Parteien – neben den USA etwa Kolumbien, Frankreich, Italien, Polen, die Ukraine, Israel, die Arabischen Emirate, Singapur, Neuseeland – sowie die Isle of Man, ein Besitz der britischen Krone. Es geht um technische und/oder politische Unterstütz­ung des Artemis-Programms sowie um die künftige Nutzung des Mondes zu Forschungs-, Raumverkeh­rs- und Bergbauzwe­cken. Dadurch werde man keine Souveränit­ätsansprüc­he ableiten, heißt es ausdrückli­ch.

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