Radikal, ungehorsam, Klima-Aktivist
Protest. Vom Schülerstreik zu Öl auf Klimt und besetzten Unis: Die Klimabewegung ist im Umbruch. Doch wer sind die Akteure?
Wien. Kein Tag ohne Protestaktion: Nachdem Klima-Aktivisten der „Letzten Generation“am Dienstag Fake-Öl auf ein Gemälde von Gustav Klimt im Leopold-Museum geschüttet hatten (beziehungsweise auf die Glasplatte davor), haben am Mittwoch Mitglieder der neuen Gruppierung „Erde brennt“einen Hörsaal der Uni Wien besetzt.
Der Klimaprotest in Österreich ist im Umbruch. Vorbei die Zeiten von friedlich streikenden Schülern am Ring, nun werden Baustellen besetzt, Hände auf Asphalt geklebt und Kunstwerke attackiert. Doch wer sind die Aktivisten, die hinter diesen Aktionen stecken? Wie radikal sind sie wirklich? Und wie unterscheiden sie sich vom Rest der österreichischen Klimabewegung? Ein Überblick über die wichtigsten Akteure.
Die Radikalen
Hinter der Klimt-Aktion im Leopold-Museum steht die Organisation Letzte Generation. Das ist jene lose Gruppe an Aktivisten, die in den vergangenen Monaten auch mit Straßenblockaden aufgefallen sind. Ihr beliebtestes Mittel ist der Superkleber. Damit haben sie sich seit Februar, als sie in Österreich erstmals in Erscheinung getreten sind, mindestens 13-mal auf den Asphalt geklebt, immer auf Hauptverkehrsadern wie Gürtel oder Ring, meist im Frühverkehr.
Die Aktionen müssten den Alltag stören, „je intensiver, desto besser“, sagte ein Aktivist vor einigen Wochen zur „Presse“. Man sei jedoch weder gegen Autos noch gegen Kunst. Was die Aktionen bewirken sollen ist höchstmögliche Aufmerksamkeit, für die Klimakrise und den Kampf dagegen.
Viele aus der Letzten Generation, die sich an internationalen Vorbildern orientiert, waren auch davor in der Klimabewegung aktiv, sind aber von der Wirkungslosigkeit bisheriger Proteste desillusioniert. Mit radikaleren Mitteln politische Maßnahmen zu fordern ist für sie angesichts der fortschreitenden, ungestoppten Erderhitzung „die einzige Option“.
Gut möglich, dass die Letzte Generation, sobald die Kunstattacken abgenutzt sind, zu anderen Mitteln greift. Eine gewaltsame Radikalisierung ist derzeit nicht zu erwarten. Doch das gewaltfreie Selbstbild der Bewegung hat zumindest Risse bekommen, seitdem der Tod einer Radfahrerin in Berlin mit der Straßenblockade der Letzten Generation Deutschland in Verbindung gebracht wurde.
Die Ungehorsamen
Auf gewaltfreien Ungehorsam setzt Extinction Rebellion. Auch diese Gruppe hat Straßenblockaden durchgeführt, noch mehr fällt sie durch aufsehenerregenden, aktionistischen Protest auf: Ausgefallene Kostüme, auf Straßen deponierte Ölfässer, an Bagger oder aneinandergekettete Aktivisten.
Extinction Rebellion hat weltweit Ableger, sie berufen sich auf vergangene Widerstandsformen von Gandhi über Suffragetten bis Hainburg. „Es geht um das Verlassen der eigenen Komfortzone. Von ganz legalen Aktionen bis dahin, sich verhaften zu lassen“, heißt es auf ihrer Homepage. Ihr Ziel: von Regierungen Maßnahmen gegen das Massenaussterben von Tieren und Pflanzen sowie das mögliche Aussterben der Menschheit als Folge der Klimakrise zu erzwingen.
Auch bei dem Bündnis Lobau bleibt, das die Stadtstraßen-Baustellen besetzte, waren Extinction Rebellion dabei, neben weiteren Gruppen wie System Change not Climate Change oder dem Jugendrat.
Neu auf dem Tapet sind die Aktivisten von Erde brennt, die Mittwochmittag den größten Hörsaal im Alten AKH (C1) besetzt haben. Auch ihr Mittel ist es, zu stören und ungehorsam zu sein. Ziel der Besetzung sei, „das fossile Wirtschaftssystem“und neben der Klimakrise auch die Krise im Bildungsbereich zu beenden. „Erde brennt“ist Teil der Klimagerechtigkeitsbewegung „End Fossil“, die diesen Herbst weltweit Hunderte Schulen und Unis besetzen will.
Die Streikenden
Sie haben die moderne Klimabewegung groß gemacht, mittlerweile ist es um die streikenden Schüler von Fridays for Future ruhig geworden. Wie ihre Gründerin, Greta Thunberg, die kürzlich ankündigte, „das Mikrofon weiterzureichen“, sind so manche österreichischen Fridays-Aktivisten „erwachsen“geworden, schreiben Bücher, haben Jobs oder haben sich anderen Bewegungen zugewandt.
Und obwohl sie immer noch Tausende Menschen mobilisieren, (zuletzt 12.000 in Wien), die regelmäßigen, friedlichen Schülerstreiks sind mittlerweile etabliert, gehören irgendwie dazu – und haben an Schlagkraft eingebüßt.
Die Etablierten
Noch mehr gilt dies für die alteingesessenen Klimaschutzorganisationen wie Greenpeace, Global 2000 oder WWF. Vorbei die Zeiten,
als sie mit dem Erklettern des Stephansdoms Schlagzeilen machten. PR-Aktionen gibt es zwar immer noch, eine gewisse Finanzstärke und etablierte Strukturen erlauben Lobbyarbeit auf höheren Leveln.