„Les Rouges“: Ahornblätter im Wüstensand
Kanada. Zum zweiten Mal nach 1986 ist die Eishockeynation bei einer Fußball-Endrunde dabei. Jungstars wie Alphonso Davies und Jonathan David haben eine Euphorie entfacht, die selbst die Ignoranz von Sponsor Nike nicht trüben kann.
Ottawa. Offiziell gibt es bei der WM in Katar mit dem Gastgeber nur einen Debütanten, für Kanada aber fühlt sich die Teilnahme fast wie eine Premiere an. 36 Jahre und damit beinahe eine halbe Ewigkeit liegt die erste Teilnahme zurück, weder Punkt noch Tor datiert von damals. Im Schatten der ConcacafRegionalmächte USA und Mexiko aber haben sich „Les Rouges“(Die Roten), angeführt von den in Europa gefeierten Jungstars Alphonso Davies und Jonathan David, ins Rampenlicht gespielt.
Insbesondere die Geschichte von Davies zählt zu jenen bemerkenswerten, die nur das Leben schreiben kann. Mittlerweile 22 Jahre alt und bei Bayern München Stammkraft auf der linken Seite, wurde er im ghanaischen Flüchtlingslager
Buduburam geboren. Dorthin waren seine Eltern vor dem Bürgekrieg in Liberia geflüchtet. Als er fünf Jahre alt war, ließ sich die Familie in Kanada nieder. Bald machte Davies mit seinem fußballerischen Talent auf sich aufmerksam, mit 15 zog er allein nach Vancouver, unterschrieb seinen ersten Profivertrag und debütierte wenige Monate später in der MLS, der höchsten nordamerikanischen Liga. Zwei Jahre später übersiedelte er nach München.
Auch Jonathan David steht beispielhaft für die kanadische Einwanderungspolitik. Der heutige Lille-Legionär kam in New York als Kind haitianischer Eltern auf die Welt, die Familie kehrte aber bald in die Heimat zurück und wanderte sechs Jahre später nach Ottawa aus. Auch der Stürmer wagte früh den Sprung nach Europa, kam über Gent nach Frankreich.
Diese Aushängeschilder begeistern plötzlich auch die Eishockeynation für Fußball. Belgien, Kroatien und Marokko warten in Gruppe F als Gegner, noch sind die kanadischen Erfolge überschaubar: Neben der WM-Teilnahme 1986 (Gruppenletzter) stehen ein Concacaf-Titel 2000 sowie (von der Fifa nicht anerkanntes) Olympiagold aus dem Jahr 1904 zu Buche.
Überrascht von Kanadas WMTeilnahme war offenbar auch USSportartikelhersteller Nike. Im Gegensatz zu allen anderen qualifizierten Teams gibt es für Kanada kein neu designtes Trikot für Katar. Das soll aber nicht vom Ziel ablenken: dem Aufstieg. (red.)