Immobilien. Mit fallenden Preisen vor der Tür kommen immer mehr Wohnungen auf den Markt. Aber Käufer warten derzeit lieber ab. Was das für den Markt bedeutet.
Wien. Mitte der 1990er-Jahre hatte man eine duale Weltausstellung in Wien und Budapest geplant. „Das war ein Riesentreiber für den Immobilienmarkt in Wien“, erinnert sich der Chef des Immobilienabwicklers Magan, Alexander Neuhuber. Als sich die Bürger aber in einer Volksabstimmung dagegen entschieden, haben „die Preise einen Vollköpfler gemacht“.
Der Immobilienmarkt hat schon so einige Tiefpunkte erlebt. In den 1990er-Jahren gab es Spekulationen um Büros in Japan und Ostdeutschland. In den Jahren 2002 bis 2007 schwelte eine Spekulationsblase in Spanien. 2007 folgte die Subprime-Krise in den USA. Erst im Spätsommer 2017 kämpfte Kanada mit einer Blasenbildung.
Jetzt noch schnell verkaufen?
Doch die jetzige Situation ist eine vollkommen neue. Mehrere Probleme wie Pandemie, der Krieg in der Ukraine und Lieferengpässe überlagern sich, was Vorhersagen schwieriger macht. „Die neue Krise ist eine schleichende“, sagt Neuhuber. Begonnen habe das mit dem Aufblähen der Geldmenge in Europa. Geld leihen kostete jahrelang nichts, dank der Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB).
Das sorgte für einen 18 Jahre langen Preisgalopp für Wohnimmobilien in Österreich. Das zeigt der entsprechende Preisindex der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB). „In den vergangenen Jahren wurde der Preis auf die Spitze getrieben, und diese wird jetzt gekappt“, sagt Neuhuber. Im dritten Quartal legten die Preise nur noch minimal zu. So verteuerte sich Wohneigentum zwischen Juli und September österreichweit nur mehr um 0,3 Proz ent gegenüber dem
Vorquartal. Die Preise in Wien allein stiegen nur um 0,2 Prozent. Gebrauchte Eigentumswohnungen in Wien wurden sogar um 0,2 Prozent billiger.
Auch in Deutschland sind die Pre iselaut Europace im Mai und Juni kaum gestiegen. Seit Juli fallen sie sogar. Kurzfristig dürfe sich dieser Abwärtstrend fortsetzen, prognostizieren die Commerzbank-Analysten.
„Angst- Schockstarre auf dem Markt“
Das scheint immer mehr Immobilienbesitzer nervös zu machen. Soll man das Ende des Booms noch schnell ausnutzen ?DasAngebot von Kaufimmobilien auf der ImmoScout24Plattform hat zugenommen. „Seit Ende August verzeichnen wir einen kontinuierlichen Anstieg“, sagt Markus Dejmek, ÖsterreichChef von ImmoScout24, zur „Presse“. „Im Vergleich zu Anfang Juli sehen wir eine Zunahme von rund 20 Prozent bei Wohnungen und Häusern.“
Auch die Firmengruppe Magan, die Immobilienkäufe für private und institutionelle Investoren aus Österreich überwiegend in Deutschland abwickelt, bekomme seit August überdurchschnittlich viele Angebote. „Aber 95 Prozent davon haben noch das Preisetikett aus dem Jahr 2021. Momentan versucht man es einfach“, sagt Neuhuber. Das wollen Investoren jedoch nicht mehr akzeptieren, sie warten auf Preissenkungen.
„Der Markt ist in einer Angst- und Schockstarre.“Die Investoren würden sich fürchten „wie das Kaninchen vor der Schlange“, zu früh zu kaufen. Geld sei genug im Markt. Aber institutionelle sowie private Investoren und auch Stiftungen warten lieber zu. Das führt dazu, dass sich Angebot und Nachfrage lauernd gegenüberstehen.
Der Schock, dass Geld wieder etwas kostet, sitzt tief. Angesichts der geldpolitischen Wende der EZB sind die effektiven Zinsen für Hypothekarkredite mit zehnjähriger Laufzeit von 1,3 Prozent zu Jahresbeginn auf rund vier Prozent im Oktober geklettert. Zuletzt befanden sie sich im Sommer 2011 auf diesem Niveau. Dies hat den schuldenfinanzierten Kauf erheblich teurer gemacht, sodass Wohnimmobilien deutlich weniger erschwinglich sind.
Wer etwa eine Wohnung für 400.000 Euro plus 22.000 Euro für Nebenkosten wie Grunderwerbssteuer, Makler und Notar kaufen will und dafür 50.000 Euro mitbringt, braucht noch 372.000 Euro von der Bank. Soll dieser Kredit innerhalb von 25 Jahren abbezahlt werden, bedeutet das bei einem Zinssatz von einem Prozent eine monatliche Rate von 1400 Euro. Bei einem Zinssatz von vier Prozent sind es dagegen schon fast 2000 Euro im Monat (siehe Grafik). Somit dürften sich etliche Kaufinteressenten die Finanzierung nicht mehr leisten können, zumal auch die derzeit hohe Inflation das Budget vieler Haushalte belastet.
Neuhuber sieht die große Torschlusspanik erst kommen. Denn bis die Zinsen, die sich am Drei-Monats-Euribor orientieren, wirklich durchschlagen, dauere es noch ein gutes halbes bis dreiviertel Jahr. Dann werde der Druck größer.