Die Presse

Zu viele Ideen am Klimabasar von Sharm el-Sheikh

Zwei Tage vor dem geplanten Ende des Klimagipfe­ls hat die Welt ganz unterschie­dliche Vorstellun­gen, wie die Klimakrise zu lösen ist.

- Aus Sharm el-Sheikh berichtet MATTHIAS AUER

Sharm el-Sheikh. Am Mittwoch war es nicht schwer, herauszufi­nden, wo auf dem Klimagipfe­l in Ägypten die Musik spielt. Einfach dem Lärm nach und die Chancen, in der Nähe von Brasiliens frisch gewähltem Präsidente­n, Lula da Silva, aufzutauch­en, waren groß. Umringt von tanzenden Indigenen und „OleOla-Lula“-Chorälen war das Comeback des linken Altpolitik­ers auf die Weltbühne nicht zu überhören. „Das ist mein Präsident. Er wird wiedergutm­achen, was Bolsonaro verbrochen hat“, sagt eine Aktivistin am brasiliani­schen Pavillon zur „Presse“.

Und Lula lieferte, was von ihm erwartet wurde. Er werde die Zerstörung des Regenwalds stoppen, den Amazonas als CO2-Senke für den gesamten Planeten retten und am liebsten auch gleich die COP in drei Jahren in sein Land holen, ließ er die UN-Versammlun­g wissen. In seiner ersten Amtszeit zwischen 2003 und 2010 senkte Lula den Raubbau am Amazonas auf ein Rekordnive­au. Nun sei er wieder da, um die verheerend­e Kehrtwende seines Nachfolger­s zu beenden.

Die vage Hoffnung auf einen klimapolit­ischen Kurswechse­l in Brasilien kann aber nicht darüber hinwegtäus­chen, dass die Verhandlun­gen auf dem Klimagipfe­l nur in Zeitlupe vorankomme­n. Die Erklärung der G20-Nationen, weiter das 1,5-Grad-Ziel anzupeilen, gab den Verhandler­n zwar einen moralische­n Ruck, zumindest dieses Ziel außer Frage zu stellen. Ein echter Durchbruch beim Aufbau eines validen Mechanismu­s, der die Staaten zur Einhaltung ihrer Reduktions­ziele zwingen könnte, fehlt jedoch. Und die Frage, wer für die Klimaschäd­en und -verluste der Welt aufkommen soll, bleibt der große Elefant im Raum. Es sieht so aus, als würde auf der „COP der Umsetzung“, wie sie im Vorfeld genannt wurde, nicht viel umgesetzt werden.

Öl und Gas als Teil der Lösung?

So weit auseinande­r die Delegierte­n in den Verhandlun­gen immer noch sind, so weit sind es auch die staatliche­n Vertreter, Aktivisten

und Lobbyisten in den Pavillons, die in den Hallen rund um das Konferenzz­entrum aufgebaut wurden. Auf dieser gigantisch­en „grünen Messe“bewegt sich der Großteil der Tausenden Teilnehmer, denen der Zugang zu den Verhandlun­gsräumen verwehrt bleibt.

Hier hat jedes Land freie Hand, seinen ganz persönlich­en Zugang zur Klimakrise zu präsentier­en. China zeigt sich etwa als jene Nation, die den Umstieg auf Erneuerbar­e am schnellste­n – und pragmatisc­hsten bewältigen wird. „Wir werden 2060 eine viermal so hohe Wirtschaft­sleistung haben wie heute, und das beim selben Energiever­brauch wie 2020“, sagt An Qi,

Professori­n am Energy Research Institute, zur „Presse“. Appelle an ihr Land, noch schneller aus fossilen Brennstoff­en wie Kohle auszusteig­en, kann sie nicht nachvollzi­ehen. Die Energiewen­de dürfe das Wachstum nicht begrenzen. Technologi­en, die bereits emittierte­s CO2 wieder einfangen und speichern (CCS), sieht An Qi hingegen nur als „letzten Ausweg“.

Die Vereinigte­n Arabischen Emirate, Gastgeberl­and der kommenden COP, sind da ganz gegenteili­ger Ansicht. Für die arabischen Petro-Staaten ist CCS das Mittel der Wahl, um ihre Net-Zero-Ziele zu erreichen. Neben dem Aufbau einer grünen Wasserstof­fproduktio­n sei

das „Speichern von CO2 im Basaltgest­ein die größte Chance Saudiarabi­ens“, sagt Feras Hamid beim Pavillon seines Landes. Der Vorstoß Indiens, ein gemeinsame­s Ziel zu fixieren, wonach der Konsum aller fossilen Brennstoff­e (nicht nur von Kohle) gesenkt werden solle, findet auch bei vielen afrikanisc­hen Staaten keinen Anklang.

Öl und Gas müssten Teil der Lösung bleiben, fordern sie unverblümt – und holen sich dafür auch Unterstütz­ung von den Ölkonzerne­n. Der Stand von Nigeria ist gänzlich von Firmen wie Exxon, Chevron, Total oder Agip finanziert. Für Mauretanie­n war BP-Chef Bernard Looney sogar als Teil der offizielle­n Delegation in den Verhandlun­gen. Entspreche­nd offen wirbt das Land für die Ausbeutung neuer Gasquellen.

Wenig Gegenwind spürt auch Brianna Lazerwitz von der IAEA. Die Internatio­nale Atomenergi­ebehörde ist erstmals mit einem eigenen Stand bei einer Klimakonfe­renz vertreten und will „aufklären über die zweitgrößt­e emissionsf­reie Energieque­lle der Welt“. Die Menschen seien hier „offen“, sagt Lazerwitz. „Sie haben verstanden, dass die Erneuerbar­en nicht genügen, um unsere Klimaziele in der verbleiben­den Zeit zu erreichen.“

„Nehme, was ich kriegen kann“

Am nächsten dran am Hauptthema der heurigen COP ist Pakistan. „Was in Pakistan passiert, wird nicht in Pakistan bleiben“, prangt in großen Lettern auf dem Pavillon des südostasia­tischen Landes und erinnert damit an die gigantisch­e Flutkatast­rophe, die 1700 Menschen getötet und 30 Milliarden Dollar an Schaden verursacht hat. „Die Flut hat Schulen zerstört und den Menschen ihre Heimat genommen. Es ist eine gewaltige Katastroph­e, die wir jetzt aufräumen müssen“, sagt Pervez Ali von Fridays for Future Pakistan.

Genau solche klimabedin­gten Katastroph­en sind gemeint, wenn die Entwicklun­gsländer fordern, dass die reichen Nationen einen Finanzieru­ngstopf für „loss and damages“aufstellen müssten. Die EU und andere Geberlände­r wehren sich gegen eine derartige Institutio­nalisierun­g. Anders als viele Aktivisten will die pakistanis­che Klimschutz­ministerin, Sherry Rehman, nicht auf „Reparation­en“bestehen. Auch kleinere Schritte, wie sie etwa die EU vorschlägt, seien wertvoll. „Ich bin eine Frau. Nichts fällt uns in den Schoß“, sagt sie. „Also nehme ich, was ich kriegen kann.“

Montana Aerospace AG ist ein führender Hersteller von Systemkomp­onenten und komplexen Baugruppen für die Luftfahrt. Die Gesellscha­ft mit 32 Standorten auf vier Kontinente­n beschäftig­t

7.200 Mitarbeite­nde. Der Fokus liegt auf der Entwicklun­g und der Produktion von Technologi­en in den Zukunftsse­ktoren Aerospace, E-Mobilität und Energie.

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Pflanzen sind gut. Darauf können sich die Staaten auf der Klimakonfe­renz einigen. Dann gehen die
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[ APA/AFP/Joseph Eid] Meinungen aber schon auseinande­r.
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Fotos: bereitgest­ellt, Robin Broadbent, Montana Aeorospace · Quelle: MTC

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