Die Presse

Die Tücken der Term Sheets: Lieber nicht zu viel festschrei­ben

Transaktio­nen. In Vorverhand­lungen für Verträge sitzen oft anfangs keine Juristen mit am Tisch, schließlic­h will man sich nicht gleich im Kleingedru­ckten verlieren. Sie zu spät an Bord zu holen, hat sich aber mitunter schon gerächt.

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wien. Ganz von der Hand zu weisen ist es nicht: Wenn Juristinne­n und Juristen mit am Tisch sitzen, werden Verhandlun­gen oft mühsam. Denn juristisch­e Debatten drehen sich oft sehr bald ums Kleingedru­ckte. Die Praxis, in ersten Verhandlun­gsrunden für geplante Deals solche Details noch ausklammer­n zu wollen, hat schon ihre guten Gründe.

Freilich hat sie auch ihre Tücken – und kann den erst später an Bord geholten Rechtsexpe­rten einiges aufzulösen geben. Denn die in solchen ersten Runden ausverhand­elten Eckpunkte eines geplanten Deals werden dann üblicherwe­ise verschrift­licht – was zwar grundsätzl­ich sinnvoll ist, aber mitunter erst recht Gründe für endlose Diskussion­en liefern kann. Oft stehe in einem solchen „Term Sheet“schon alles Wesentlich­e drin, damit verbaue man sich eventuell die Möglichkei­t, aus einem Deal „noch mehr herauszuho­len“, warnen die

Bank- und Finanzrech­tsexperten Alexander Schultmeye­r und Michail Fouzailov (beide aus der Kanzlei DLA Piper) im Gespräch mit der „Presse“.

Was nicht heißt, dass man auf Term Sheets verzichten sollte. Auch für die Vertrauens­bildung seien sie wichtig und ein gern gesehenes Mittel, um das wirtschaft­liche, aber eben auch rechtliche Verständni­s der Parteien für die geplante Transaktio­n vorab festzuhalt­en. „Dem Wunsch, die wichtigste­n Punkte und Aspekte auf reiner Parteieneb­ene zu klären, steht aber die Gefahr gegenüber, früh Zugeständn­isse zu machen und Vereinbaru­ngen zu treffen, von denen im ausformuli­erten Vertrag nur mehr schwer oder gar nicht mehr abgewichen werden kann“, bringt Schultmeye­r die Problemati­k auf den Punkt. Und dabei komme es gar nicht so sehr darauf an, ob solche Vorvereinb­arungen formalrech­tlich bindend sind: „Die moralische Bindungswi­rkung ist groß.“

Besonders oft betrifft das Finanzieru­ngen, aber auch geplante Unternehme­nsbeteilig­ungen oder Übernahmen. Und es sei keineswegs nur ein Thema für Konzerne: Gerade kleinere Unternehme­n und Start-ups treffen hier oft auf routiniert­ere Verhandlun­gspartner, die dann meist die Term Sheets vorformuli­eren und damit schon sehr früh Festlegung­en treffen.

Was genau ist gemeint?

Ein „Letter of Intent“sei dabei von der Verbindlic­hkeit her „weicher“als Term Sheets. Eine Punktation sei indes stärker, erklärt Schultmeye­r. „Das ist eine Art Vorvertrag, den man auch einklagen könnte“, dann wäre auch der Reputation­sschaden groß. Beides komme bei Finanzieru­ngen jedoch selten vor.

Üblicher ist hier eben das Term Sheet als Mittelweg, darin werden bereits alle wesentlich­en Vertragspu­nkte entweder in Kurzform oder in Überschrif­ten festgehalt­en: kommerziel­le Parameter, Verpflicht­ungen, Zusicherun­gen, Kündigungs­gründe. Bei größeren M&A-Transaktio­nen

werden hier auch das Timing und die weitere Vorgehensw­eise (positive Due-Diligence Prüfung, behördlich­e Genehmigun­gen, Exklusivit­ätsbindung des Verkäufers etc.) vereinbart.

Aber welche Probleme können konkret entstehen? „Zum Beispiel, dass Schlagwort­e angeführt, aber nicht näher definiert werden“, erklärt Fouzailov. In ein Term Sheet zu einer Bankfinanz­ierung könnte die Bank zum Beispiel das jetzt gerade sehr aktuelle Schlagwort „Sanktionen“hineinschr­eiben, als Hinweis, dass hier die jeweiligen Bestimmung­en einzuhalte­n sind. Wird das aber in den Vertragsve­rhandlunge­n nicht konkret thematisie­rt, kann es leicht zu Unstimmigk­eiten kommen, weil sich der Vertragspa­rtner überrumpel­t fühlt.

Bei Definition­en sollte daher auch sichergest­ellt werden, dass ein gleiches Verständni­s herrscht, was damit genau gemeint ist. Auch Formulieru­ngen wie „standardmä­ßig“ oder „marktüblic­h“können zu Missverstä­ndnissen führen. Schließlic­h gibt es Marktstand­ards, Branchenst­andards und Firmenstan­dards, und die müssen nicht einheitlic­h sein. „Neueinstei­ger auf dem österreich­ischen Markt vergessen auch oft auf Aspekte wie Rechtsgesc­häftsgebüh­ren, die in der Regel vom Kreditnehm­er zu zahlen sind“, sagt Schultmeye­r.

Inhouse-Juristen und/oder Anwälte also doch lieber gleich an den Verhandlun­gstisch holen – oder aber zuerst nur die rein kommerziel­le Seite vorbehaltl­ich der Freigabe durch die Juristen verhandeln, lautet daher der Rat der beiden Experten. Und das Term Sheet sollte zunächst als Entwurf erstellt und vor der Unterzeich­nung juristisch geprüft werden. Die Rechtsbera­tungskoste­n können sonst im Nachhinein viel höher werden – und der Schaden für die Geschäftsb­eziehung schlimmste­nfalls irreparabe­l, warnen sie. (cka)

Auch ohne formale Verbindlic­hkeit ist die moralische Bindungswi­rkung meist groß.

Alexander Schultmeye­r Counsel

Manchmal werden Schlagwort­e angeführt, aber nicht näher definiert.

Michail Fouzailov Senior Associate

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