Wende bei Siemens Energy dauert noch
Auch im laufenden Geschäftsjahr erwartet die ehemalige Siemens-Tochter rote Zahlen. Erst 2024 soll es einen Gewinn geben.
München. Die Aktionäre von Siemens Energy müssen auf die Wende bei dem EnergietechnikKonzern noch warten. Im laufenden Geschäftsjahr 2022/23 (per Ende September) rechnet die ehemalige Siemens-Tochter zum dritten Mal in Folge mit roten Zahlen, wenn auch einem deutlich geringeren Verlust als den 647 Millionen Euro im abgelaufenen Geschäftsjahr. Erst 2024 erwartet Vorstandschef Christian Bruch wieder einen Nettogewinn, 2025 soll auch das Sorgenkind, die spanische Windkraft-Tochter Siemens Gamesa, profitabel sein. „Ich will Schritt für Schritt Fortschritte sehen“, sagte Bruch am Mittwoch auf der Bilanzpressekonferenz in München.
Mut macht Bruch ein auf das Rekordniveau von 97 Milliarden Euro angeschwollener Auftragsbestand. Allein von Oktober 2021 bis September 2022 kamen neue Aufträge für 38,3 Milliarden Euro herein, zwölf Prozent mehr als im Jahr davor. „Ich sehe uns fantastisch positioniert für die Energiewende“, sagte Bruch. Die Abarbeitung der Auftragsflut werde die Mitarbeiterzahl steigen lassen. Im nächsten Jahr müssten die Entscheidungen fallen, um die Erderwärmung zu begrenzen. „Wir kommen vom Reden zu wenig schnell ins Handeln“, sagte Bruch an die Politik gerichtet.
Bruch schürte bei der Bilanzpräsentation auch Spekulationen, dass sich der verkaufswillige ehemalige Mutterkonzern Siemens von seinem Aktienpaket von 35 Prozent mit einem Direktverkauf trennen könnte: „Dass wir gern einen anderen Ankeraktionär hätten, ist logisch.“Interessenten gebe es „ausreichend“, es hänge nur davon ab, zu welchem Kurs Siemens verkaufen wolle. Siemens hatte wegen des Kurssturzes im Sommer 2,8 Milliarden Euro auf die Beteiligung abgeschrieben, zögert aber mit dem geplanten Verkauf über die Börse, um keine weiteren Verluste hinnehmen zu müssen. „Wie jeder Aktionär ist der Großaktionär unzufrieden“, sagte Bruch. Ob es für das laufende Jahr wieder eine Dividende geben werde, ließ der Vorstandschef offen.
„Ein perfekter Sturm“
Vor allem Siemens Gamesa – eigentlich ein Hoffnungsträger für die Energiewende – hat Siemens Energy im Geschäftsjahr tief in die Verlustzone gerissen. Die Spanier meldeten ein Minus von 940 Millionen Euro. „Das war ein Jahr wie ein perfekter Sturm“, resümierte Bruch. Brüchige Lieferketten, explodierende Preise für Rohmaterialien für die Windturbinen und der Rückzug aus Russland infolge des Einmarschs in die Ukraine summierten sich. Er sei die Probleme bei Siemens Gamesa nicht konsequent genug angegangen, räumte Bruch ein. Viele Probleme seien hausgemacht. In den Büchern des Windturbinen-Bauers stünden verlustträchtige Aufträge für zwei Milliarden Euro.
Unter dem neuen Chef Jochen Eickholt, einem ausgewiesenen Sanierer, zeige Siemens Gamesa Licht und Schatten, sei aber auf dem richtigen Weg. Die vier Milliarden Euro teure Übernahme der restlichen Anteile an der Windtochter soll künftig für weniger Reibungen sorgen. Bisher hält Siemens Energy nur 67 Prozent. Bis zu 1,5 Milliarden Euro Eigenkapital muss der Konzern dafür noch einsammeln, um die Ratingagenturen zufriedenzustellen.
Im laufenden Geschäftsjahr soll Siemens Energy wieder auf Wachstumskurs gehen, nachdem der Umsatz unter anderem wegen des Wegfalls des RusslandGeschäfts zuletzt um 2,5 Prozent auf 29 Milliarden Euro schrumpfte. 2022/23 soll er auf vergleichbarer Basis um drei bis sieben Prozent zulegen. (Reuters)