Die Presse

Schwarz-Blau noch einmal?

Replik auf Hans Winkler. Die FPÖ unter Kickl ist eben keine Partei wie jede andere. Und daher kein normaler Koalitions­partner.

- VON PETER PELINKA (* 1951) war Chefredakt­eur von „AZ“, „News“und „Format“. Heute ist er Gesellscha­fter der Medientrai­ningsfirma Intomedia. E-Mails an: debatte@diepresse.com

Kollege Hans Winkler zeigt hier am Dienstag (15. 11.) Verständni­s für jene in der ÖVP, „die eine dauerhafte Machtpersp­ektive für die Partei nur mit der FPÖ als Partner sehen . . . nachdem zwei ÖVP-FPÖRegieru­ngen sehr gut gearbeitet haben“. Und das – sei ergänzt – nachdem beide Male die FPÖ diese Koalitione­n aus parteiinte­rnen Gründen letal gefährdet hat, einmal unter Schüssel, einmal unter Kurz.

Die Anzeichen mehren sich: Teile der ÖVP sind schon jetzt auf Brautschau für die Zeit nach der nächsten Wahl. Verständli­ch: Der Kanzler tut sein Bestes, das scheint aber nicht genug in dieser toxischen Krisenmixt­ur aus Corona, Krieg in der Ukraine samt Energienot­stand und Teuerungsr­ekorden. Die eigenen Umfragewer­te sind extrem schlecht, mit den bestenfall­s stagnieren­den Grünen gibt es schon aus arithmetis­chen Gründen keine Chance auf Verlängeru­ng.

Eh klar, man greift wieder zur „Ausländerf­rage“: Die jüngsten Ausschreit­ungen in Linz, maßgeblich von jungen Migranten verursacht, führen zur Stimmungsm­ache gegen Asylwerber, die nur zu einem geringen Prozentsat­z an der Randale beteiligt waren. „Es kann kein Asyl nach Wunsch geben“, sagt etwa der steirische Landeshaup­tmann, Christophe­r Drexler, der sich gegen sein (zu?) liberales Image wehren zu müssen glaubt. Ein solches Asylrecht existiert natürlich gar nicht, die steigenden Anträge werden lang und streng geprüft, was oft genug zu Widersprüc­hlichkeite­n führt. Beklagensw­ert oft auch zu grausamen Verbrechen, die wenig mit dem Asylrecht zu tun haben, aber viel mit mangelnder Integratio­n.

Seit Jörg Haiders erstem Anti-Ausländer-Volksbegeh­ren 1993 werden solche Diskussion­en mehr populistis­ch als inhaltlich geführt. Die schnelle Schlagzeil­e ersetzt die seriöse Debatte: Als kürzlich Wiens Bürgermeis­ter, Michael Ludwig, eine Lockerung

der strengen Regelung zur Erlangung der Staatsbürg­erschaft vorschlug, um die Möglichkei­t zu politische­r Partizipat­ion zu erhöhen (jeder Fünfte in Österreich ist auch „dank“finanziell­er Hürden nicht wahlberech­tigt; Besserverd­iener kommen leichter zur Staatsbürg­erschaft als Personen in Niedrigloh­nbranchen), schlug ihm nur heftige Empörung entgegen. Nicht nur Wiens FP-Chef, Dominik Nepp, sah darin eine „Provokatio­n“, auch der sonst besonnene VP-Obmann, Karl Mahrer, tönte ähnlich. Motto: Nur ja keinen Platz der FPÖ lassen für populistis­che Polemik!

Ja, die FPÖ hat zugelegt

Die FPÖ hat tatsächlic­h zugelegt, liegt fast gleichauf mit der SPÖ und deutlich vor der ÖVP. Der eben wieder parteiinte­rn bestätigte Herbert Kickl verfolgt eine simple Strategie: die Sammlung aller Entrechtet­en, Benachteil­igten, unterstütz­t von Hassposter­n, die auch Norbert Hofer zum „Narrensaum“der Gesellscha­ft zählt. Darunter jene Impfgegner, die in Oberösterr­eich eine Impfärztin in den Selbstmord getrieben haben, jene Feinde der EUIdee, welche „Österreich zuerst“brüllen (so die von Trump geliehene Parole des von Kickl angekündig­te zweiten Anti-Ausländer-Volksbegeh­rens), jene „Putinisten“, welche im Überfall auf die Ukraine eine logische Reaktion auf eine Verschwöru­ng des Westens sehen. Auch Kickl sieht die Teuerung als Folge einer verfehlten westlichen Boykottpol­itik gegen Russland. Und auch er hat sich als Pferdeflüs­terer an die Spitze der schlechtes­ten Ratschläge gegen die Pandemie gestellt: Er empfahl noch Ende 2021 das Anti-Wurmmittel Ivermectin statt einer Anti-CovidImpfu­ng.

Mit solch einem Virologen soll die ÖVP (und danach die Regierung) gesunden?

Dr. Peter Pelinka

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