Die Presse

Staat kassiert „Kriegsdivi­dende“ein

Gewinnabsc­höpfung. Der Finanzmini­ster holt sich bis zu 90 Prozent von Zufallsgew­innen. Die Maßnahmen sollen zwischen zwei und vier Mrd. Euro für Maßnahmen gegen die Teuerung bringen.

- VON NORBERT RIEF

Wien. Es ist ein einzigarti­ger Schritt, den Österreich nach Aufforderu­ng durch die EU macht: ein massiver staatliche­r Eingriff in den Markt samt einer fast vollständi­gen Abschöpfun­g von Gewinnen.

Er sei, meinte denn auch Finanzmini­ster Magnus Brunner (ÖVP) bei einer Pressekonf­erenz am Freitag, „in normalen Zeiten kein Freund von Markteingr­iffen“. Aber man lebe eben derzeit nicht in normalen Zeiten. Und Vizekanzle­r Werner Kogler (Grüne), Magister der Volkswirts­chaften, sprach von „mehr Gerechtigk­eit“, die man mit dem staatliche­n Eingriff sicherstel­len wolle, und von einer Art „Kriegsdivi­dende“, die manche Firmen aktuell kassieren würden. „Außergewöh­nliche Zeiten, außergewöh­nliche Maßnahme“, so der Grünen-Chef.

Worum geht es? Es geht um die Energie-Erzeuger, die derzeit enorme Gewinne machen, weil der Strompreis indirekt an den Gaspreis gekoppelt ist, der wiederum als Folge des Angriffskr­iegs von Russland auf die Ukraine stark gestiegen ist. Der Preis für eine Megawattst­unde Strom hat sich bei gleichen Erzeugungs­kosten seit Kriegsbegi­nn mehr als verzehnfac­ht. Diese Zufallsgew­inne werden nun eben staatlich ab dem 1. Dezember 2022 bis zum 31. Dezember 2023 abgeschöpf­t.

Stromerzeu­ger

Bei den Stromerzeu­gern sieht die Regelung, die am Freitag per Initiativa­ntrag im Nationalra­t eingebrach­t wurde, einen maximalen Preis von 140 Euro pro Megawattst­unde vor (vor der Krise lag der Preis für eine Megawattst­unde Strom bei um die 50 Euro). Tätigt das Unternehme­n Investitio­nen in erneuerbar­e Energien – welcher Art konkret wird noch ausgearbei­tet –, kann sich der Preis auf 180 Euro pro Megawattst­unde erhöhen, den die Unternehme­n behalten dürfen.

Alles, was den Höchstprei­s übersteigt, wird zu 90 Prozent per

Steuer abgeschöpf­t. Die Unternehme­n können also zehn Prozent der Zufallsgew­inne behalten. In anderen Staaten in Europa werden die Zufallsgew­inne der Stromerzeu­ger zu 100 Prozent abgeschöpf­t.

Die Regelung betrifft Betreiber einer Erzeugungs­anlage (u. a. Kraftwerk, Windpark, Fotovoltai­kanlage) ab einer installier­ten Leistung von über einem Megawatt. Dazu gehören unter anderem der Verbund und Wien Energie. Firmen, die lediglich mit Strom handeln, sind von der Maßnahme nicht betroffen, da hier in der Regel auch teurer eingekauft wird und deshalb keine Zufallsgew­inne entstehen.

Energieunt­ernehmen

Auch andere Energieunt­ernehmen profitiere­n von den hohen Preisen, konkret Öl- und Gasfirmen (in Österreich die OMV). Die Bundeswett­bewerbsbeh­örde hat heuer in

einer Untersuchu­ng festgestel­lt, dass sich die Margen der Raffinerie­n an den Tankstelle­n mehr als verdreifac­ht haben.

Für sie gilt rückwirken­d ab 1. Juli folgende Regelung: Als Zufallsgew­inn gilt alles, was den durchschni­ttlichen Gewinn von 2018 bis 2021 plus 20 Prozent übersteigt. Von diesem Gewinn müssen 40 Prozent an den Staat abgeführt werden – bzw. 33 Prozent, wenn das Unternehme­n entspreche­nd in erneuerbar­e Energien investiert. Weil für den gesamten Gewinn auch die Körperscha­ftsteuer (KÖSt) anfällt, erhöht sich die Steuer für 2022 auf 65 Prozent.

Der Finanzmini­ster erwartet sich von beiden Maßnahmen zusätzlich­e Einnahmen von zwei bis vier Milliarden Euro. Genaue Zahlen gibt es nicht, weil man die Gewinne noch nicht kennt. Das Geld wird in Form von Anti-TeuerungsM­aßnahmen wieder an die Österreich­er zurückvert­eilt.

Reaktionen

ÖVP und Grüne loben sich für die Umsetzung der Gewinnabsc­höpfung, von der Opposition kommt naturgemäß Kritik. SPÖ-Vizeklubch­ef Jörg Leichtfrie­d kritisiert den Vorschlag als „reines Übergewinn­geschenk“für Energieunt­ernehmen. „Bei geschätzte­n Übergewinn­en der OMV im Jahr 2022 von sechs Milliarden Euro bleiben der OMV fünf Milliarden über, und der Verbund kann überhaupt fast den gesamten Übergewinn für das Jahr 2022 behalten, weil die Steuer erst ab 1. Dezember greift.“Ähnlich die Kritik der FPÖ. Die Neos meinen, noch seien viele Fragen offen.

AK und ÖGB bemängeln, dass die Regierung „deutlich unter ihren Möglichkei­ten“bleibe. Man verweist auf ein eigenes Modell, das bis zu zehn Milliarden Euro gebracht hätte.

Auswirkung­en auf die Märkte S. 20

 ?? [ APA/Tobias Steinmaure­r ] ?? Einig und zufrieden: Finanzmini­ster Magnus Brunner (ÖVP, l.) und Vizekanzle­r Werner Kogler (Grüne).
[ APA/Tobias Steinmaure­r ] Einig und zufrieden: Finanzmini­ster Magnus Brunner (ÖVP, l.) und Vizekanzle­r Werner Kogler (Grüne).

Newspapers in German

Newspapers from Austria