Die umstrittenen Batterien der Energiewende
Pumpspeicherkraftwerke gelten als notwendig für die Energiewende. Einige Großprojekte sind geplant. Sie stehen aufgrund der Auswirkungen auf die Natur aber oft auch im Schussfeld der Kritik.
Wien. Für den Vorarlberger Landeshauptmann, Markus Wallner, ist die Sache klar: „Ohne Pumpspeicher keine Energiewende“, so Wallner am Donnerstagabend vor Journalisten in Wien. Er und die beiden Vorstände des Vorarlberger Landesversorgers Illwerke-VKW sind extra in die Bundeshauptstadt gekommen, um ein neues Großprojekt zu präsentieren: das Kraftwerk Lünerseewerk II. Mit einer Leistung von 1000 Megawatt soll dieses dereinst das größte Pumpspeicherkraftwerk Österreichs werden und die Illwerke von der „Regionalliga in die Champions League“bringen, wie es vom Firmenvorstand heißt.
Allerdings gibt es einen Faktor, der die Vorfreude trübt: So soll die Projektierung zwar bis 2024 abgeschlossen sein, mit Ausschreibung und Bau könne aber wohl erst 2029 begonnen werden. Bis das Kraftwerk in Betrieb gehen kann, werde es wohl das Jahr 2037 sein – ziemlich spät angesichts der drängenden Probleme auf dem Energiesektor.
Grund seien Genehmigungsverfahren wie die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP). Diese dauere viel zu lang, so Wallner, der gesetzliche Änderungen fordert. Es brauche einen „radikalen Ansatz“, um die Verfahren für diese wichtigen Projekte auf ein bis zwei Jahre zu verkürzen.
Pumpspeicherkraftwerke sind vereinfacht gesagt ein riesiger Akkumulator, in dem Strom gespeichert werden kann. Die Speicherung erfolgt dabei jedoch nicht in Form von chemischen Prozessen, sondern durch das Pumpen von Wasser in eine höhere Lage. Von dieser kann es bei Bedarf durch ein Fallrohr nach unten gelassen werden, wo es eine Turbine antreibt, um so wieder Strom zu erzeugen. Entwickelt wurden solche Kraftwerke einst deshalb, um in der Nacht den überschüssigen Strom aus Kohleoder Atomkraftwerken für die Spitzen des nächsten Tags zu speichern. Die Pumpspeicherkraftwerke in Westösterreich sind daher meist auch eng mit dem deutschen Stromsystem verknüpft. Aufgrund der Topografie hat Österreich hier gute Voraussetzungen. Bisher gibt es 20 Kraftwerke mit einer Leistung von 4800 Megawatt (zum Vergleich: Gaskraftwerk Mellach hat 838 Megawatt). Derzeit sind zwölf weitere Projekte mit einer Gesamtleistung von 3400 Megawatt in Bau oder Planung. Das Potenzial dürfte aber noch weit darüber liegen.
2 Welche Bedeutung haben Pumpspeicherkraftwerke für die Energiewende?
Der massive Ausbau der Stromproduktion durch Fotovoltaik und Windkraft bringt auch viel mehr Volatilität ins Netz, da die Produktion anders als etwa bei thermischen Kraftwerken nicht mehr so gut steuerbar ist. Hier braucht es Ersatzkraftwerke, die innerhalb kurzer Zeit Strom aus dem Netz nehmen oder hinzufügen können. Pumpspeicher können innerhalb weniger Sekunden zwischen Pump- und Turbinenbetrieb umschalten. Lünerseewerk II könnte beispielsweise entweder 1000 Megawatt aus dem
Netz ziehen oder 1000 Megawatt liefern – es kann also eine Bandbreite von 2000 Megawatt aussteuern. 1000 Megawatt entsprechen ungefähr der Kapazität von 280 modernen Windkraftwerken.
3 Warum gibt es trotzdem oft starke Kritik an den Projekten?
Um die notwendige Fallhöhe zu haben, müssen die Kraftwerke in hochalpinen, besonders schützenswerten Regionen realisiert werden. Bei vielen Projekten wird daher versucht, so wenig offenliegende Infrastruktur wie möglich zu produzieren. Im Fall von Lünerseewerk II soll das eigentliche Kraftwerk vollständig in einer 70 Meter hohen Kaverne im Berg verborgen sein. Ebenso der 8,5 Kilometer lange Druckstollen. „Außer einer Eingangstür im Berg sieht man nicht mehr viel“, so Wallner. Die beiden Speicherseen seien schon heute vorhanden.
Bei anderen Projekten ist dies jedoch nicht so. Beispielsweise will die Tiroler Tiwag ihr Speicherkraftwerk Kaunertal zu einem Pumpspeicherkraftwerk erweitern. Dabei sollen zwei Gebirgsbäche teilweise umgeleitet, eine 120 Meter hoher Staudamm errichtet und ein Hochmoor geflutet werden, weshalb Umweltschützer und Bürgerinitiativen seit Jahren dagegen Sturm laufen. Ein diesbezügliches Gerichtsverfahren ist nach zehn Jahren erst diese Woche zugunsten der Tiwag ausgegangen.
Aber auch wenn der Einfluss des konkreten Projekts auf die Natur gering ist, bedeutet das noch keine schnellen Verfahrensdauern. So wurde etwa bei einem früheren Projekt von Kritikern verlangt, dass eine Hochspannungsleitung, die nichts mit dem Kraftwerk zu tun hatte, verkabelt wird, sagt Illwerke-Vorstand Christof Germann.
4 Wie können die Genehmigungsverfahren beschleunigt werden?
Ein Bekenntnis zur Notwendigkeit von Pumpspeicherkraftwerken kommt auch aus dem für das UVP-Gesetz zuständigen Klimaschutzministerium. Diese Kraftwerke „erfüllen für die Energiewende eine wichtige Funktion und tragen zudem auch zur Stabilität des Stromsystems bei. Ob ein einzelnes Projekt umweltverträglich ist, wird im jeweiligen Verfahren im Einzelfall geprüft“, heißt es dazu auf Anfrage.
Jedenfalls sollen solche Projekte durch die derzeit in Arbeit befindliche Gesetzesnovelle „ein überwiegendes öffentliches Interesse“erhalten. Dies würde bedeuten, dass sie im Verfahren höher bewertet würden. Allerdings weist man im BMK auch darauf hin, dass die UVP nur eines von mehreren Genehmigungsverfahren sei. Die anderen seien Sache der Gemeinden und Länder.