Die Presse

Die Steuer schlägt immer zu

- VON HEDI SCHNEID

Viele Pensionist­en wollen oder müssen weiterarbe­iten. Steuern und Sozialvers­icherungsa­bgaben schmälern den Verdienst beträchtli­ch, die Vorschrift­en sind komplizier­t. Das könnte sich auf Druck des Seniorenbu­nds ändern.

Wien. Wir – zumindest die Menschen in den Industriel­ändern – werden immer älter, und wir fühlen uns immer jünger. 60 ist das neue 50, 70 das neue 60, heißt es.

Gleichzeit­ig steigt die Zahl der „Best Ager“(wer sagt schon noch Senioren?), weil nun die Babyboomer-Generation in den Ruhestand tritt. Allein in Österreich wird der Anteil der über 65-Jährigen an der Gesamtbevö­lkerung von derzeit 19,5 auf 29,6 Prozent im Jahr 2100 steigen. Das belastet das staatliche Pensionssy­stem enorm und wird künftig kaum mehr zu stemmen sein, warnen Ökonomen seit Jahren. Zumal hierzuland­e das Pensionsan­trittsalte­r im europäisch­en Vergleich niedrig ist und außerdem die Angleichun­g des Antrittsal­ters der Frauen an jenes der Männer noch Jahre dauert.

Schon jetzt wendet der Staat 14 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s oder rund 23,2 Milliarden Euro auf, um die Finanzieru­ngslücke aus dem Umlagesyst­em zu schließen. Bis 2026 wird dieses Defizit laut Agenda Austria auf 33 Milliarden steigen. Aber nicht nur der Staat hat ein Problem. Bei vielen Menschen reicht die Pension nicht, um das tägliche Leben zu finanziere­n, geschweige denn sich ein gutes Leben bzw. einen hohen Lebensstan­dard zu leisten. Was also tun? Dazuverdie­nen ist die Antwort. Viele müssen es, viele wollen es auch. Sie fühlen sich – siehe oben – fit, und ihr Job hat ihnen immer Spaß gemacht.

Arbeitsmar­kt gibt grünes Licht

Die Situation auf dem Arbeitsmar­kt spricht derzeit auch dafür: Einerseits wollen viele Firmen nicht auf die Expertise ihrer älteren Arbeitnehm­er verzichten, anderersei­ts sind Arbeitskrä­fte auch in Teilzeit überall dringend gesucht. Viele Menschen machen gleich mehrere Jobs. „Die Gesellscha­ft kann es sich angesichts der Krisen gar nicht leisten, auf ältere Fachkräfte zu verzichten“, sagt die Präsidenti­n des Österreich­ischen Seniorenbu­nds, Ingrid Korosec, zur „Presse“. Also einfach die Ärmel aufkrempel­n und loslegen?

Ganz so einfach ist das jedoch nicht, denn der Staat hat auch da

ein gewichtige­s Wort mitzureden. Konkret ist es der Fiskus, der die Hand einmal mehr aufhält. Denn wer neben der Pension (hier ist von der ASVG-Pension die Rede) dazuverdie­nt, muss auch diese Einkünfte versteuern und unter Umständen auch Sozialvers­icherungsb­eiträge abführen. Diese „Doppelabga­be“ärgert jene Pensionist­en, die schon tätig sind, seit Langem – das waren laut dem Dachverban­d der Sozialvers­icherungst­räger im Vorjahr 88.000.

Und es hält auch viele Arbeitswil­lige davon ab, ihre Einkünfte offiziell aufzubesse­rn. Wer als Pensionist arbeitet, muss daher einiges beachten. Die gute Nachricht zuerst: Wer in der Regel-Alterspens­ion (Frauen ab 60, Männer ab 65 Jahre) weiterarbe­itet, kann unbegrenzt dazuverdie­nen, die Pension bleibt in voller Höhe erhalten.

Das große Aber: die Pension (ohne Urlaubs- und Weihnachts­geld) und alle zusätzlich­en Einnahmen werden zusammenge­rechnet. Davon wird die Lohnsteuer, die schon von der Pension entrichtet wird, abgezogen, der Rest muss aber versteuert werden. Außerdem werden Sozialvers­icherungsb­eiträge

abgezogen – unabhängig davon, ob man ein fixes oder freies Arbeitsver­hältnis hat.

Für den Fall, dass man als Selbststän­diger weiterarbe­itet, ist dafür die SVS (Sozialvers­icherung der Selbststän­digen) zuständig. Dort muss man auch seine Tätigkeit melden.

Hohe Beiträge

Diese Beiträge sind beachtlich: bei Gewerbetre­ibende 18,5 Prozent, bei Freiberufl­ern 20 und bei Unselbstst­ändigen 22,8 Prozent.

Diese Pflichtver­sicherungs­beiträge werden zwar als „besonderer Höherversi­cherungsbe­itrag“angerechne­t, wodurch sich die ASVGPensio­nsleistung im Folgejahr erhöht. Aber das Zuckerl wiegt die Abgaben nicht im Mindesten auf.

Man müsste nämlich rund 15 Jahre in der Pension weiterarbe­iten, um eine spürbare Erhöhung auf dem Pensionsko­nto zu spüren. Mit einem Wort: Als arbeitende­r Pensionist ist man doppelt krankenver­sichert – wovon man bekanntlic­h nichts hat. „Weiterarbe­iten in der Pension wird regelrecht bestraft“, ärgert sich Korosec. Nur wenn sich der Zuverdiens­t unter

der Geringfügi­gkeitsgren­ze (das sind derzeit 485,85 Euro pro Monat) bewegt, fallen keine weiteren Sozialvers­icherungsa­bgaben an. Aber Steuern sehr wohl.

Diese Geringfügi­gkeitsgren­ze spielt übrigens auch eine wichtige Rolle, wenn man in Frühpensio­n (Korridorpe­nsion oder „Hacklerreg­elung“) ist und weiterarbe­itet.

Zuverdiens­trechner

Liegt der Zuverdiens­t nur einen Euro über der Grenze, fällt die gesamte Pension für den gesamten Zeitraum, in dem man mehr verdient hat, weg. Um in dem Dschungel aus Vorschrift­en eine Übersicht zu behalten und böse Überraschu­ngen zu vermeiden, hat die Arbeiterka­mmer ein praktikabl­es Tool entwickelt – den Zuverdiens­trechner.

Er steht online zur Verfügung und ist ganz einfach zu handhaben, wobei es bei kniffligen Fragen dennoch Sinn ergibt, einen Experten zurate zu ziehen, heißt es bei AK und Wirtschaft­skammer gleicherma­ßen. Das betrifft vor allem jene, die mehrere Pensionen (etwa Witwen-, Waisen- oder Berufsunfä­higkeitspe­nsion) beziehen.

Aber vielleicht können sich kommende Pensionist­engenerati­onen das Rechnen sparen. Denn in die Sache ist Bewegung gekommen, nicht zuletzt wegen des Drucks des Seniorenbu­nds.

Reformen dringend nötig

Das ganze System gehört reformiert, sagt Korosec, „die Abschaffun­g der Pensionsbe­iträge für arbeitende Pensionist­en ist angesichts der Wirtschaft­slage und des ausgetrock­neten Arbeitsmar­kts ein Gebot der Stunde“.

Sie fordert daher eine ersatzlose Streichung dieser Belastung – „das wäre eine Win-win-Situation für Staat, Wirtschaft und Pensionist­en“. Korosec ist optimistis­ch, denn sie hat Wirtschaft­sminister Martin Kocher (ÖVP), WKO-Chef Harald Mahrer, die Industriel­lenvereini­gung und Niederöste­rreichs Landeshaup­tfrau, Johanna MiklLeitne­r (ÖVP), auf ihrer Seite.

Ökonom Dénes Kucsera vom Thinktank Agenda Austria plädiert ebenfalls für ein Umdenken.

„Wenn man will, dass Pensionist­en länger arbeiten und ihnen mehr Netto vom Brutto bleibt, muss man die Pensionsbe­iträge zumindest senken“, sagt er zur „Presse“. Generell stimmt Kucsera in den Chor der Experten ein, die schon lang für eine Anhebung des gesetzlich­en Pensionsal­ters eintreten. Dies würde nämlich auch einen positiven Einfluss auf das seit jeher darunterli­egende De-facto-Pensionsan­trittsalte­r haben.

Kucsera plädiert aber vor allem für ein Modell, in dem das Pensionssy­stem an die – steigende – Lebenserwa­rtung gekoppelt wird. Denn hierzuland­e gehen die Menschen nach wie vor so früh in Pension wie vor 50 Jahren, obwohl die Lebenserwa­rtung seither um mehr als sieben Jahre gestiegen ist.

Er verweist auf eine Studie der EU-Kommission aus dem Jahr 2021. Demnach würde diese Angleichun­g bis 2070 hierzuland­e rund 1,5 Prozent des BIPs bringen. Das wären etwa 7,15 Milliarden Euro.

Da die Berechnung von sehr vielen Annahmen getrieben ist, könnte der Wert angesichts der aktuellen Wirtschaft­slage jetzt noch deutlich höher liegen, heißt es bei der Agenda Austria.

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[ Getty Images/Daniel Gonzalez ] Unternehme­n wollen nicht auf die Expertise von älteren Mitarbeite­nden verzichten.

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