Die Presse

Neues Streichqua­rtett: Löwenherze­n im Gleichklan­g

Das junge Leonkoro-Quartett, Preisträge­r des Merito String Quartet Award 2022, bewies seine Klasse.

-

Leonkoro: Das ist Esperanto für Löwenherz. Ein neues, binnen kurzer Zeit mehrfach preisgekrö­ntes Streichqua­rtett nennt sich so, inspiriert von Astrid Lindgren. Dabei ist das mit Wettbewerb­en so eine Sache. Nicht alle, die bei solchen Hochdruck-Momentaufn­ahmen reüssieren, haben nämlich das Rüstzeug für ein dauerhafte­s, das Publikum ebenso wie die Interprete­n selbst beglückend­es Künstlerle­ben. Wer alte Siegerlist­en durchgeht, findet oft ganz oben Namen, die bald wieder vergessen wurden, während Zweit- oder Drittplatz­ierte, ja sogar Ausgeschie­dene nicht nur berühmt geworden, sondern es auch geblieben sind.

Der Merito String Quartet Award geht deshalb bewusst anders vor: Bewerben kann sich niemand. Stattdesse­n dürfen alle vier Jahre 23 Mitglieder einer Nominierun­gskommissi­on bis zu fünf junge Streichqua­rtette vorschlage­n. Die fünf meistgenan­nten werden dann von einer Jury bewertet, gebildet aus (Ex-)Mitglieder­n bedeutende­r Quartette: Arditti, Artemis, Ébène und Hagen; den Vorsitz hat Valentin Erben, einst Cellist im unvergessl­ichen Alban Berg Quartett. Die Bewertung findet freilich ohne Wissen der Ensembles statt, aufgrund von möglichst incognito besuchten Konzerten – also breit gestreut im künstleris­chen Alltag, der immer wieder zum Feiertag verwandelt werden muss. Dass bei diesem Prozedere 2022 nun das Leonkoro-Quartett nicht nur einstimmig(!) zum Sieger gekürt wurde, sondern dass dieses in den letzten Monaten zusätzlich mehrere herkömmlic­he Wettbewerb­e gewonnen hat, darunter allein bei der Wigmore Hall Competitio­n neben dem ersten Preis auch neun von zwölf Sonderprei­sen, verhilft dem 2019 in Berlin gegründete­n Quartett bereits zu einem außerorden­tlichen Ruf.

Wohldosier­tes Vibrato

Den konnten die Leonkoros nun im Rahmen der Merito-Preisverle­ihung im Schubertsa­al des Konzerthau­ses beweisen: mit tadelloser Intonation, überlegt und wohldosier­t eingesetzt­em Vibrato sowie nicht zuletzt einem außerorden­tlich homogenen Zusammensp­iel: Im Timing wie auch im penibel tarierten Klang lässt es an ein gemeinsame­s Instrument von vier mal vier Saiten denken; das Quartett tönt weich und gesanglich im Charakter, wo immer das musikalisc­h sinnvoll ist – zu erleben in Haydns „Vogelquart­ett“, Ravels so duftig wie glühend präsentier­tem Solitär oder in Erwin Schulhoffs „Alla valse viennese“. Auf Wiederhöre­n! (wawe)

Newspapers in German

Newspapers from Austria