Orb´an lässt Ungarn immer mehr in Richtung Autokratie kippen
Der Regierung Viktor Orb´ans droht der Verlust von 13,3 Milliarden Euro Subventionen. Sie setzt nun die Nachrichtendienste gegen die Opposition ein.
Die parlamentarische Kontrolle der ungarischen Regierung besteht nur mehr auf dem Papier, jene durch die Gerichte ist substanziell geschwächt – doch nicht einmal der nun nach monatelangen Mutmaßungen tatsächlich drohende Verlust von rund 13,3 Milliarden Euro an Subventionen aus dem EU-Budget hält Ministerpräsident Viktor Orbán davon ab, seine Regierungsweise autokratisch zu festigen.
Bei ihrer nächstwöchigen Sitzung wird die Europäische Kommission erstens beschließen, dass der ungarische Wiederaufbauplan grundsätzlich ihren Anforderungen entspricht – Ungarn aber auf unbestimmte Zeit die ihm aus dem Corona-Wiederaufbaufonds zustehenden 5,8 Milliarden Euro an Subventionen nicht bekommt. Denn die ungarische Regierung hat bis zur Frist des 19. November eine Liste an Reformen zur Bekämpfung der hochrangigen und weit verbreiteten politischen Korruption nach Ansicht der Kommission nicht umgesetzt.
Zweitens wird die Kommission nächste Woche eine Empfehlung an die Finanzminister der Mitgliedstaaten beschließen, derzufolge 65 Prozent der gesamten EU-Kohäsionsförderungen, die Ungarn im laufenden Haushaltsrahmen der Jahre 2021 bis 2027 zustehen, vorläufig zurückzuhalten sind. Das sind rund 7,5 Milliarden Euro. Der Grund für diese Sanktion liegt im neuen Rechtsstaatsmechanismus, der seit Anfang 2021 gilt. Er soll in Fällen, in denen Missstände in der Rechtsstaatlichkeit eines EUMitglieds dazu führen oder zu führen drohen, dass Unionsbudgetmittel veruntreut oder auf sonstige Weise missbraucht werden, als Notbremse wirken. Bei der Schaffung dieses neuen EU-Gesetzes hatten Kommission, Parlament und die Mitgliedstaaten in erster Linie Ungarns Fall vor Augen. Und Ungarn ist nun auch erwartungsgemäß der erste Anwendungsfall. Auch hier bekommt Ungarn das Geld aus Brüssel erst, wenn es Reformen umsetzt, die grosso modo jenen entsprechen, die zur Freigabe der CoronaWiederaufbau-Milliarden vonnöten wären.
Fieberhafter Budapester PR-Spin
Diese beiden Entscheidungen sind zwar noch nicht formal fixiert, aber politisch de facto beschlossen, wie seit einigen Tagen aus der Führungsebene der Kommission an die Medien herausdringt. Das verärgert die ungarische Regierung, weil ihr das bisherige Narrativ zu entgleiten droht, wonach die Überweisung der bitter benötigten Milliarden nur mehr eine Formalität sei. Die Teuerung im Land ist eine der höchsten in Europa, der Forint verliert Woche für Woche an Wert, was Ausdruck des Vertrauensverlusts ausländischer Investoren in den Standort ist und zugleich den Kauf von Energieträgern und anderen Rohstoffen verteuert. Daran ändern die angeblich besonders vorteilhaften Lieferverträge für russisches Gas und Öl wenig.
In diesem Licht versucht die Regierung, der misslichen Lage einen positiven Spin zu geben. Orbáns Stabschef, Gergely Gulyás, erklärte, die Milliarden aus Brüssel würden spätestens bis 31. März fließen. „Das ist eine gute Nachricht für Ungarn und die Kommission, weil Ungarn ein loyaler, hilfreicher und guter Nutzer von EUMitteln ist und das Geld, welches von den europäischen Steuerzahlern investiert wird, gut ausgegeben wird“, erklärte der frühere EU-Kommissar, Tibor Navracsics, der nun für Orbán diese Angelegenheiten verhandelt.
Diese Transaktionen berühren auf ernste Weise die Souveränität Ungarns. Zolta´n Kova´cs, Regierungssprecher
Politische Gegner kriminalisieren
Parallel zu diesen schweren Finanzproblemen setzt Orbáns Regierung ihre autokratischen Maßnahmen fort. Laut einem Bericht der Nachrichtendienste soll das Oppositionsbündnis umgerechnet 7,3 Millionen Euro an Unterstützung für den Wahlkampf im April erhalten haben. „Diese Transaktionen berühren auf ernste Weise die Souveränität Ungarns, und die gesamte ungarische Öffentlichkeit hat ein Recht, von ihnen zu erfahren“, drohte Orbáns Sprecher und Spindoktor, Zoltá n Ková cs.