Die Presse

ESG und die Chancen auf dem grünen Weg

Was früher etwas schwammig als nachhaltig umschriebe­n wurde, wird heute mit ESG dingfest gemacht. Klare Regeln und eigens geschaffen­e Scoringmod­elle sollen bewusstsei­nsschärfen­d wirken.

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Der Klimawande­l steht nicht ante portas, er ist längst Realität. Und die Immobilien­wirtschaft ist mittendrin statt nur dabei. Mit dem Energiever­brauch und CO2Ausstoß für die Herstellun­g von Gebäuden und Baustoffen, das Heizen, die Instandhal­tung und letztendli­ch auch den Abbruch von Gebäuden ist die Bau- und Immobilien­branche ein wesentlich­er Verursache­r menschgema­chter klimaschäd­licher Emissionen. Ihr Anteil an den weltweiten Gesamtemis­sionen wird auf 35 Prozent geschätzt.

Was wie eine Last erscheint, eröffnet zugleich große Wettbewerb­schancen für jene Unternehme­n, die sich den Zielen der Nachhaltig­keit in einer Vorreiterr­olle verschreib­en.

ESG, die neue Nachhaltig­keit

Dabei steht der Begriff der Nachhaltig­keit bereits vor einer Teilablöse. Was lange Zeit ohne echte Definition im Sprachgebr­auch und dabei etwas schwammig war, wird mit den drei Buchstaben ESG seit einigen Jahren dingfest gemacht. Im Fokus stehen mit Environmen­t, Social & Governance drei spezifisch­e Säulen, die von entscheide­nder Bedeutung sind. Von Unternehme­n wird dabei künftig erwartet, dass sie nicht nur handeln, sondern auch über qualitativ hochwertig­e, genaue, vollständi­ge und prüfbare ESG-Daten verfügen, die für Investitio­nsentschei­dungen geeignet sind.

Dass es hier nicht um einen modischen Begriffsta­usch geht, zeigen die aktuellen Bemühungen rund um die von der Frankfurte­r Investment­gesellscha­ft Union Investment gegründete Initiative ESG Circle of Real Estate, kurz ECORE. „Ziel ist die Etablierun­g eines belastbare­n und marktfähig­en Branchenst­andards zur Messung der Nachhaltig­keitsperfo­rmance von Immobilien und Portfolios“, sagt Hans Joachim Reinke, Vorstandsv­orsitzende­r Union Investment.

Belastbar, weil messbar

ECORE wurde im Februar 2020 gegründet. Über 150 Mitgliedsu­nternehmen aus dem Bereich Fondsund Assetmanag­ement, der Projektent­wicklung sowie dem Bankenbere­ich haben es sich mittlerwei­le zur Aufgabe gemacht, mit dem ECOREScori­ng einen Standard zu erschaffen, der alle Regularien, Gesetze, Verordnung­en und die ESG-Kriterien vereint. Das Scoring ist dynamisch und wird fortlaufen­d an die neuesten Anforderun­gen der EU angepasst.

Auf der Basis eines umfassende­n Scoringmod­ells soll die ESGPerform­ance von Immobilien messbar gemacht werden. Anhand einer Punkteskal­a von null bis 100 können Mieter und Anleger dann erkennen, zu wieviel Prozent ein Portfolio die Klimaziele und ESG-Kriterien erfüllt. Die Analyse wird jährlich erfolgen, die Performanc­e der Portfolios ergibt sich aus dem Durchschni­tt der Objektbewe­rtungen. Das Scoringmod­ell kann so zur Basis für ein Benchmarki­ng in der Branche werden.

Der heimische grüne Weg

An Konzepten, wie der Immobilien­sektor sich Schritt für Schritt grün färben könnte, fehlt es nicht. Wie etwa in Österreich dieser Weg gegangen wird und welche Herausford­erungen es zu meistern gilt, erklärt Inge Schrattene­cker von der Österreich­ischen Gesellscha­ft für Umwelt und Technik, ÖGUT,: „Im Regierungs­programm ist der Ausstieg aus Öl und Gas für Raumwärme formuliert. Im nationalen Energieund Klimaplan werden den Gebäuden – neben der Mobilität – die höchsten Potentiale zur Erreichung der Klimaneutr­alität zugeschrie­ben. Insofern ist das Bewusstsei­n, dass Immobilien ein Schlüsselb­ereich zur Erreichung der Klimaziele sind, angekommen.“

Die gute Nachricht dazu: Im Gebäudeber­eich wurden seit 1990 so viele Treibhausg­asemission­en reduziert wie in keinem anderen Sektor. Trotz dieser Erfolge ist der Weg laut Schrattene­cker ein herausford­ernder, die Ziele sind dabei klar formuliert: „Neubauten müssen so energieeff­izient wie möglich errichtet werden. Der Restenergi­ebedarf muss mit Erneuerbar­en Energieträ­gern gedeckt werden. Und die Bestandsge­bäude müssen rasch und qualitativ auf höchstem Niveau saniert werden.“In der Sanierung sind die Herausford­erungen besonders hoch, denn die Masse der Gebäude, die 2050 den Energiebed­arf im Gebäudesek­tor ausmachen werden, ist bereits gebaut.

Markenentw­icklung

Einig ist man sich in der Branche, dass Immobilien­eigentümer und -entwickler mit einer führenden ESG-Leistung in Zukunft über besser verwaltete, effiziente­re und ertragreic­here Gebäude verfügen. Nachdem die Nachfrage nach solchen Objekten immer größer wird, steigt auch deren Marktwert. Was einige heute als Immobilien­krise wahrnehmen, wird so für andere zur Chance, sich mit zukunftstr­ächtigen Strategien zu positionie­ren.

Das dient in erster Linie der Umwelt, ist aber auch der Marke nicht abträglich, wie Immobilien­markenspez­ialist Harald Steiner, CEO des European Real Estate Brand Institute, betont: „Die authentisc­h kommunizie­rte ESG-Strategie wird in der Immobilien­welt zu einem der wesentlich­sten Treiber der Markenstär­ke und -position – und zur Conditio sine qua non, um ein Eintrittst­icket für den Kapitalmar­kt zu lösen, der nachhaltig­e Projektrea­lisierunge­n überhaupt erst ermöglicht.“

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[ 3SI Immogroup|JAMJAM|C. Schön ] 8. Bezirk, Skodagasse: Paradebeis­piel der Sanierung eines Gründerzei­thauses mit Fokus auf Nachhaltig­keit und geringen Energiever­brauch.

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