Astronautin: „Mein Kindheitstraum!“
Die 34-jährige Medizinerin Carmen Possnig wird ESA-Reserve-Astronautin. Ihre Chancen, als erste Österreicherin ins All zu fliegen, sieht die Kärntnerin optimistisch.
Was war Ihre erste Reaktion, als Sie erfahren haben, dass Sie sich unter 22.500 Bewerbern durchgesetzt haben und Ersatz-Astronautin der Europäischen Weltraumorganisation ESA werden?
Carmen Possnig: Natürlich war ich zuerst einmal ziemlich aufgeregt und konnte es kaum glauben. Es war ein sehr langer Prozess von eineinhalb Jahren, in denen man immer wieder mit Anspannung darauf warten musste, ob man den nächsten Schritt geschafft hat oder nicht. Es gab sechs verschiedene Schritte, die es zu überwinden galt, mit monatelanger Wartezeit dazwischen. Ich war sehr erleichtert, als der Anruf kam, dass ich es geschafft habe.
Wie kann man sich diesen Bewerbungsprozess vorstellen? Was war dabei die größte Herausforderung?
Es waren sechs Schritte, jeder zu einem anderen Thema. Angefangen mit einem kognitiven Test, psychologischen Test, medizinischen Test, ob man auch wirklich gesund und geeignet für einen Weltraumflug ist, bis hin zu sehr persönlichen Interviews. Das Schwierigste dabei war, dass man unterwegs so viele verschiedene andere Bewerber trifft. Die waren quer durch die Bank freundliche und intelligente Leute. Zu sehen, wie die rausfliegen, war schon hart. Teilweise ist natürlich Glück dabei.
Warum haben Sie sich als Astronautin beworben?
Es ist mein Kindheitstraum. Ich war immer schon extrem fasziniert von den Erzählungen alter Entdeckungsreisen etwa von Livingstone, Humboldt oder Shackleton, die Entdeckungsreisen mit Wissenschaft verbunden haben. Einerseits reisten sie ins Unbekannte, aber andererseits brachten sie auch etwas zurück und vermehrten dadurch das Wissen. Heutzutage ist der Weltraum das ideale Ziel, um genau das zu tun.
Sie sind ja eigentlich Ärztin. Wie sind Sie zur Weltraumforschung gekommen?
Ich habe schon während des Studiums Forschung in Richtung Weltraummedizin und dann die Allgemeinmediziner-Ausbildung gemacht. Währenddessen habe ich gemerkt, dass etwas fehlt, und das war eben der wissenschaftliche Anteil. Nach der Ausbildung wollte ich Wissenschaft, Abenteuer und Medizin verbinden. Ich war dann ein Jahr in der Antarktis für die ESA, um dort zu erforschen, wie sich der Mensch in solchen extremen Umgebungen verhält und verändert. Das hat mir so gut gefallen, dass ich mich danach ganz auf die Forschung fokussiert habe. Im Moment mache ich ein Doktoratsstudium in Innsbruck, das sich auch mit Weltraumphysiologie beschäftigt.
Weil Sie gerade die Antarktis erwähnt haben: Was war die schwierigste Erfahrung, die Sie gemacht haben, und was konnten Sie dort für Ihr weiteres Leben mitnehmen?
Ich war ein Jahr dort und davon neun Monate komplett isoliert von der Außenwelt mit zwölf anderen Menschen. Das Schwierigste war tatsächlich, dass wir den Zusammenhalt vom Team aufrechterhalten und darauf achten, dass es allen gut geht, weil dann geht es auch dem Team gut. Dabei habe ich sehr viel über Konfliktmanagement gelernt. Das war sicher eine große Herausforderung, aber man lernt sich selbst dadurch sehr gut kennen, und das hat mir bei dem Auswahlverfahren, glaube ich, schon geholfen.
Und wie realistisch schätzen Sie Ihre Chancen ein, tatsächlich als erste Österreicherin ins All zu fliegen?
Es gibt fünf Karriere-Astronauten, die natürlich zuerst fliegen werden. Aber nachdem der Weltraum sehr viel wächst und im Moment ganz viel passiert, glaube ich, stehen die Chancen für mich gar nicht schlecht. Ich bin da ziemlich optimistisch. Und es wäre natürlich auch eine große Chance für Österreich, sich technologisch und wissenschaftlich einzubringen und davon viel mitzunehmen.
Und was passiert, wenn der große Traum, ins All zu fliegen, nicht in Erfüllung geht? Fallen Sie dann in ein Schwarzes Loch?
Also jetzt im Moment bin ich mal sehr optimistisch und sehe keine Schwarzen Löcher (lacht). Ich werde auf jeden Fall mein Bestes geben und meinen Teil zur Weltraumforschung und zur ESA beitragen. Wenn wir irgendwann einen Europäer auf dem Mond sehen können, ich dazu etwas beitragen kann und ein Teil davon bin, dann bin ich schon einmal sehr glücklich damit.
Von welchem Zeithorizont bis zum Abflug sprechen wir?
Das ist noch nicht festgelegt und wird noch geplant, aber es gibt kein Ablaufdatum für meine Nominierung.
Und wie bereiten Sie sich jetzt bis zu einem möglichen Flug vor?
Weiterhin in meinem Doktoratsstudium mein Bestes geben und die ESA bestmöglich mit meinen Fähigkeiten unterstützen. Und natürlich gesund und fit bleiben. Denn es ist wichtig, dass man bei einem Weltraumflug gesund ist, weil sich der Körper im Weltraum verändert und die Schwerelosigkeit schon ein großer Stressfaktor für ihn ist. Aber grundsätzlich muss man kein Athlet dafür sein. Es reicht völlig aus, wenn man gesund lebt, Sport betreibt, etwa ins Fitnessstudio geht, um zu trainieren, läuft oder schwimmt. Und viel Bewegung macht.