Wenn ein Skandal-Schiri pfeift
Janny Sikazwe aus Sambia lag bei Belgien gegen Kanada teils eklatant falsch. Was davon hätte der VAR retten dürfen bzw. müssen?
Der Weltverband hätte es eigentlich besser wissen müssen. Janny Sikazwe hat schließlich schon mehrfach für Aufsehen gesorgt. 2018 wurde der Schiedsrichter aus Sambia vom afrikanischen Verband wegen Vorwürfen der Spielmanipulation suspendiert – und schließlich freigesprochen. Anfang des Jahres ging seine Spielleitung beim Afrika Cup viral, als der 43-Jährige die Partie zwischen Mali und Tunesien gleich zweimal (!) zu früh abpfiff. Sikazwe machte als Erklärung später einen erlittenen Hitzschlag geltend. Warum so jemand überhaupt noch bei einer WM-Endrunde pfeifen darf, bleibt ein Fifa-Rätsel. Was das zur Folge haben kann, wurde bei Belgiens glücklichem 1:0-Sieg über Kanada deutlich.
Gleich zwei Elfmeter enthielt Sikazwe den Kanadiern vor, Video-Schiedsrichter Juan Soto aus Venezuela und seine Assistenten machten ebenfalls keine gute Figur. Drei Minuten, nachdem Alphonso Davies den mit VAR-Intervention noch korrekt geahndeten Hand-Elfmeter vergeben hatte (11.), gingen die Wogen erstmals hoch. Jan Vertonghen foulte Tajon Buchanan im Strafraum, Sikazwe entschied auf Abseits. Die falscheste aller Entscheidungen. Denn der Pass kam von Eden Hazard, also einem Belgier, womit es keine Abseitsstellung geben kann. Ob der VAR hätte eingreifen dürfen oder müssen, wurde in der Fachszene diskutiert. Abseitsstellungen sind abgesehen von der Torüberprüfung Tatsachenentscheidungen des Schiedsrichters und fallen damit (ähnlich wie ein falsch gegebener Eckball) grundsätzlich nicht in den VAR-Tätigkeitsbereich. Allerdings passierte das Foul bevor Sikazwe abgepfiffen hatte, insofern gab es Meinungen, dass seine Kollegen vor den TV-Schirmen hätten einschreiten sollen. Vielleicht taten sie das auch, blieben aber ungehört. Vertonghen jedenfalls streifte zwar erst den Ball, traf dann aber mit offener Sohle Buchanan.
Im Lichte des bislang niedrigschwelligen VAR-Einschreitens in Elfmeter-Situationen bei dieser Endrunde irritierte auch das Vorgehen in der 38. Minute: Axel Witsel lief von hinten Richie Laryea in die Beine – wieder reklamierten die Kanadier erfolglos.
Kanadier hadern öffentlich nicht
Während TV-Experten und viele Fußballfans in den sozialen Medien Sikazwe zerrissen, äußerte sich Kanadas Nationaltrainer nach der bitteren Niederlage nicht zu den strittigen Entscheidungen. John Herdman lobte vielmehr das mutige Auftreten seiner Mannschaft, der trotz 21 Torschüssen beim zweiten WM-Auftritt nach 36 Jahren der erste Treffer verwehrt blieb. „Ich bin stolz auf unsere Vorstellung. Sie haben gezeigt, dass wir hierher gehören“, so der 47-Jährige. BayernStar Davis, der mit seinem ersten Penalty für das Nationalteam gescheitert war, machte Herdman keinen Vorwurf. „Wenn du einen 85-Millionen-Mann hast, dann lässt du ihn den Ball nehmen. Es war ein großer Moment, er hatte die Last einer ganzen Nation auf den Schultern.“(swi)