Warum das Stromnetz gestärkt werden muss
Experten betonen, dass ohne massive Investitionen in den Ausbau der heimischen Stromnetze die Abkehr von fossilen Energieträgern nicht zu schaffen ist. Gefordert wird ein umweltschonender Netzausbau.
Das Energiedilemma ist allgegenwärtig. Zu viel wird verbraucht, zu klimaschädlich sind die Folgen, zu hoch sind die Kosten des Konsums für die Industrie und die Haushalte. Dass sich etwas grundlegend ändern muss, ist klar. Energiewende lautet das Schlagwort, die Abkehr von fossilen Energieträgern ist das Mittel der Wahl, das das Land zumindest kurzfristig teuer zu stehen kommt. Jährliche Investitionen von rund 2,5 Milliarden Euro werden notwendig sein, um bis 2030 die viel gepriesene österreichische Stromwende hin zu 100 Prozent Strom aus erneuerbaren Energiequellen zu schaffen. Diese Zahl wurde von Energieexperten der TU Wien errechnet.
Frage des Gleichgewichts
Um das angestrebte Ziel zu erreichen, müssen in den nächsten Jahren österreichweit nicht nur zahlreiche Wasserkraftwerke gebaut, Hunderte Windkraftanlagen errichtet und Zigtausende Solarmodule installiert werden. „Für die Wende braucht es eine weitere Kraftanstrengung, den Netzausbau. Die aktuellen Stromnetze sind für die Wende längst nicht bereit“, sagt Barbara Schmidt, Generalsekretärin Oesterreichs Energie. Das Problem bestehe darin, dass erneuerbare Energien volatil sind. Das heißt, die erzeugten Strommengen von Windkraftbzw. Fotovoltaikanlagen sind vom Wehen des Winds und dem Scheinen der Sonne abhängig – und somit nicht immer im gleichen Ausmaß zu haben.
Dazu kommt, dass zwischen Produktionsmengen und -zeiten sowie dem Verbrauch der Stromkonsumenten in der Industrie oder in den Haushalten kein kausaler Zusammenhang besteht. Das erschwert die Aufgabe, ein Gleichgewicht zwischen
Ein- und Ausspeisung herzustellen. Die Balance ist jedoch Grundbedingung für ein funktionierendes Stromnetz. Noch problematischer wird die Situation dadurch, dass der Fokus auf erneuerbare Energieträger mit einer Dezentralisierung der Energieerzeugung einhergeht. Großkraftwerke sind im Zeitalter der Erneuerbaren nicht mehr die alleinig Zuständigen für die Stromproduktion. Zu ihnen gesellen sich künftig unzählige kleine Herstellungsanlagen in Unternehmen oder privaten Wohnhäusern, die teilweise zu Energiegemeinschaften gruppiert werden. Dass mit diesen Rahmenbedingungen das aktuelle Stromnetz überfordert ist, liegt auf der Hand.
Netzausbau im Eiltempo
Geht es nach den Berechnungen von Oesterreichs Energie, müssen in den ausstehenden acht Jahren bis 2030 an die 200 neue oder verstärkte Umspannwerke errichtet, 12.000 Trafo-Stationen neu aufgestellt und 40.000 Kilometer Stromleitung verlegt werden. Bis zu 18 Milliarden Euro an Kosten, die zusätzlich zu jenen für den Ausbau der Produktionsanlagen anfallen, soll dies bis 2030 verursachen.
Umweltverträglichkeit
So unbestritten die Notwendigkeit einer Stärkung des Stromnetzes ist, so sehr steht der Netzausbau in einem Spannungsverhältnis mit dem Schutz der Natur. „Um dadurch entstehende Konflikte zu lösen, muss ein naturverträglicher und die Biodiversität schonender Ausbau gewährleistet werden“, fordert in seinem aktuellen Positionspapier das Ökobüro. Die österreichische Allianz der Umweltbewegung pocht zugleich auf eine noch näher liegende Problemlösung: die Senkung des Energieverbrauchs. Machbar wären laut Ökobüro Einsparungen von 30 Prozent bis zum Jahr 2030.