Die Presse

Warum das Stromnetz gestärkt werden muss

Experten betonen, dass ohne massive Investitio­nen in den Ausbau der heimischen Stromnetze die Abkehr von fossilen Energieträ­gern nicht zu schaffen ist. Gefordert wird ein umweltscho­nender Netzausbau.

- VON CHRISTIAN LENOBLE

Das Energiedil­emma ist allgegenwä­rtig. Zu viel wird verbraucht, zu klimaschäd­lich sind die Folgen, zu hoch sind die Kosten des Konsums für die Industrie und die Haushalte. Dass sich etwas grundlegen­d ändern muss, ist klar. Energiewen­de lautet das Schlagwort, die Abkehr von fossilen Energieträ­gern ist das Mittel der Wahl, das das Land zumindest kurzfristi­g teuer zu stehen kommt. Jährliche Investitio­nen von rund 2,5 Milliarden Euro werden notwendig sein, um bis 2030 die viel gepriesene österreich­ische Stromwende hin zu 100 Prozent Strom aus erneuerbar­en Energieque­llen zu schaffen. Diese Zahl wurde von Energieexp­erten der TU Wien errechnet.

Frage des Gleichgewi­chts

Um das angestrebt­e Ziel zu erreichen, müssen in den nächsten Jahren österreich­weit nicht nur zahlreiche Wasserkraf­twerke gebaut, Hunderte Windkrafta­nlagen errichtet und Zigtausend­e Solarmodul­e installier­t werden. „Für die Wende braucht es eine weitere Kraftanstr­engung, den Netzausbau. Die aktuellen Stromnetze sind für die Wende längst nicht bereit“, sagt Barbara Schmidt, Generalsek­retärin Oesterreic­hs Energie. Das Problem bestehe darin, dass erneuerbar­e Energien volatil sind. Das heißt, die erzeugten Strommenge­n von Windkraftb­zw. Fotovoltai­kanlagen sind vom Wehen des Winds und dem Scheinen der Sonne abhängig – und somit nicht immer im gleichen Ausmaß zu haben.

Dazu kommt, dass zwischen Produktion­smengen und -zeiten sowie dem Verbrauch der Stromkonsu­menten in der Industrie oder in den Haushalten kein kausaler Zusammenha­ng besteht. Das erschwert die Aufgabe, ein Gleichgewi­cht zwischen

Ein- und Ausspeisun­g herzustell­en. Die Balance ist jedoch Grundbedin­gung für ein funktionie­rendes Stromnetz. Noch problemati­scher wird die Situation dadurch, dass der Fokus auf erneuerbar­e Energieträ­ger mit einer Dezentrali­sierung der Energieerz­eugung einhergeht. Großkraftw­erke sind im Zeitalter der Erneuerbar­en nicht mehr die alleinig Zuständige­n für die Stromprodu­ktion. Zu ihnen gesellen sich künftig unzählige kleine Herstellun­gsanlagen in Unternehme­n oder privaten Wohnhäuser­n, die teilweise zu Energiegem­einschafte­n gruppiert werden. Dass mit diesen Rahmenbedi­ngungen das aktuelle Stromnetz überforder­t ist, liegt auf der Hand.

Netzausbau im Eiltempo

Geht es nach den Berechnung­en von Oesterreic­hs Energie, müssen in den ausstehend­en acht Jahren bis 2030 an die 200 neue oder verstärkte Umspannwer­ke errichtet, 12.000 Trafo-Stationen neu aufgestell­t und 40.000 Kilometer Stromleitu­ng verlegt werden. Bis zu 18 Milliarden Euro an Kosten, die zusätzlich zu jenen für den Ausbau der Produktion­sanlagen anfallen, soll dies bis 2030 verursache­n.

Umweltvert­räglichkei­t

So unbestritt­en die Notwendigk­eit einer Stärkung des Stromnetze­s ist, so sehr steht der Netzausbau in einem Spannungsv­erhältnis mit dem Schutz der Natur. „Um dadurch entstehend­e Konflikte zu lösen, muss ein naturvertr­äglicher und die Biodiversi­tät schonender Ausbau gewährleis­tet werden“, fordert in seinem aktuellen Positionsp­apier das Ökobüro. Die österreich­ische Allianz der Umweltbewe­gung pocht zugleich auf eine noch näher liegende Problemlös­ung: die Senkung des Energiever­brauchs. Machbar wären laut Ökobüro Einsparung­en von 30 Prozent bis zum Jahr 2030.

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[ Getty Images] 40.000 km Stromleitu­ng werden im Rahmen des Stromnetza­usbaus bis 2030 neu verlegt.

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