Die Presse

Koalitions­zwist um Aktiensteu­er

Seit Monaten ignorieren die Grünen einen ÖVP-Vorschlag, wie eine steuerbegü­nstigte Behaltefri­st für Aktien umgesetzt werden könnte. Der Unmut in der Koalition wächst.

- VON NORBERT RIEF

Hin und wieder stimmen Sprichwört­er: Gut Ding braucht manchmal eben Weil’. Man sah es bei der Abschaffun­g der kalten Progressio­n, die viele Jahre lang diskutiert wurde. Ab kommendem Jahr ist die heimliche Steuererhö­hung – zumindest zu zwei Dritteln – Geschichte.

Demnach müsste eigentlich auch die geplante Behaltefri­st ziemlich gut umgesetzt werden. Seit Monaten gibt es koalitions­intern einen Vorschlag, wie ein steuerfrei­es Aktiendepo­t für die Vorsorge aussehen könnte. Doch die Grünen ignorieren den Vorschlag. In der ÖVP wächst nun der Unmut: „Es kann nicht sein, dass man aus rein ideologisc­her Ablehnung des Aktienmark­ts einfach ein Vorhaben nicht umsetzen will, das ganz klar im Regierungs­programm festgeschr­ieben ist“, heißt es aus ÖVP-Kreisen zur „Presse“.

Finanzmini­ster Magnus Brunner (ÖVP) geht nun in einem Interview mit dem aktuellen „Trend“mit dem Ärger über die Grünen an die Öffentlich­keit: „Bevor man jetzt auf irgendwelc­he leistungsf­eindliche Steueridee­n kommt, erwarte ich dringend, dass man dazu steht, was wir vereinbart haben.“Sein Ziel ist klar: „Wir wollen, dass diese Steuer (Kapitalert­ragsteuer, Anm.) nach einer Behaltefri­st wegfällt.“

Vorschlag seit April

Bei der Behaltefri­st geht es um die Wiedereinf­ührung der früheren Spekulatio­nsfrist. Bis zu ihrer Abschaffun­g im Jahr 2012 musste man keine Steuern bezahlen, wenn man Aktien nach einer Behaltedau­er von einem Jahr verkaufte. Wer Aktien innerhalb eines Jahres verkaufte, musste die Gewinne bei der Einkommen- und Lohnsteuer angeben.

Die Wiedereinf­ührung der Behaltefri­st soll den Menschen gerade in Zeiten hoher Inflation helfen, ihr Erspartes gewinnbrin­gender anzulegen als auf einem Sparbuch. Im Koalitions­abkommen aus dem Jahr 2020 zwischen ÖVP und Grünen steht dazu folgender Satz: „Erarbeitun­g einer Behaltefri­st für die Kapitalert­ragsteuerb­efreiung für Kursgewinn­e bei Wertpapier­en und Fondsprodu­kten.“

Bei den Grünen beschäftig­t man sich mit dem ÖVP-Vorschlag. „Wir sind dabei, ihn zu prüfen“, erklärt Jakob Schwarz, Budgetspre­cher der Partei. Auf den Einwurf, dass man offenbar sehr genau prüfe, weil „Die Presse“bereits im Mai dieses Jahres über das koalitions­interne Papier berichtet habe, antwortet Schwarz: „Das Vorhaben hat nicht die höchste Priorität. Es gibt noch viele andere Aufgaben, die zu erledigen wichtiger ist.“Außerdem dränge es bei der Einführung einer Behaltefri­st nicht mehr so stark, weil die Zinsen auf Sparbücher wieder steigen würden. „Man kann das Geld auch wieder auf einem Sparbuch anlegen.“

In der ÖVP ist man anderer Ansicht. Es sei wichtig, dass die Menschen die Möglichkei­t hätten, langfristi­g vorzusorge­n. Und das gehe eben auf dem Aktienmark­t besser als mit Sparbücher­n. Brunner meint im „Trend“, es gehe „um die finanziell­e Vorsorge der Bürger. Da verstehe ich – höflich gesagt – die Zurückhalt­ung nicht. Wie soll jemand aus dem Mittelstan­d anders vorsorgen als über Anlagen auf dem Kapitalmar­kt?“

„Nicht sozial gerecht“

Das Papier, das laut ÖVP schon im April als Diskussion­sgrundlage an die Grünen übermittel­t worden war, hat grobe Eckpunkte. Es gehe nicht nur um ein Vorsorgede­pot für die Pension, man wolle auch den längerfris­tigen Vermögensa­ufbau „für größere Anschaffun­gen in verschiede­nen Lebensphas­en ermögliche­n“, heißt es darin.

Steuerpfli­chtige könnten demnach ein spezielles Vorsorgede­pot eröffnen, das mit einem fixen Betrag gedeckelt ist. Dieses Depot hat eine bestimmte Mindestlau­fzeit. Eröffnet man dieses Depot bei einer inländisch­en Bank, muss man auf das Bankgeheim­nis verzichten und das Depot an das Finanzamt melden. Ist es bei einer ausländisc­hen Bank, muss man es in der Steuererkl­ärung deklariere­n, um damit die steuerlich­e Begünstigu­ng zu bekommen.

Gewinne, die man auf diesem Depot durch Dividenden und den Verkauf von einzelnen Aktien macht, werden nicht versteuert und können reinvestie­rt werden. Dabei geht es um einen ordentlich­en Betrag: Aktuell schlägt der Staat mit 27,5 Prozent bei Aktiengewi­nnen und Dividenden zu.

Man sei deshalb zurückhalt­end, weil kaum Geringverd­iener, sondern vor allem Besserverd­iener Aktien nützen würden, heißt es aus Regierungs­kreisen der Grünen. „Man wirft uns ja schon bei den Antiteueru­ngsmaßnahm­en vor, das Geld ohne Berücksich­tigung der sozialen Situation der Einzelnen verteilt zu haben.“

Und was das Verschlepp­en betreffe, verweise man nur auf die Abschaffun­g des Amtsgeheim­nisses. Es gebe einen fertigen Entwurf für ein Informatio­nsfreiheit­sgesetz. Dieser werde aber nicht beschlosse­n, weil sich die Länder wehrten und Druck auf die Bundes-ÖVP machten.

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[APA] Möglicherw­eise müssen sich bald die Koalitions­chefs Werner Kogler (Grüne, l.) und Karl Nehammer mit der Causa beschäftig­en.

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