Koalitionszwist um Aktiensteuer
Seit Monaten ignorieren die Grünen einen ÖVP-Vorschlag, wie eine steuerbegünstigte Behaltefrist für Aktien umgesetzt werden könnte. Der Unmut in der Koalition wächst.
Hin und wieder stimmen Sprichwörter: Gut Ding braucht manchmal eben Weil’. Man sah es bei der Abschaffung der kalten Progression, die viele Jahre lang diskutiert wurde. Ab kommendem Jahr ist die heimliche Steuererhöhung – zumindest zu zwei Dritteln – Geschichte.
Demnach müsste eigentlich auch die geplante Behaltefrist ziemlich gut umgesetzt werden. Seit Monaten gibt es koalitionsintern einen Vorschlag, wie ein steuerfreies Aktiendepot für die Vorsorge aussehen könnte. Doch die Grünen ignorieren den Vorschlag. In der ÖVP wächst nun der Unmut: „Es kann nicht sein, dass man aus rein ideologischer Ablehnung des Aktienmarkts einfach ein Vorhaben nicht umsetzen will, das ganz klar im Regierungsprogramm festgeschrieben ist“, heißt es aus ÖVP-Kreisen zur „Presse“.
Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) geht nun in einem Interview mit dem aktuellen „Trend“mit dem Ärger über die Grünen an die Öffentlichkeit: „Bevor man jetzt auf irgendwelche leistungsfeindliche Steuerideen kommt, erwarte ich dringend, dass man dazu steht, was wir vereinbart haben.“Sein Ziel ist klar: „Wir wollen, dass diese Steuer (Kapitalertragsteuer, Anm.) nach einer Behaltefrist wegfällt.“
Vorschlag seit April
Bei der Behaltefrist geht es um die Wiedereinführung der früheren Spekulationsfrist. Bis zu ihrer Abschaffung im Jahr 2012 musste man keine Steuern bezahlen, wenn man Aktien nach einer Behaltedauer von einem Jahr verkaufte. Wer Aktien innerhalb eines Jahres verkaufte, musste die Gewinne bei der Einkommen- und Lohnsteuer angeben.
Die Wiedereinführung der Behaltefrist soll den Menschen gerade in Zeiten hoher Inflation helfen, ihr Erspartes gewinnbringender anzulegen als auf einem Sparbuch. Im Koalitionsabkommen aus dem Jahr 2020 zwischen ÖVP und Grünen steht dazu folgender Satz: „Erarbeitung einer Behaltefrist für die Kapitalertragsteuerbefreiung für Kursgewinne bei Wertpapieren und Fondsprodukten.“
Bei den Grünen beschäftigt man sich mit dem ÖVP-Vorschlag. „Wir sind dabei, ihn zu prüfen“, erklärt Jakob Schwarz, Budgetsprecher der Partei. Auf den Einwurf, dass man offenbar sehr genau prüfe, weil „Die Presse“bereits im Mai dieses Jahres über das koalitionsinterne Papier berichtet habe, antwortet Schwarz: „Das Vorhaben hat nicht die höchste Priorität. Es gibt noch viele andere Aufgaben, die zu erledigen wichtiger ist.“Außerdem dränge es bei der Einführung einer Behaltefrist nicht mehr so stark, weil die Zinsen auf Sparbücher wieder steigen würden. „Man kann das Geld auch wieder auf einem Sparbuch anlegen.“
In der ÖVP ist man anderer Ansicht. Es sei wichtig, dass die Menschen die Möglichkeit hätten, langfristig vorzusorgen. Und das gehe eben auf dem Aktienmarkt besser als mit Sparbüchern. Brunner meint im „Trend“, es gehe „um die finanzielle Vorsorge der Bürger. Da verstehe ich – höflich gesagt – die Zurückhaltung nicht. Wie soll jemand aus dem Mittelstand anders vorsorgen als über Anlagen auf dem Kapitalmarkt?“
„Nicht sozial gerecht“
Das Papier, das laut ÖVP schon im April als Diskussionsgrundlage an die Grünen übermittelt worden war, hat grobe Eckpunkte. Es gehe nicht nur um ein Vorsorgedepot für die Pension, man wolle auch den längerfristigen Vermögensaufbau „für größere Anschaffungen in verschiedenen Lebensphasen ermöglichen“, heißt es darin.
Steuerpflichtige könnten demnach ein spezielles Vorsorgedepot eröffnen, das mit einem fixen Betrag gedeckelt ist. Dieses Depot hat eine bestimmte Mindestlaufzeit. Eröffnet man dieses Depot bei einer inländischen Bank, muss man auf das Bankgeheimnis verzichten und das Depot an das Finanzamt melden. Ist es bei einer ausländischen Bank, muss man es in der Steuererklärung deklarieren, um damit die steuerliche Begünstigung zu bekommen.
Gewinne, die man auf diesem Depot durch Dividenden und den Verkauf von einzelnen Aktien macht, werden nicht versteuert und können reinvestiert werden. Dabei geht es um einen ordentlichen Betrag: Aktuell schlägt der Staat mit 27,5 Prozent bei Aktiengewinnen und Dividenden zu.
Man sei deshalb zurückhaltend, weil kaum Geringverdiener, sondern vor allem Besserverdiener Aktien nützen würden, heißt es aus Regierungskreisen der Grünen. „Man wirft uns ja schon bei den Antiteuerungsmaßnahmen vor, das Geld ohne Berücksichtigung der sozialen Situation der Einzelnen verteilt zu haben.“
Und was das Verschleppen betreffe, verweise man nur auf die Abschaffung des Amtsgeheimnisses. Es gebe einen fertigen Entwurf für ein Informationsfreiheitsgesetz. Dieser werde aber nicht beschlossen, weil sich die Länder wehrten und Druck auf die Bundes-ÖVP machten.