Wie man die Energiewende sicher verbockt
Politische Planlosigkeit beschert uns instabile Stromnetze und Blackout-Gefahr. So wird es nichts mit der Energiewende.
Aus dem Stromversorgungssektor erreichen uns in jüngster Zeit eher beunruhigende Nachrichten: In Österreich haben jüngst eine Reihe von Gemeinden Übungen für den Fall eines Blackouts, also eines großflächigen, länger andauernden Stromausfalls, abgehalten. Der Zivilschutz des Landes Niederösterreich hat eine Broschüre mit Vorsorgemaßnahmen für diesen Notfall unters Landesvolk gebracht, und eine leibhaftige Ministerin hat ein „Blackout-Kochbuch“des Bundesheeres öffentlich präsentiert. Eines, das ursprünglich eigentlich für interne Zwecke gedacht war. Denn „ohne Mampf kein Kampf“, wie ein Stahlhelm-Poet so griffig, wenn auch nicht gerade weltliteraturtauglich, formulierte.
In Deutschland wiederum hat der Chef des Bundesamts für Bevölkerungsschutz
und Katastrophenhilfe vor drohenden Blackouts im Jänner und Februar gewarnt. Er wurde von der eigenen Behörde zwar sofort dahingehend korrigiert, dass er wohl nicht Blackouts, sondern „Brownouts“gemeint habe. Also die gezielte stunden- oder tageweise Abschaltung der Stromversorgung in ganzen Regionen, um einen unkontrollierten Blackout zu verhindern.
Das beruhigt uns jetzt nur bedingt: Solche Stromabschaltungen ist man in der Dritten Welt oder im Kosovo gewohnt, aber nicht in hoch entwickelten Industriestaaten, die auf 24-Stunden-Stromversorgung angewiesen und auf diese auch eingestellt sind.
Was läuft da so schrecklich schief? Immerhin kommen diese Warnungen ja nicht von irgendwelchen Verschwörungstheoretikern, sondern von offiziellen Stellen und Ämtern. Dürften also nicht so ganz aus der Luft gegriffen sein.
Die Antwort ist ganz einfach: Eine ideologisch völlig verbockte Energiewende, die offenbar bar jeden technischen Basiswissens rein politisch geplant wurde. Die vereinfacht so lautet: Wir elektrifizieren
alle Lebensbereiche und decken das voll mit dem massiven Ausbau von Wind- und PV-Kraftwerken ab. So sind wir (in Österreich) bilanziell 2030 in der Stromerzeugung CO2-neutral und 2040 dann überhaupt eine Null-Emissions-Gesellschaft.
Das ist völlig unrealistisch – sagen nicht irgendwelche „Klimaleugner“, sondern Experten, die mit dem Problem zu tun haben. Der Technikvorstand des Netzbetreibers Austrian Power Grid (APG), einer Verbund-Tochter, meinte etwa neulich bei einem Symposion, man sei mit „Ideologie und Euphorie“an die Energiewende herangegangen, habe dabei aber die nötigen Begleitmaßnahmen stark vernachlässigt.
Nämlich den adäquaten Netzund Speicherausbau. Jedes Megawatt Zubau an Sonnen- und Windstromkapazität
benötigt theoretisch ein Megawatt zusätzlich an konventioneller Kraftwerkskapazität oder Speicher, um die Produktionsschwankungen auszugleichen. Sonst kracht die Einsatzfähigkeit von Wind und Sonnenkraftwerken schnell an Grenzen. Oder das Netz wird instabil.
Und dieses Netz muss auf allen Ebenen verstärkt werden, um den dezentral erzeugten Strom auch zu den Verbrauchern zu bringen. Beides wird immer mehr zum Problem. Die Kosten zur kurzfristigen Stabilisierung der Netze (EngpassManagement) sind jedenfalls hoch wie noch nie. Im Vorjahr musste dafür allein in Österreich schon eine halbe Milliarde Euro aufgewendet werden.
Der rasche Ausbau von Windund Sonnenstromkapazitäten, eine Grundvoraussetzung für
die Energiewende, wird dadurch dramatisch gebremst. In Deutschland müssen PV- und vor allem Windkraftwerke an produktionsstarken Tagen immer öfter „abgeregelt“werden, weil man die zum Ausgleich laufenden fossilen Kraftwerke nicht schnell genug herunterund hinauffahren kann und schnell reagierende Speicher so gut wie nicht vorhanden sind.
Und in Österreich haben immer mehr private Errichter von PVKleinanlagen Probleme, Einspeisverträge mit Stromversorgern zu bekommen: Die lokalen Netze sind zu schwach für den erhöhten Stromdurchsatz. Das, obwohl die PV-Kapazität in Österreich ohnehin noch sehr gering ist. Dieses Problem auf den untersten Spannungsebenen ist noch größer als das der fehlenden Hochspannungs-Fernübertragungsleitungen.
„Problem“ist in dem Punkt ein bisschen untertrieben: Laut der E-Wirtschafts-Interessenvertretung „Österreichs Energie“müssten zur Erreichung des für 2030 angepeilten Energiewendeziels in den kommenden acht Jahren 200 Umspannwerke neu errichtet oder verstärkt, 12.000 Trafostationen neu aufgestellt und 40.000 Kilometer Leitung neu verlegt werden. Viel Vergnügen: Da ist die (nur teilweise vorhandene) Finanzierung noch das geringste Problem. Es fehlt auch massiv an den dafür notwendigen Fachkräften und an den ebenfalls notwendigen schnelleren Genehmigungsverfahren.
Das gilt insbesondere für den unverzichtbaren raschen Speicherausbau. Für eine Vollversorgung mit erneuerbar erzeugtem Strom würde Österreich mindestens zehn Terawattstunden (TWh)
Speicherkapazität benötigen. Drei TWh sind vorhanden. Ausschließlich in Form von Pumpspeicherkraftwerken, andere Speichermöglichkeiten existieren in der Praxis derzeit großtechnisch nicht. Weitere drei bis vier TWh könnten noch zugebaut werden. Ein paar Großprojekte sind derzeit zwar auf Schiene, aber bei Genehmigungszeiten von zehn Jahren und mehr (das gilt übrigens auch für Hochspannungsnetze) ist eine rechtzeitige Realisierung wohl sehr unwahrscheinlich.
Die Möglichkeit, vorübergehend schnell reagierende Gaskraftwerke in großem Stil zum Ausgleich einzusetzen, hat Österreich nur begrenzt. Im Gegensatz zu Deutschland sind wir jetzt schon in großem Umfang (zuletzt zwischen 20 und 30 Prozent des Tagesverbrauchs) Stromimporteur.
Mit anderen Worten: Soll die Energiewende halbwegs gelingen, brauchen wir einen Plan. Einen „gesamthaften“, der den parallelen Ausbau von erneuerbarer Energie, Speichern und Netzen vorsieht, wie Verbundchef Michael Strugl neulich sagte. Und natürlich die nötige Finanzierung. 30 Mrd. Euro kostet allein der Netzausbau bis 2040.
Diesen Plan haben wir nicht. Und für diese Planlosigkeit zahlen wir mit immer unsicher werdenden Netzen, drohendem Strommangel und Blackout-Gefahr. Ist es zu viel verlangt, dass das Energieministerium hier endlich die Koordination in die Hand nimmt und die Voraussetzungen für eine echte Energiewende schafft, statt ein unrealistisches Ziel nach dem anderen zu fixieren, ohne die leiseste Idee, wie das erreicht werden soll?