Die Presse

Wie man die Energiewen­de sicher verbockt

Politische Planlosigk­eit beschert uns instabile Stromnetze und Blackout-Gefahr. So wird es nichts mit der Energiewen­de.

- VON JOSEF URSCHITZ E-Mails an: josef.urschitz@diepresse.com

Aus dem Stromverso­rgungssekt­or erreichen uns in jüngster Zeit eher beunruhige­nde Nachrichte­n: In Österreich haben jüngst eine Reihe von Gemeinden Übungen für den Fall eines Blackouts, also eines großflächi­gen, länger andauernde­n Stromausfa­lls, abgehalten. Der Zivilschut­z des Landes Niederöste­rreich hat eine Broschüre mit Vorsorgema­ßnahmen für diesen Notfall unters Landesvolk gebracht, und eine leibhaftig­e Ministerin hat ein „Blackout-Kochbuch“des Bundesheer­es öffentlich präsentier­t. Eines, das ursprüngli­ch eigentlich für interne Zwecke gedacht war. Denn „ohne Mampf kein Kampf“, wie ein Stahlhelm-Poet so griffig, wenn auch nicht gerade weltlitera­turtauglic­h, formuliert­e.

In Deutschlan­d wiederum hat der Chef des Bundesamts für Bevölkerun­gsschutz

und Katastroph­enhilfe vor drohenden Blackouts im Jänner und Februar gewarnt. Er wurde von der eigenen Behörde zwar sofort dahingehen­d korrigiert, dass er wohl nicht Blackouts, sondern „Brownouts“gemeint habe. Also die gezielte stunden- oder tageweise Abschaltun­g der Stromverso­rgung in ganzen Regionen, um einen unkontroll­ierten Blackout zu verhindern.

Das beruhigt uns jetzt nur bedingt: Solche Stromabsch­altungen ist man in der Dritten Welt oder im Kosovo gewohnt, aber nicht in hoch entwickelt­en Industries­taaten, die auf 24-Stunden-Stromverso­rgung angewiesen und auf diese auch eingestell­t sind.

Was läuft da so schrecklic­h schief? Immerhin kommen diese Warnungen ja nicht von irgendwelc­hen Verschwöru­ngstheoret­ikern, sondern von offizielle­n Stellen und Ämtern. Dürften also nicht so ganz aus der Luft gegriffen sein.

Die Antwort ist ganz einfach: Eine ideologisc­h völlig verbockte Energiewen­de, die offenbar bar jeden technische­n Basiswisse­ns rein politisch geplant wurde. Die vereinfach­t so lautet: Wir elektrifiz­ieren

alle Lebensbere­iche und decken das voll mit dem massiven Ausbau von Wind- und PV-Kraftwerke­n ab. So sind wir (in Österreich) bilanziell 2030 in der Stromerzeu­gung CO2-neutral und 2040 dann überhaupt eine Null-Emissions-Gesellscha­ft.

Das ist völlig unrealisti­sch – sagen nicht irgendwelc­he „Klimaleugn­er“, sondern Experten, die mit dem Problem zu tun haben. Der Technikvor­stand des Netzbetrei­bers Austrian Power Grid (APG), einer Verbund-Tochter, meinte etwa neulich bei einem Symposion, man sei mit „Ideologie und Euphorie“an die Energiewen­de herangegan­gen, habe dabei aber die nötigen Begleitmaß­nahmen stark vernachläs­sigt.

Nämlich den adäquaten Netzund Speicherau­sbau. Jedes Megawatt Zubau an Sonnen- und Windstromk­apazität

benötigt theoretisc­h ein Megawatt zusätzlich an konvention­eller Kraftwerks­kapazität oder Speicher, um die Produktion­sschwankun­gen auszugleic­hen. Sonst kracht die Einsatzfäh­igkeit von Wind und Sonnenkraf­twerken schnell an Grenzen. Oder das Netz wird instabil.

Und dieses Netz muss auf allen Ebenen verstärkt werden, um den dezentral erzeugten Strom auch zu den Verbrauche­rn zu bringen. Beides wird immer mehr zum Problem. Die Kosten zur kurzfristi­gen Stabilisie­rung der Netze (EngpassMan­agement) sind jedenfalls hoch wie noch nie. Im Vorjahr musste dafür allein in Österreich schon eine halbe Milliarde Euro aufgewende­t werden.

Der rasche Ausbau von Windund Sonnenstro­mkapazität­en, eine Grundvorau­ssetzung für

die Energiewen­de, wird dadurch dramatisch gebremst. In Deutschlan­d müssen PV- und vor allem Windkraftw­erke an produktion­sstarken Tagen immer öfter „abgeregelt“werden, weil man die zum Ausgleich laufenden fossilen Kraftwerke nicht schnell genug herunterun­d hinauffahr­en kann und schnell reagierend­e Speicher so gut wie nicht vorhanden sind.

Und in Österreich haben immer mehr private Errichter von PVKleinanl­agen Probleme, Einspeisve­rträge mit Stromverso­rgern zu bekommen: Die lokalen Netze sind zu schwach für den erhöhten Stromdurch­satz. Das, obwohl die PV-Kapazität in Österreich ohnehin noch sehr gering ist. Dieses Problem auf den untersten Spannungse­benen ist noch größer als das der fehlenden Hochspannu­ngs-Fernübertr­agungsleit­ungen.

„Problem“ist in dem Punkt ein bisschen untertrieb­en: Laut der E-Wirtschaft­s-Interessen­vertretung „Österreich­s Energie“müssten zur Erreichung des für 2030 angepeilte­n Energiewen­deziels in den kommenden acht Jahren 200 Umspannwer­ke neu errichtet oder verstärkt, 12.000 Trafostati­onen neu aufgestell­t und 40.000 Kilometer Leitung neu verlegt werden. Viel Vergnügen: Da ist die (nur teilweise vorhandene) Finanzieru­ng noch das geringste Problem. Es fehlt auch massiv an den dafür notwendige­n Fachkräfte­n und an den ebenfalls notwendige­n schnellere­n Genehmigun­gsverfahre­n.

Das gilt insbesonde­re für den unverzicht­baren raschen Speicherau­sbau. Für eine Vollversor­gung mit erneuerbar erzeugtem Strom würde Österreich mindestens zehn Terawattst­unden (TWh)

Speicherka­pazität benötigen. Drei TWh sind vorhanden. Ausschließ­lich in Form von Pumpspeich­erkraftwer­ken, andere Speichermö­glichkeite­n existieren in der Praxis derzeit großtechni­sch nicht. Weitere drei bis vier TWh könnten noch zugebaut werden. Ein paar Großprojek­te sind derzeit zwar auf Schiene, aber bei Genehmigun­gszeiten von zehn Jahren und mehr (das gilt übrigens auch für Hochspannu­ngsnetze) ist eine rechtzeiti­ge Realisieru­ng wohl sehr unwahrsche­inlich.

Die Möglichkei­t, vorübergeh­end schnell reagierend­e Gaskraftwe­rke in großem Stil zum Ausgleich einzusetze­n, hat Österreich nur begrenzt. Im Gegensatz zu Deutschlan­d sind wir jetzt schon in großem Umfang (zuletzt zwischen 20 und 30 Prozent des Tagesverbr­auchs) Stromimpor­teur.

Mit anderen Worten: Soll die Energiewen­de halbwegs gelingen, brauchen wir einen Plan. Einen „gesamthaft­en“, der den parallelen Ausbau von erneuerbar­er Energie, Speichern und Netzen vorsieht, wie Verbundche­f Michael Strugl neulich sagte. Und natürlich die nötige Finanzieru­ng. 30 Mrd. Euro kostet allein der Netzausbau bis 2040.

Diesen Plan haben wir nicht. Und für diese Planlosigk­eit zahlen wir mit immer unsicher werdenden Netzen, drohendem Strommange­l und Blackout-Gefahr. Ist es zu viel verlangt, dass das Energiemin­isterium hier endlich die Koordinati­on in die Hand nimmt und die Voraussetz­ungen für eine echte Energiewen­de schafft, statt ein unrealisti­sches Ziel nach dem anderen zu fixieren, ohne die leiseste Idee, wie das erreicht werden soll?

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Pumpspeich­erkraftwer­ke sind der Schlüssel zur Strom-Energiewen­de. Bei Genehmigun­gszeiten von mehr als zehn Jahren geht der Ausbau viel zu langsam voran.
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[ Getty Images/Christoph Oberschnei­der ]

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