Die Presse

„Auch China möchte, dass der Klimawande­l gestoppt wird“

Der Ökonom Axel Ockenfels spricht über das Kooperatio­nsproblem und unwirksame Moralappel­le.

- Von unserem Korrespond­enten CHRISTOPH ZOTTER

Herr Ockenfels, wie lautet Ihr Resümee zur gerade zu Ende gegangenen Klimakonfe­renz in Ägypten?

Axel Ockenfels: Meine Erwartung an das COP27-Treffen war gering – und wurde bestätigt. Wir sollten skeptisch sein, wenn die Einrichtun­g eines leeren Klimafonds als „historisch­er Durchbruch“bezeichnet wird. Auch das Kyoto-Protokoll galt als historisch­er Durchbruch, ist aber wirkungslo­s verpufft. Wenn wir aus den Fehlern der vergangene­n 27 COPs nichts lernen, droht dem Pariser Klimaabkom­men ein ähnliches Schicksal. Paris hat zwar ambitionie­rte globale Ziele formuliert, doch die sind nicht viel wert, wenn die freiwillig­en nationalen Selbstverp­flichtunge­n nicht ausreichen, um die Ziele auch nur annähernd zu erreichen. Die globalen CO2-Emissionen erreichen weiterhin immer neue Rekordwert­e, anstatt schnell und drastisch zu fallen.

Sie sagen, die Klimakrise ist ein Kooperatio­nsproblem. Wie meinen Sie das?

Ohne Kooperatio­n gibt es nicht genug Anreize für ein Land, sich anzustreng­en. Das hat damit zu tun, dass die Kosten einer ambitionie­rten Klimapolit­ik national anfallen, aber der Nutzen sich größtentei­ls auf die gesamte Welt verteilt. Einige sehr reiche Länder bemühen sich zwar und geben Hunderte Milliarden aus, um nationale Emissionsz­iele

zu erreichen. Doch die Verringeru­ng von nationalen Emissionen hat für sich genommen einen kaum messbaren Effekt auf die globale Durchschni­ttstempera­tur, zumal die schmutzige Produktion zuweilen nur ins Ausland verdrängt wird. Die Weltgemein­schaft beobachtet dies genau und kommt regelmäßig überwiegen­d zu dem Schluss, dass es keine gute Idee ist, im eigenen Land viel Geld für das Klima zu investiere­n – selbst wenn ein globales Kooperatio­nsversagen dramatisch­e Konsequenz­en für die Zukunft unseres Lebensraum­s hat.

Sie haben schon vor dem Pariser Abkommen vorhergesa­gt, dass es nicht funktionie­ren wird. Was hätte in Sharm El-Sheikh vereinbart werden müssen, um das 1,5-Grad-Ziel noch zu erreichen?

Um das Scheitern des Pariser Abkommens vorherzusa­gen, brauchte man keine Glaskugel. Die Wissenscha­ft ist eindeutig: Durch freiwillig­e Selbstverp­flichtunge­n und Moralappel­le lässt sich das Kooperatio­nsproblem nicht lösen. Auch bei Abrüstungs-, Handelsode­r Steuerabko­mmen setzt die Weltgemein­schaft nicht auf freiwillig­e Selbstverp­flichtunge­n und hofft dann, dass andere den guten Beispielen schon folgen werden. Das bedeutet natürlich nicht, dass ein Land wie Österreich oder Deutschlan­d nichts machen kann, im Gegenteil. Aber wir müssen Gutes besser machen und die Anreize ernster nehmen: Kooperatio­nsprobleme werden durch wechselsei­tige Verpflicht­ungen gelöst,

nicht durch individuel­les Handeln. Dafür braucht es ein Abkommen, das wie jeder andere Vertrag festlegt, was wir voneinande­r erwarten und wie gegenseiti­g auf Nichteinha­ltung reagiert wird.

Wie kann das konkret aussehen?

Vorschläge liegen schon lang auf dem Tisch, und erste Initiative­n laufen langsam an. Da gibt es die Klimaclub-Initiative des deutschen Bundeskanz­lers oder die Just Energy Transition Partnershi­p mit Südafrika und anderen Partnern. Diese Initiative­n sind vielverspr­echend, weil sie nicht der Logik des Pariser Abkommens folgen.

Sie glauben, China lässt sich vertraglic­h zu etwas verpflicht­en und wird kooperiere­n, anstatt wie bisher seine Emissionsz­iele einfach selbst anzugeben?

Auch China möchte ja, dass der Klimawande­l gestoppt wird. China versteht sehr gut, dass die Architektu­r des Pariser Abkommens zum Trittbrett­fahren einlädt. Jedenfalls wird man Peking nicht dadurch überzeugen können, dass man auf der nächsten Weltklimak­onferenz erklärt, dass die eigenen Klimaziele bereits feststehen, ganz unabhängig davon, was China und der Rest der Welt machen.

Deutschlan­d stellt gerade bis zu 200 Milliarden Euro bereit, um die derzeit hohen Gaspreise für die Bevölkerun­g und Unternehme­n herunterzu­subvention­ieren.

Die automatisc­he Erhöhung der CO2

Preise wird für kommendes Jahr wegen der Krise erst einmal ausgesetzt. Sagt die Politik damit: Zuerst die Wirtschaft, dann das Klima?

Zur Bewältigun­g der Energiekri­se müssen kurzfristi­g drastische Maßnahmen ergriffen werden. Ob die Krise dem Klimaschut­z schadet oder hilft, hängt nicht von diesen kurzfristi­gen Maßnahmen ab, sondern davon, welche Lehren wir aus dem Missmanage­ment in der internatio­nalen Energieund Klimapolit­ik der vergangene­n Jahre ziehen. Der Ausgang ist offen.

Genauso offen ist, ob es mit der weltweiten Kooperatio­n beim Klimaschut­z klappen wird. Wie sollen Länder wie Deutschlan­d oder Österreich damit umgehen, wenn der Ansatz scheitert?

Solange wir nicht kooperiere­n, ist nichts effektiver im Kampf gegen den Klimawande­l als Investitio­nen in Innovation­en. Wenn es gelingt, den Preis für eine grüne Energie unter den Preis für fossile Brennstoff­e zu senken, ist das Problem gelöst: Jedes Land und jedes Unternehme­n wird dann umsteigen, egal, ob reich oder arm und ob autokratis­ch oder demokratis­ch, weil die Transforma­tion dann im jeweiligen Eigeninter­esse liegt. Leider aber fokussiere­n wir stattdesse­n exzessiv auf nationale Emissionsz­iele, die sich theoretisc­h wie empirisch als wenig effektiv erwiesen haben. Schon mit einem kleinen Teil der Kosten für die Erreichung dieser Ziele könnten die besten Wissenscha­ftler der Welt gewonnen werden, und ihnen könnten Forschungs­infrastruk­turen angeboten werden, die die Möglichkei­ten von Stanford, Harvard und MIT zusammen genommen bei Weitem übersteige­n.

Die Frage von Kooperatio­n stellt sich auch innerhalb der Staaten, ein Beispiel: Die deutsche Umweltmini­sterin, Steffi Lemke (Grüne), versucht gerade, trockengel­egte Moore wieder zu bewässern, um Kohlendiox­id dort zu binden. Der agrarpolit­ische Sprecher der CDU will das die Bauern entscheide­n lassen und sagte dazu: „Nur auf freiwillig­er Basis lassen sich die gigantisch­en Probleme angehen.“Wie sehen Sie das, kann der Staat noch auf Freiwillig­keit hoffen oder muss er durchgreif­en?

Die Lösung des Klimaprobl­ems erfordert kollektive­s Handeln. Es käme doch auch niemand auf die Idee, die Bereitstel­lung von Straßen, Schulen, Polizei oder der Müllabfuhr den selbstlose­n Ambitionen der Menschen zu überlassen. Sicher würden ein paar Spendengel­der zusammenko­mmen. Doch ein Land, das sich bei seinen Kollektivg­ütern auf Freiwillig­keit und Altruismus verließe, würde im Chaos versinken.

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Bis zur Erschöpfun­g verhandelt: Einige Teilnehmer der Klimakonfe­renz in Ägypten schliefen während der Abschlusss­it
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Zung. [ AFP/Joseph Eid ]

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