„Auch China möchte, dass der Klimawandel gestoppt wird“
Der Ökonom Axel Ockenfels spricht über das Kooperationsproblem und unwirksame Moralappelle.
Herr Ockenfels, wie lautet Ihr Resümee zur gerade zu Ende gegangenen Klimakonferenz in Ägypten?
Axel Ockenfels: Meine Erwartung an das COP27-Treffen war gering – und wurde bestätigt. Wir sollten skeptisch sein, wenn die Einrichtung eines leeren Klimafonds als „historischer Durchbruch“bezeichnet wird. Auch das Kyoto-Protokoll galt als historischer Durchbruch, ist aber wirkungslos verpufft. Wenn wir aus den Fehlern der vergangenen 27 COPs nichts lernen, droht dem Pariser Klimaabkommen ein ähnliches Schicksal. Paris hat zwar ambitionierte globale Ziele formuliert, doch die sind nicht viel wert, wenn die freiwilligen nationalen Selbstverpflichtungen nicht ausreichen, um die Ziele auch nur annähernd zu erreichen. Die globalen CO2-Emissionen erreichen weiterhin immer neue Rekordwerte, anstatt schnell und drastisch zu fallen.
Sie sagen, die Klimakrise ist ein Kooperationsproblem. Wie meinen Sie das?
Ohne Kooperation gibt es nicht genug Anreize für ein Land, sich anzustrengen. Das hat damit zu tun, dass die Kosten einer ambitionierten Klimapolitik national anfallen, aber der Nutzen sich größtenteils auf die gesamte Welt verteilt. Einige sehr reiche Länder bemühen sich zwar und geben Hunderte Milliarden aus, um nationale Emissionsziele
zu erreichen. Doch die Verringerung von nationalen Emissionen hat für sich genommen einen kaum messbaren Effekt auf die globale Durchschnittstemperatur, zumal die schmutzige Produktion zuweilen nur ins Ausland verdrängt wird. Die Weltgemeinschaft beobachtet dies genau und kommt regelmäßig überwiegend zu dem Schluss, dass es keine gute Idee ist, im eigenen Land viel Geld für das Klima zu investieren – selbst wenn ein globales Kooperationsversagen dramatische Konsequenzen für die Zukunft unseres Lebensraums hat.
Sie haben schon vor dem Pariser Abkommen vorhergesagt, dass es nicht funktionieren wird. Was hätte in Sharm El-Sheikh vereinbart werden müssen, um das 1,5-Grad-Ziel noch zu erreichen?
Um das Scheitern des Pariser Abkommens vorherzusagen, brauchte man keine Glaskugel. Die Wissenschaft ist eindeutig: Durch freiwillige Selbstverpflichtungen und Moralappelle lässt sich das Kooperationsproblem nicht lösen. Auch bei Abrüstungs-, Handelsoder Steuerabkommen setzt die Weltgemeinschaft nicht auf freiwillige Selbstverpflichtungen und hofft dann, dass andere den guten Beispielen schon folgen werden. Das bedeutet natürlich nicht, dass ein Land wie Österreich oder Deutschland nichts machen kann, im Gegenteil. Aber wir müssen Gutes besser machen und die Anreize ernster nehmen: Kooperationsprobleme werden durch wechselseitige Verpflichtungen gelöst,
nicht durch individuelles Handeln. Dafür braucht es ein Abkommen, das wie jeder andere Vertrag festlegt, was wir voneinander erwarten und wie gegenseitig auf Nichteinhaltung reagiert wird.
Wie kann das konkret aussehen?
Vorschläge liegen schon lang auf dem Tisch, und erste Initiativen laufen langsam an. Da gibt es die Klimaclub-Initiative des deutschen Bundeskanzlers oder die Just Energy Transition Partnership mit Südafrika und anderen Partnern. Diese Initiativen sind vielversprechend, weil sie nicht der Logik des Pariser Abkommens folgen.
Sie glauben, China lässt sich vertraglich zu etwas verpflichten und wird kooperieren, anstatt wie bisher seine Emissionsziele einfach selbst anzugeben?
Auch China möchte ja, dass der Klimawandel gestoppt wird. China versteht sehr gut, dass die Architektur des Pariser Abkommens zum Trittbrettfahren einlädt. Jedenfalls wird man Peking nicht dadurch überzeugen können, dass man auf der nächsten Weltklimakonferenz erklärt, dass die eigenen Klimaziele bereits feststehen, ganz unabhängig davon, was China und der Rest der Welt machen.
Deutschland stellt gerade bis zu 200 Milliarden Euro bereit, um die derzeit hohen Gaspreise für die Bevölkerung und Unternehmen herunterzusubventionieren.
Die automatische Erhöhung der CO2
Preise wird für kommendes Jahr wegen der Krise erst einmal ausgesetzt. Sagt die Politik damit: Zuerst die Wirtschaft, dann das Klima?
Zur Bewältigung der Energiekrise müssen kurzfristig drastische Maßnahmen ergriffen werden. Ob die Krise dem Klimaschutz schadet oder hilft, hängt nicht von diesen kurzfristigen Maßnahmen ab, sondern davon, welche Lehren wir aus dem Missmanagement in der internationalen Energieund Klimapolitik der vergangenen Jahre ziehen. Der Ausgang ist offen.
Genauso offen ist, ob es mit der weltweiten Kooperation beim Klimaschutz klappen wird. Wie sollen Länder wie Deutschland oder Österreich damit umgehen, wenn der Ansatz scheitert?
Solange wir nicht kooperieren, ist nichts effektiver im Kampf gegen den Klimawandel als Investitionen in Innovationen. Wenn es gelingt, den Preis für eine grüne Energie unter den Preis für fossile Brennstoffe zu senken, ist das Problem gelöst: Jedes Land und jedes Unternehmen wird dann umsteigen, egal, ob reich oder arm und ob autokratisch oder demokratisch, weil die Transformation dann im jeweiligen Eigeninteresse liegt. Leider aber fokussieren wir stattdessen exzessiv auf nationale Emissionsziele, die sich theoretisch wie empirisch als wenig effektiv erwiesen haben. Schon mit einem kleinen Teil der Kosten für die Erreichung dieser Ziele könnten die besten Wissenschaftler der Welt gewonnen werden, und ihnen könnten Forschungsinfrastrukturen angeboten werden, die die Möglichkeiten von Stanford, Harvard und MIT zusammen genommen bei Weitem übersteigen.
Die Frage von Kooperation stellt sich auch innerhalb der Staaten, ein Beispiel: Die deutsche Umweltministerin, Steffi Lemke (Grüne), versucht gerade, trockengelegte Moore wieder zu bewässern, um Kohlendioxid dort zu binden. Der agrarpolitische Sprecher der CDU will das die Bauern entscheiden lassen und sagte dazu: „Nur auf freiwilliger Basis lassen sich die gigantischen Probleme angehen.“Wie sehen Sie das, kann der Staat noch auf Freiwilligkeit hoffen oder muss er durchgreifen?
Die Lösung des Klimaproblems erfordert kollektives Handeln. Es käme doch auch niemand auf die Idee, die Bereitstellung von Straßen, Schulen, Polizei oder der Müllabfuhr den selbstlosen Ambitionen der Menschen zu überlassen. Sicher würden ein paar Spendengelder zusammenkommen. Doch ein Land, das sich bei seinen Kollektivgütern auf Freiwilligkeit und Altruismus verließe, würde im Chaos versinken.