Haben Euro-Bonds noch Chancen?
Die steigende Inflation hat die Anleihemärkte hart getroffen. Marktexperte Florian Weber erklärt, weshalb das Schlimmste ausgestanden sein könnte und wo er fündig wird.
Die jüngsten Marktdaten aus den USA deuten für viele Marktbeobachter auf eine Wende bei der Inflationsentwicklung hin. Im Oktober stieg der Verbraucherpreisindex im Jahresvergleich um lediglich 7,7 Prozent, erwartet worden waren 7,9 Prozent. Und im September war die Teuerung mit 8,2 Prozent noch deutlich höher.
Die rückläufige Entwicklung dürfte sich dabei nicht nur auf die USA beschränken. Etwas zeitverzögert könnte die Inflation auch in der Eurozone den Zenit erreichen, konstatiert Florian Weber, Fondsmanager des JSS Sustainable Bond – EUR Corporates beim Schweizer Vermögensverwalter J. Safra Sarasin, im Gespräch mit der „Presse“. Dies dürfte spätestens im ersten Quartal 2023 der Fall sein.
Auf die Entwicklungen haben zahlreiche Notenbanken längst mit Zinsanhebungen reagiert, wobei die Folgen für die globale Unternehmenslandschaft unterschiedlich sind. Viele Banken etwa profitieren von den Anhebungen, da sie nunmehr eine höhere Zinsspanne auf Kredite lukrieren. Demgegenüber machen höhere Zinsen etwa Immobilienfirmen zu schaffen. Deren Finanzierungen verteuern sich kräftig.
Weitere Anstiege eingepreist
Auch an den Finanzmärkten hinterließ der geldpolitische Schwenk deutliche Spuren: Anleihen verloren kräftig an Wert. Denn bestehende Bonds sind nach den Zinsanhebungen geringer verzinst als neue – und somit weniger gefragt. Allerdings dürfte das Schlimmste an den Bondmärkten mittlerweile ausgestanden sein, meint Weber. Zwar dürften die Notenbanken die Leitsätze noch einige Male anheben. Das sei jedoch in den Anleihemärkten bereits eingepreist.
Doch worauf achtet der Fondsmanager bei seinen Investments im Fonds? Grundsätzlich investiert Weber in Anleihen, die – unabhängig davon, in welcher Region die Emittenten ihren Hauptsitz haben – in Euro begeben werden. Zudem müssen sie strengen Nachhaltigkeitskriterien
entsprechen. Manch ein Sektor, etwa die Produktion von Tabak oder geächteten Waffen, wird kategorisch ausgeschlossen. Bei anderen Firmen selektiert Weber nach ökologischen und sozialen Kriterien und achtet dabei auch auf eine gerechte Unternehmensführung. Ein weiteres Kriterium ist der CO2Ausstoß der Konzerne – ebenso wie deren Fahrplan zur Senkung dieser Emissionen.
Aber auch aktuelle Entwicklungen beeinflussen die Selektion. Derzeit achtet Weber etwa darauf, dass die Firmen möglichst wenig
von Europas Absatzmärkten abhängig sind. Grund ist die getrübte Wirtschaftsentwicklung. Umso mehr gefragt sind international aufgestellte Firmen, wie etwa der deutsche Industriekonzern Siemens. Aus den USA zählt ein Firmenbond des Konsumgüterkonzerns Johnson & Johnson zum Fondsvermögen. Denn viele Konsumprodukte werden meist auch in schwierigen Zeiten gekauft.
Wovon hängt Verzinsung ab?
Beide Anleihen verfügen über ein gutes Rating und sind Teil des Investment-Grade-Segments. Hierzu zählen grundsätzlich Bonitätsnoten von mindestens einem BBB– oder besser. Einen kleinen Teil des Portfolios investiert Weber in Hochzinsanleihen, jedoch nur in jene, die innerhalb dieses Segments am besten abschneiden. Dazu zählt eine nachrangige Anleihe der Volksbank Wien. Nachrangige Anleihen haben eine Besonderheit: Im Fall einer Schuldnerpleite werden Käufer vorrangiger Anleihen bei der Kapitalrückzahlung bevorzugt. Nur sofern dann noch Kapital übrig ist, erhalten
auch die nachrangigen Gläubiger ihr Geld zurück. Aufgrund des höheren Risikos sind letztere Papiere besser verzinst.
Überhaupt seien Anleihen aus dem europäischen Finanzsektor attraktiver verzinst als Pendants aus anderen Sektoren, sagt Weber. Viele Finanzkonzerne borgen sich laufend Geld vom Kapitalmarkt, um damit etwa Kredite zu vergeben oder Lebensversicherungen auszubezahlen. Weil die Zinsen zuletzt stetig gestiegen sind, müssen die Finanzkonzerne neue Bonds mit immer höheren Coupons ausstatten. Damit verteuert sich deren Refinanzierung stetig.
Auf Unternehmen aus anderen Sektoren lastet meist kein kurzfristiger Refinanzierungsdruck, betont Weber. Viele Firmen haben das tiefe Zinsniveau der vergangenen Jahre sogar dazu genutzt, um sich zunächst auf viele Jahre günstig zu refinanzieren. Die aktuellen Zinsentwicklungen können sie damit vorerst durchtauchen.
Dennoch sind auch bei all diesen Wertpapieren Kursverluste möglich. Das sollten Anleger ebenso beachten.