Fernsehen mit Mister Cool
Gerwald Rockenschaub (70) hängt 24 lakonische Videoloops in die Schwanzer-Halle. Und wir dürfen sie, an einer (trockenen) Bar lehnend, studieren.
Den Weg in diese Ausstellung sollte man mitbedenken: Wie ein mahnender Wächter steht rechts vor dem Eingang ins „Belvedere 21“eine Skulptur aus drei gelben, blauen und roten Quadern von Roland Goeschl (1932–2016). Auch die architektonische Gliederung des Ausstellungspavillons selbst (1958, von Karl Schwanzer) ist von einer strengen, rechteckigen Geometrie geprägt. Und dann steht man also mittendrin in dieser herrlichen, lichten Halle – und sieht schlicht das, was hier im Infotext geschrieben steht: „4 Wände, MDF, lackiert, je 300 x 1340 x 60 cm/24 Monitore, je 55 Zoll/24 Animationen/3 skulpturale Elemente, MDF, lackiert“.
Digitale Ornamente
„Lakonische Reduktion“wird diese Art der knallharten geometrischen Kunst und ihrer dazugehörigen lapidaren Beschreibung in Texten von Gerwald Rockenschaub immer wieder genannt. Eine Beschreibung, die den Ton dieses unverwechselbaren Werks präzise trifft.
Der 1952 in Linz geborene Künstler arrangiert seit Jahrzehnten per Videoloop digitale Ornamente mit Wiener Schmäh und (als elektronischer Musiker) Gefühl für Rhythmus. Eine Gemengelage aus bildender Kunst, Musik und Design, die in einer langen österreichischen Kunsttradition steht.
Wie eine Altmeister-Ausstellung hat der Mister Cool der Wiener Kunstszene der Achtziger- und Neunzigerjahre – seit 1999 lebt er in Berlin – auch diese Belvedere-Einzelausstellung angelegt. Nur dass anstelle von Ölgemälden eben 24 Bildschirme an vier grauen Stellwänden hängen. Ihr Inhalt: purzelnde Quadrate, blinkende Balken, flimmernde Flächen, Punkte, die sich zu Blüten zusammensetzen, Pfeile, die sich hereinschieben, menschliche Silhouetten, die sich auseinanderschieben. Ist das nicht das Profil des Künstlers selbst – mit Ohr und Brille? Wummert dort nicht optisch die österreichische Flagge – roter Balken, weißer flackernder Balken, roter Balken?
Bei all diesen teilweise subtil komischen, anspielungsreichen Versuchsanordnungen formaler Reduktion merkt man immer noch den jungen Mann, der erst in Wien Geschichte, Philosophie und (Gestalt-)Psychologie studierte. Der in den Achtzigern an der Angewandten zur Klasse von Hubert Tasquil und Helga Philipp stieß, beide Optik-Spezialisten. Und der sich sowohl mit den Piktogrammen des Philosophen Otto Neurath (1882–1945) auseinandergesetzt hat wie mit der frühen Rave-Kultur in London.
Rockenschaub hat all das aufgesogen und es in eine unserer digitalen Zeit entsprechende Ästhetik übersetzt. Mehr noch: Er hat diese auch mitgeprägt (und wird nicht umsonst von vier renommierten internationalen Galerien vertreten): aalglatte Oberflächen, synthetisches Material, knallige Pop-Farben, die er völlig unsentimental auswählt.
Fehlt nur noch ein Barmann
Sagt er jedenfalls. Das Giftgrün der zwei langen Bänke etwa, das satte Pink der ähnlich langen Theke, die das leere Zentrum zwischen den Stellwänden mit den Videos strukturieren, ja möblieren. Auf den zwei niedrigen Balken kann man sitzen, am höheren lehnen. Fehlt nur noch jemand, der einem dort die Drinks zum Fernschauen serviert.
Auch diese Mischung aus Kunst und Design ist eine österreichische Spezialität. Die Möbel von Franz West fallen einem dabei natürlich als Erstes ein. Aber lieber beschäftigt sich Rockenschaub mit den weit länger zurückliegenden Kunst(hand)werken der Wiener Werkstätte. Dafür zeigte er in seinen Arbeiten immer wieder Respekt. Als er 1993 Österreich bei der Biennale Venedig vertrat und durch den Pavillon des „QuadratlHoffmann“ein industrielles Stahlgerüst legte, auf dem die Besucher diesem Bau nah wie nie kamen. Oder als er 2012 das Publikum per kanariengelber Plattform auf Augenhöhe des Klimt-Frieses in der Secession hob. Das Bildgedächtnis und die Bewegung der Betrachter im Raum sind bei Rockenschaub immer mitgedacht. Und zwar minutiös. Zufällig ist hier gar nichts.
Selbst die Abstände im (natürlich englischen, also universal lesbaren) Titel der Ausstellung sind es nicht: „circuit cruise / feasible memory/regulator“. Merken Sie es? Es wird eindeutig enger.
Bis 12. März, Arsenalstr. 1, Wien 3, Di–So, 11–18 Uhr, Do, 11–21 Uhr.
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