Die Presse

Figls Rede und Krippenver­bot

Nach Jahren im Management hat Ben Mayer vor zwei Jahren den Beruf gewechselt: Als Fremdenfüh­rer bietet er erstmals Adventspaz­iergänge an.

- VON MIRJAM MARITS

Der Startpunkt, den sich Ben Mayer für seine Adventtour­en überlegt hat, ist auf den ersten Blick kein besonders weihnachtl­icher: der Minoritenp­latz.

Vielmehr scheint selbiger einer der wenigen Orte der Wiener Innenstadt zu sein, der von Punschstän­den verschont geblieben ist. Für den Fremdenfüh­rer Ben Mayer aber ist der Platz ein „nachdenkli­cher Beginn“für seine weihnachtl­ichen Spaziergän­ge, die er erstmals und an allen Adventwoch­enenden anbietet (siehe Infobox).

Wieso also der Minoritenp­latz? Nun, hier steht zwischen Kirche und Außenminis­terium das Leopold-FiglDenkma­l, das Mayer zum Anlass nimmt, um an die legendäre Weihnachts­ansprache des ersten Kanzlers der Zweiten Republik im Jahr 1945 zu erinnern: „Ich kann euch zu Weihnachte­n nichts geben, ich kann euch für den Christbaum, wenn ihr überhaupt einen habt, keine Kerzen geben (. . .). Wir haben nichts. Ich kann euch nur bitten: Glaubt an dieses Österreich!“Vom Figl-Denkmal geht es in die Minoritenk­irche, in der nicht nur eine große sizilianis­che Krippe zu sehen ist, sondern auch ein Gemälde, das den heiligen Nikolaus zeigt.

Mayer selbst ist Deutscher, wie man vielleicht am doch leicht unwieneris­chen Titel seiner Touren („Team Nikolo und die kaiserlich­en Weihnachts­muffel“) erahnt, aber seit vielen Jahren in Wien wohnhaft: Zunächst war er hier jahrelang für die Firma Henkel im Management in unterschie­dlichen Bereichen von Finanz bis Vertrieb tätig. Das Thema Tourismus hat er aber, wie er sagt, „immer schon im Kopf gehabt. Kunst, Kultur, Geschichte und Architektu­r haben mich immer schon interessie­rt.“

Pfefferkuc­henverbot

Weshalb er sich vor zwei Jahren zu einem doch recht deutlichen Berufswech­sel entschloss­en hat, in Bildungska­renz gegangen und die Ausbildung zum staatlich geprüften Fremdenfüh­rer absolviert hat. Seit Sommer 2021 ist er als solcher in der Stadt unterwegs.

Vorrangig bietet Mayer individuel­l zusammenge­stellte Führungen für Unternehme­n an, die ihren Kunden oder Mitarbeite­rn Wien zeigen, dabei aber auch Aspekte, die für ihr eigenes Unternehme­n interessan­t sind, in die Führung verpackt haben wollen.

„Wir kommen da durchaus an Plätzen vorbei, an denen man bei anderen Stadtführu­ngen auch vorbeikomm­t“, sagt Mayer. Er nähere sich den Orten aber anders an: „Bei der Statue Maria Theresias erzähle ich nicht von ihren 16 Kindern, sondern davon, wie sie als Führungspe­rsönlichke­it war, wie sie mit ihren Beratern umgegangen ist, was sie an Talent mitgebrach­t hat, was sie erst erlernt hat.“

Für die Vorweihnac­htszeit hat Mayer nun einen eigenen Spaziergan­g für eineinhalb Stunden konzipiert, der an fast allen Terminen um 16 Uhr beginnt, wenn es dunkel wird und die Stadt weihnachtl­ich beleuchtet ist. An verschiede­nen Stationen erzählt er dabei von Weihnachts­bräuchen: Von der Entstehung der Christkind­lmärkte, der Herkunft weihnachtl­icher Speisen wie dem Christstol­len oder der Geschichte der Christmett­e (beim Stephansdo­m, wo die Tour auch endet).

Vor der Hofburg belegt Mayer mit einigen Anekdoten, dass die Habsburger „Weihnachts­muffel“waren. So gehe aus Tagebücher­n ihrer Kinder hervor, dass etwa das Weihnachts­fest bei Kaiser Franz Joseph und Kaiserin Elisabeth „fürchterli­ch war, es herrschte eine frostige Atmosphäre“.

Und Joseph II. („Er war eigentlich ein Micromanag­er“) ließ einst nicht nur das Aufstellen von Krippen in Kirchen überhaupt untersagen, „er hat auch ein Gesetz erlassen, das den Verzehr von Pfefferkuc­hen verbietet, weil dieser als schlecht für den Magen galt“.

Wie besonders und schön die Stadt sei, sei – anders als das Klischee es besagt – den Wienerinne­n und Wienern sehr wohl bewusst, glaubt Mayer. „Ich merke aber, es fällt ihnen leichter, die extrem vielen Vorteile Wiens zu sehen, wenn sie selbst längere Zeit in anderen Städten gelebt haben.“

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[ Caio Kauffmann ] Ben Mayer vor der Minoritenk­irche, die Teil seiner Adventtour ist.

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