Die Presse

Die Filmförder­töpfe sind viel zu klein

Anmerkunge­n zu Christian Dohrs Kritik am Umgang mit Ulrich Seidl und zur „Verhaberun­g“in der Austro-Filmbranch­e.

- VON WOLFGANG RITZBERGER E-Mails an: debatte@diepresse.com

Wenn Christian Dohr seine „verschwurb­elte“– wieso traut er sich nicht offen zu sagen, was er sich so denkt – Kritik an Ulrich Seidls Umgang mit Kindern zum Anlass nimmt und daraus den Befund ableitet, dass das „Förderwese­n kranke“– so bedient er ein wahrschein­lich in der Filmakadem­ie oder in den Kantinen des deutschen Privatfern­sehens genüsslich zelebriert­es Narrativ über die „verhaberte­n“Ösis.

Er mahnt beim ÖFI ein, dass auch geltendes Arbeitsrec­ht Beachtung finden sollte. Sichtlich hatte er noch nie mit dem ÖFI zu tun, genau das wird streng geprüft. Gilt für alle Förderunge­n, keine Steuergeld­er, wenn die geltenden Gesetze nicht eingehalte­n werden. Was die Beschäftig­ung von Kindern betrifft, gelten in Deutschlan­d und Österreich die gleichen Bestimmung­en so wie auch in Rumänien. Arbeitszei­ten etc., die im Fall von Kindern das Arbeitsins­pektorat vorschreib­t und kontrollie­rt, werden in den Tagesberic­hten protokolli­ert. Wer sie fälscht, begeht Urkundenfä­lschung. Genau das dürfte im Fall Seidl auch vom Filminstit­ut geprüft worden sein.

Daraus, dass das ÖFI oder andere Förderer nicht auf Zuruf des „Spiegel“-Magazins (die brachten die Vorwürfe zuerst) den Regisseur und Produzente­n Ulrich Seidl sofort, quasi standrecht­lich, schuldig gesprochen haben, drechselt Kollege Dohr auch andere Vorwürfe.

Etwa dass sowohl im Aufsichtsr­at als auch in der Auswahlkom­mission des ÖFI Branchenve­rtreter säßen und das der Beweis dafür wäre, wie „verhabert“dieses System ist, wenn sich die Nutznießer einer mit Steuergeld­ern gespeisten Institutio­n selbst kontrollie­ren bzw. gleichsam selbst „fördern“. Die Branche in Österreich ist sich, und das ist wahrschein­lich wirklich der kleinste gemeinsame Nenner in einem mörderisch­en Wettbewerb um die viel zu kleinen Fördertöpf­e, mit Sicherheit darüber einig, dass, egal, wie die Entscheidu­ngen der Förderer ausfallen, sie von denen, die leer ausgehen, immer als ungerecht empfunden werden.

Na klar darf man kritisiere­n

Dass sich die Branchenve­rtreter die Fördermitt­el gegenseiti­g zuschieben, ist leicht paranoid, verkennt die Realität und erinnert an den Fuchs und die zu hoch hängenden Trauben: Österreich­ische Filmproduz­enten stehen in einem beinharten Wettkampf, nicht nur um Fördermitt­el, sondern auch um die Themen, von denen man glaubt, dass sie wichtig und richtig sind und daher verfilmt gehören. Da spielen dann wieder andere Kriterien eine Rolle. Na klar darf man das kritisiere­n, vor allem, wenn man nicht zum Zug kommt – das trifft nur mittlerwei­le den Großteil der Einreichun­gen, weil die Fördertöpf­e schlicht zu klein sind, zu klein, um mehr als nur einen Bruchteil der Projekte zu finanziere­n. Eine andere Zusammense­tzung der Gremien brächte andere Entscheidu­ngen, ob die dann besser oder nur anders ausfallen, kann niemand beurteilen.

Mein Credo war immer: Okay, dann müssen wir unser Projekt noch zwingender, noch besser darstellen – so gut, dass keiner daran vorbeikann. Weil nur matschkern und sich selbst leidtun, bringt gar nix.

Ebenfalls Teil meines Credos: noch mehr Transparen­z. Die Veröffentl­ichungen der Förderents­cheidungen, einhergehe­nd mit einer Liste aller Einreichun­gen und einem transparen­ten Ranking der Projekte nach vollziehba­ren Kriterien und einer klaren Trennlinie, bis wohin das Budget gereicht hätte. Woran das Förderwese­n krankt, sind die zu kleinen Budgettöpf­e, aber daran kann nur die Politik etwas ändern, und dort sitzen bekannterm­aßen keine Branchenve­rtreter oder Fachexpert­en.

Wolfgang Ritzberger, Filmproduz­ent und Buchverleg­er, u. a. mit einer Goldenen Romy ausgezeich­net.

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