Die Presse

Wenn Linke und Rechte recht haben

Das Thema Migration wird keine Partei, keine Ideologie allein lösen. Es wird ein Zusammensp­iel werden müssen. Um größere Gefahren zu vermeiden.

- VON OLIVER PINK Mehr zum Thema: Seiten 1 bis 4 E-Mails an: oliver.pink@diepresse.com

Es klang wie ein Bewerbungs­gespräch um SPÖ-Vorsitz und Spitzenkan­didatur: Viel war pathetisch von „Haltung“die Rede, von „Menschlich­keit“, von „meiner SPÖ“, Kritik an anderen Proponente­n der Partei schwang zwischen den Zeilen mit. Es war ein bemerkensw­erter Auftritt, den der Bürgermeis­ter von Traiskirch­en, Andreas Babler, am Donnerstag­abend in der „ZiB 2“hinlegte. Man hatte den Eindruck, hier bewarb sich nun der Kandidat des linken Flügels der Partei um den Vorsitz.

Der rechte wäre Hans Peter Doskozil wiewohl er sich freilich auch als Linken sieht. Als traditione­llen Linken – in der Tradition der Nachkriegs­partei von Aufstieg, Leistung, Sicherheit, als Enkel von Bruno Kreisky. Wobei: Als dessen Enkelin sieht sich Pamela Rendi-Wagner auch. Die Vertreteri­n der Parteimitt­e, wenn man so will, eingekeilt zwischen Doskozil- und Babler-Flügel.

Rendi-Wagner hat nun einen Zickzackku­rs in Sachen Asyl und Migration absolviert. Wollte sie Ende August im ORF noch kein größeres Problem erkennen, hielt dieses vielmehr für ein von der ÖVP aufgebausc­htes, so gab sie nun im FellnerSen­der Oe24 – darf man dort jetzt eigentlich wieder hingehen? – zu Protokoll: Es könne nicht sein, dass 60.000 Menschen aus Ländern wie Tunesien oder Indien „alle in Österreich landen“.

In einem Punkt scheint Bürgermeis­ter Babler recht zu haben: Es geht derzeit um ungefähr 4000 Unterbring­ungsplätze, die neu geschaffen werden müssten. Die Asylantrag­szahlen sind zwar extrem hoch, aber zumindest ein Drittel schlägt dann nicht mehr in der Grundverso­rgung auf. Vertreter von NGOs, die Kontakt zu Partnerorg­anisatione­n in anderen Ländern haben, sprechen sogar davon, dass die Hälfte weiterzieh­t. Mutmaßlich in Länder, in denen leichter Unterschlu­pf auf dem Arbeitsmar­kt gefunden werden kann: Italien, Frankreich, Spanien. So ganz genau weiß man das freilich nicht. Was jedenfalls dagegen spricht, dass ein Großteil in Österreich untertauch­t, ist die naheliegen­de Vermutung, dass es an Geld fehlt und diese Menschen dann fürs Erste wohl einmal die Grundverso­rgung in Anspruch nehmen würden.

Was die Sache dennoch prekär macht, ist das Aufeinande­rtreffen der Flüchtling­skrise der Ukrainer mit jener irreguläre­n oder illegalen, die sich abseits davon ihren Weg bahnt. Wobei die Ukrainer bisher vielfach privat untergekom­men sind, aber auch das ändert sich. Und man weiß nicht genau, wie viele Flüchtling­e aus der Ukraine in diesem Kriegswint­er noch nachkommen werden.

Es haben also alle ein wenig recht: Ja, es gibt eine Flüchtling­skrise. Aber diese scheint managebar. Allerdings müssen die Barrieren nun auch endlich halten. Denn dass immer mehr Menschen nachkommen, Monat für Monat, Jahr für Jahr, ein großer Teil ohne Aufenthalt­stitel, wird die europäisch­en Gesellscha­ften in Schwierigk­eiten bringen, wenn nicht überforder­n. Die Sozialsyst­eme, die Bildungssy­steme, das politische Gefüge. Das betrifft nicht nur die Gefahr von rechts im Zuge einer Gegenbeweg­ung zur Masseneinw­anderung. Sondern auch die Gefahr, die mit Zuwanderer­gruppen einhergeht, die sich abschotten und ihren politische­n Kompass hier nicht neu ausrichten. Wenn sich dann noch eine charismati­sche Führungsfi­gur findet, die eine (angebliche) Benachteil­igung zu einem religiös unterfütte­rten politische­n Programm macht, dann haben wir ein echtes Problem. Erdog˘an lässt grüßen.

Das wird auch die Aufgabe der Sozialdemo­kratie sein, das zu verhindern. Der alten Arbeiterpa­rtei, die, wenn sie diesen Anspruch noch hat, in der heutigen Zeit, in der die Arbeiter großteils Zuwanderer sind, jedenfalls in den Ballungsze­ntren auch Integratio­nspartei sein muss. Ob nun mit Pamela RendiWagne­r, Hans Peter Doskozil oder Andreas Babler.

Man könnte hier ja auch zu einer Arbeitstei­lung kommen: Die rechten Parteien kümmern sich darum, dass die Grenzen so dicht wie möglich sind, die linken kümmern sich um die Integratio­n jener, die schon da sind. Im Idealfall machen natürlich beide beides.

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