Wenn Linke und Rechte recht haben
Das Thema Migration wird keine Partei, keine Ideologie allein lösen. Es wird ein Zusammenspiel werden müssen. Um größere Gefahren zu vermeiden.
Es klang wie ein Bewerbungsgespräch um SPÖ-Vorsitz und Spitzenkandidatur: Viel war pathetisch von „Haltung“die Rede, von „Menschlichkeit“, von „meiner SPÖ“, Kritik an anderen Proponenten der Partei schwang zwischen den Zeilen mit. Es war ein bemerkenswerter Auftritt, den der Bürgermeister von Traiskirchen, Andreas Babler, am Donnerstagabend in der „ZiB 2“hinlegte. Man hatte den Eindruck, hier bewarb sich nun der Kandidat des linken Flügels der Partei um den Vorsitz.
Der rechte wäre Hans Peter Doskozil wiewohl er sich freilich auch als Linken sieht. Als traditionellen Linken – in der Tradition der Nachkriegspartei von Aufstieg, Leistung, Sicherheit, als Enkel von Bruno Kreisky. Wobei: Als dessen Enkelin sieht sich Pamela Rendi-Wagner auch. Die Vertreterin der Parteimitte, wenn man so will, eingekeilt zwischen Doskozil- und Babler-Flügel.
Rendi-Wagner hat nun einen Zickzackkurs in Sachen Asyl und Migration absolviert. Wollte sie Ende August im ORF noch kein größeres Problem erkennen, hielt dieses vielmehr für ein von der ÖVP aufgebauschtes, so gab sie nun im FellnerSender Oe24 – darf man dort jetzt eigentlich wieder hingehen? – zu Protokoll: Es könne nicht sein, dass 60.000 Menschen aus Ländern wie Tunesien oder Indien „alle in Österreich landen“.
In einem Punkt scheint Bürgermeister Babler recht zu haben: Es geht derzeit um ungefähr 4000 Unterbringungsplätze, die neu geschaffen werden müssten. Die Asylantragszahlen sind zwar extrem hoch, aber zumindest ein Drittel schlägt dann nicht mehr in der Grundversorgung auf. Vertreter von NGOs, die Kontakt zu Partnerorganisationen in anderen Ländern haben, sprechen sogar davon, dass die Hälfte weiterzieht. Mutmaßlich in Länder, in denen leichter Unterschlupf auf dem Arbeitsmarkt gefunden werden kann: Italien, Frankreich, Spanien. So ganz genau weiß man das freilich nicht. Was jedenfalls dagegen spricht, dass ein Großteil in Österreich untertaucht, ist die naheliegende Vermutung, dass es an Geld fehlt und diese Menschen dann fürs Erste wohl einmal die Grundversorgung in Anspruch nehmen würden.
Was die Sache dennoch prekär macht, ist das Aufeinandertreffen der Flüchtlingskrise der Ukrainer mit jener irregulären oder illegalen, die sich abseits davon ihren Weg bahnt. Wobei die Ukrainer bisher vielfach privat untergekommen sind, aber auch das ändert sich. Und man weiß nicht genau, wie viele Flüchtlinge aus der Ukraine in diesem Kriegswinter noch nachkommen werden.
Es haben also alle ein wenig recht: Ja, es gibt eine Flüchtlingskrise. Aber diese scheint managebar. Allerdings müssen die Barrieren nun auch endlich halten. Denn dass immer mehr Menschen nachkommen, Monat für Monat, Jahr für Jahr, ein großer Teil ohne Aufenthaltstitel, wird die europäischen Gesellschaften in Schwierigkeiten bringen, wenn nicht überfordern. Die Sozialsysteme, die Bildungssysteme, das politische Gefüge. Das betrifft nicht nur die Gefahr von rechts im Zuge einer Gegenbewegung zur Masseneinwanderung. Sondern auch die Gefahr, die mit Zuwanderergruppen einhergeht, die sich abschotten und ihren politischen Kompass hier nicht neu ausrichten. Wenn sich dann noch eine charismatische Führungsfigur findet, die eine (angebliche) Benachteiligung zu einem religiös unterfütterten politischen Programm macht, dann haben wir ein echtes Problem. Erdog˘an lässt grüßen.
Das wird auch die Aufgabe der Sozialdemokratie sein, das zu verhindern. Der alten Arbeiterpartei, die, wenn sie diesen Anspruch noch hat, in der heutigen Zeit, in der die Arbeiter großteils Zuwanderer sind, jedenfalls in den Ballungszentren auch Integrationspartei sein muss. Ob nun mit Pamela RendiWagner, Hans Peter Doskozil oder Andreas Babler.
Man könnte hier ja auch zu einer Arbeitsteilung kommen: Die rechten Parteien kümmern sich darum, dass die Grenzen so dicht wie möglich sind, die linken kümmern sich um die Integration jener, die schon da sind. Im Idealfall machen natürlich beide beides.