Wie die Letzte Generation bestraft wird
Die Blockade des Berliner Flughafens sorgt für Aufregung. Die Politik diskutiert über eine härtere Gangart gegenüber den Klima-Aktivisten.
Ein kleines Loch im Maschendrahtzaun, mehr brauchte es nicht. Am Donnerstagnachmittag gegen 16 Uhr traten sechs Aktivisten der Gruppe Letzte Generation durch die Lücke auf die Wiese vor den Pisten des Flughafens Berlin-Brandenburg. Einer hatte sein Fahrrad mitgenommen und fuhr vor dem Rollfeld auf und ab. Die anderen klebten ihre Hände auf den Asphalt.
Rund zwei Stunden dauerte es, bis alles vorbei war. Fünf Abflüge mussten verschoben, 15 Maschinen in der Luft nach Leipzig,
Dresden oder Düsseldorf umgeleitet werden. Mehrere Tausend Menschen mussten ihre Reisen umplanen. Nicht nur die deutsche Politik stellt nun die Frage, ob damit eine Grenze überschritten wurde.
Bis zu einem Monat Präventivhaft
„Klima-Kriminelle“nannte der Berliner FDP-Chef Sebastian Czaja die Aktivisten am Freitag. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) bezeichnete die Blockade des Flughafens als „absolut inakzeptabel“. Die AfD – sie darf per richterlichem Beschluss vom Verfassungsschutz beobachtet werden – forderte den Verfassungsschutz auf, sich der Letzten Generation anzunehmen. CDU-Generalsekretär Mario Czaja erneuerte seine Forderung, die Aktivisten verhaften zu können, bevor sie eine Störaktion durchführen.
In Bayern wird die Präventiv- oder Vorbeugehaft bereits gegen Klima-Aktivisten eingesetzt. In der Justizvollzugsanstalt Stadelheim in München sitzen 13 von ihnen seit Anfang November fest, sie sollen im Dezember entlassen werden. Einer befindet sich seit mehr als einer Woche im Hungerstreik. Der bayerische CSU-Spitzenpolitiker Alexander Dobrindt warnte schon vor Wochen vor der „Entstehung einer Klima-RAF“, die er mit härteren Strafen unterbinden wolle.
Die bayerische Polizei kann eine Person bis zu einen Monat lang einsperren, wenn sie Anhaltspunkte hat, diese könnte eine Straftat begehen. Ein Richter muss den „Gewahrsam“bestätigen und kann ihn um einen Monat verlängern. Geschaffen wurde die Präventivhaft, als über gefährliche Islamisten und Terroranschläge diskutiert wurde. Am Freitag forderte die Polizeigewerkschaft, das Konzept auf ganz Deutschland auszuweiten.
„Gefährlicher Eingriff in Luftverkehr“
Derzeit laufen Hunderte Gerichtsverfahren wegen Störaktionen von Klima-Aktivisten, kaum ein Tag vergeht ohne neue Zwischenfälle. Der Vorwurf lautet meist Nötigung im Straßenverkehr, Sachbeschädigung oder Hausfriedensbruch. Die Richter verhängten in den bisherigen Fällen meist Geldstrafen von ein paar Hundert Euro.
Die Klima-Aktivisten selbst berufen sich vor Gericht oft auf Paragraf 34 des deutschen Strafgesetzbuches, den „rechtfertigenden Notstand“, der einen Gesetzesbruch straffrei stellen kann. Am Donnerstag sagte ein Verfassungsrichter aus Rheinland-Pfalz, er könne dieses Argument angesichts der Klimakrise nachvollziehen. Allerdings müsse immer der Einzelfall bewertet werden.
Die Blockade des Berliner Flughafens dürfte auch beim möglichen Strafrahmen für die Festgeklebten eine Eskalation bedeuten. Gegen sechs Aktivisten wird wegen „gefährlichen Eingriffes in den Luftverkehr“ermittelt. Darauf steht eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.