Die Presse

Wie die Letzte Generation bestraft wird

Die Blockade des Berliner Flughafens sorgt für Aufregung. Die Politik diskutiert über eine härtere Gangart gegenüber den Klima-Aktivisten.

- V on unserem K orresponde­nten CHRISTOPH ZOTTER

Ein kleines Loch im Maschendra­htzaun, mehr brauchte es nicht. Am Donnerstag­nachmittag gegen 16 Uhr traten sechs Aktivisten der Gruppe Letzte Generation durch die Lücke auf die Wiese vor den Pisten des Flughafens Berlin-Brandenbur­g. Einer hatte sein Fahrrad mitgenomme­n und fuhr vor dem Rollfeld auf und ab. Die anderen klebten ihre Hände auf den Asphalt.

Rund zwei Stunden dauerte es, bis alles vorbei war. Fünf Abflüge mussten verschoben, 15 Maschinen in der Luft nach Leipzig,

Dresden oder Düsseldorf umgeleitet werden. Mehrere Tausend Menschen mussten ihre Reisen umplanen. Nicht nur die deutsche Politik stellt nun die Frage, ob damit eine Grenze überschrit­ten wurde.

Bis zu einem Monat Präventivh­aft

„Klima-Kriminelle“nannte der Berliner FDP-Chef Sebastian Czaja die Aktivisten am Freitag. Innenminis­terin Nancy Faeser (SPD) bezeichnet­e die Blockade des Flughafens als „absolut inakzeptab­el“. Die AfD – sie darf per richterlic­hem Beschluss vom Verfassung­sschutz beobachtet werden – forderte den Verfassung­sschutz auf, sich der Letzten Generation anzunehmen. CDU-Generalsek­retär Mario Czaja erneuerte seine Forderung, die Aktivisten verhaften zu können, bevor sie eine Störaktion durchführe­n.

In Bayern wird die Präventiv- oder Vorbeugeha­ft bereits gegen Klima-Aktivisten eingesetzt. In der Justizvoll­zugsanstal­t Stadelheim in München sitzen 13 von ihnen seit Anfang November fest, sie sollen im Dezember entlassen werden. Einer befindet sich seit mehr als einer Woche im Hungerstre­ik. Der bayerische CSU-Spitzenpol­itiker Alexander Dobrindt warnte schon vor Wochen vor der „Entstehung einer Klima-RAF“, die er mit härteren Strafen unterbinde­n wolle.

Die bayerische Polizei kann eine Person bis zu einen Monat lang einsperren, wenn sie Anhaltspun­kte hat, diese könnte eine Straftat begehen. Ein Richter muss den „Gewahrsam“bestätigen und kann ihn um einen Monat verlängern. Geschaffen wurde die Präventivh­aft, als über gefährlich­e Islamisten und Terroransc­hläge diskutiert wurde. Am Freitag forderte die Polizeigew­erkschaft, das Konzept auf ganz Deutschlan­d auszuweite­n.

„Gefährlich­er Eingriff in Luftverkeh­r“

Derzeit laufen Hunderte Gerichtsve­rfahren wegen Störaktion­en von Klima-Aktivisten, kaum ein Tag vergeht ohne neue Zwischenfä­lle. Der Vorwurf lautet meist Nötigung im Straßenver­kehr, Sachbeschä­digung oder Hausfriede­nsbruch. Die Richter verhängten in den bisherigen Fällen meist Geldstrafe­n von ein paar Hundert Euro.

Die Klima-Aktivisten selbst berufen sich vor Gericht oft auf Paragraf 34 des deutschen Strafgeset­zbuches, den „rechtferti­genden Notstand“, der einen Gesetzesbr­uch straffrei stellen kann. Am Donnerstag sagte ein Verfassung­srichter aus Rheinland-Pfalz, er könne dieses Argument angesichts der Klimakrise nachvollzi­ehen. Allerdings müsse immer der Einzelfall bewertet werden.

Die Blockade des Berliner Flughafens dürfte auch beim möglichen Strafrahme­n für die Festgekleb­ten eine Eskalation bedeuten. Gegen sechs Aktivisten wird wegen „gefährlich­en Eingriffes in den Luftverkeh­r“ermittelt. Darauf steht eine Freiheitss­trafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.

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[ APA/DPA ] Fast täglich kleben sich Aktivisten in Deutschlan­d fest, um auf die Klimakrise aufmerksam zu machen.

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