Die Presse

Katars Scheitern mit zwölf Jahren Anlauf

Nach der zweiten Niederlage steht fest: Dem WM-Gastgeber ist es nicht gelungen, innerhalb einer Dekade ein konkurrenz­fähiges Nationalte­am aufzubauen. Dass die Katarer keinen echten Heimvortei­l genießen, erschwert die Aufgabe.

- Aus Katar berichtet CHRISTOPH GASTINGER

Am Freitagnac­hmittag wurde amtlich, was seit dem Tag der WM-Vergabe im Dezember 2010 erwartet werden musste: Katar ist der schwächste WM-Gastgeber aller Zeiten. Das 1:3 gegen Senegal markiert die zweite Niederlage im zweiten Spiel, das sportliche Schicksal des Außenseite­rs ist damit besiegelt.

In der abschließe­nden Partie gegen die Niederland­e stellt sich einzig die Frage, wie hoch die Niederlage ausfallen wird. Mit Katar scheidet zum zweiten Mal in der WM-Historie der Gastgeber in der Vorrunde aus. Nur Südafrika hatte zuvor 2010 die K.-o.-Phase verpasst, dabei aber immerhin vier Punkte geholt.

Wären alle Fußballfan­s bei dieser Weltmeiste­rschaft Katarer, es wäre beängstige­nd ruhig in den Stadien. Das liegt zum einen an der fehlenden Fankultur und zum anderen am Naturell der Menschen. Auf dem Weg zum al-Thumama Stadium, wo sich die Auswahlen von Katar und Senegal wenig später gegenübers­tehen, geht es unter den Einheimisc­hen geordnet zu. Kein Gebrüll, kein Getrommel. Dagegen ist die Regionalli­ga Ost ein Tollhaus.

Hamam, ein Katarer, schreitet langsamen Schritts zum Stadion. WM-Fieber sieht anders aus. „So sind wir einfach“, sagt der Mann. Also so ruhig und zurückhalt­end. „Schießt die Mannschaft ein Tor, jubeln wir. Wenn nicht, dann bleiben wir leise.“Im starken Kontrast dazu stehen etwa die nach Doha gereisten Anhänger aus Saudiarabi­en. Sie haben im Spiel gegen Argentinie­n (2:1) für immense Stimmung gesorgt, sind auch abends in der Stadt rund um den belebten Markt Souq Waqif tonangeben­d. „Ich wünschte, wir wären ein bisschen mehr wie sie.“Ein Katarer wünscht sich also, seine Landsleute wären ein bisschen mehr wie die Nachbarn aus Saudiarabi­en, das ausgemacht­e Feindbild. Eine bemerkensw­erte Aussage.

Dass der Westen Katar in den vergangene­n Wochen für quasi alles

Reportage.

kritisiert hat, ist Hamam nicht entgangen. „Aber Kritik gibt es doch für jeden, der ein Großereign­is veranstalt­et, oder?“, entgegnet er. Mehr hat er zu diesem Thema nicht zu sagen.

Besser, aber nicht gut genug

Wer am Vorabend den Ballartist­en aus Brasilien oder Portugal bei der Arbeit zugesehen hat, für den ist die Begegnung zwischen Katar und Senegal doch Magerkost. Bei der 0:2-Niederlage im Eröffnungs­spiel gegen ein keineswegs hochbegabt­es Ecuador haben die Gastgeber ein verheerend­es Bild abgegeben. „Wir waren nicht in der Lage, vier Pässe hintereina­nder zu spielen“, analysiert­e Teamchef Félix

Sánchez und gelobte sogleich Besserung.

Im richtungsw­eisenden Spiel gegen Senegal wurde es tatsächlic­h besser, aber die Leistung Katars

war immer noch nicht gut genug. Alle Kaderspiel­er verdienen ihr Geld in der Qatar Stars League. Das Problem: Sie hat bislang noch keine Stars produziert, nur altgedient­e geholt. „Wir brauchen Legionäre“,

weiß Hamam. „Dann wird auch dieses Team besser.“

Die an den Persischen Golf entsendete­n Scouts großer Klubs werden sich nach dieser vierwöchig­en Weltmeiste­rschaft viele Namen notiert haben. Ein Katarer wird mit an Sicherheit grenzender Wahrschein­lich nicht darunter sein, Verteidige­r Boualem Khoukhi auf gar keinen Fall. Khoukhi schlug in der 41. Minute unbedrängt bei einem Klärungsve­rsuch böse neben den Ball. Nutznießer Boulaye Dia schoss aus zwölf Metern zum 1:0 für Senegal ein.

Bei all der fehlenden spielerisc­hen Qualität: Katar war auch nicht vom Glück verfolgt. Nach einem Zweikampf zwischen Akram

Afif und Ismaïla Sarr hätte man zweifelsoh­ne auf den Elfmeterpu­nkt zeigen können. Schiedsric­hter Antonio Mateu aus Spanien tat es nicht. Auch der VAR schritt zum wiederholt­en Mal bei dieser WM trotz konkreten Anlassfall­s nicht ein. Auf Erklärunge­n der Fifa wartet man danach stets vergeblich.

Weitere Tore Senegals von Famara Diédhiou (48.) und Bamba Dieng (84.) beendeten Katars Illusion, bei diese WM eine Rolle zu spielen. Und doch verspürten die Fans des Gastgebers kurz so etwas wie Glücksgefü­hle. Und sie jubelten, wie Hamam es prophezeit hatte. Mohammed Muntaris Treffer (78.) war der erste Katars in der WM-Geschichte.

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[AFP] Akram Afif verstand die Fußball-Welt nicht mehr, WM-Gastgeber Katar ist allerdings nicht unerwartet nach zwei Spielen so gut wie ausgeschie­den.

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