Katars Scheitern mit zwölf Jahren Anlauf
Nach der zweiten Niederlage steht fest: Dem WM-Gastgeber ist es nicht gelungen, innerhalb einer Dekade ein konkurrenzfähiges Nationalteam aufzubauen. Dass die Katarer keinen echten Heimvorteil genießen, erschwert die Aufgabe.
Am Freitagnachmittag wurde amtlich, was seit dem Tag der WM-Vergabe im Dezember 2010 erwartet werden musste: Katar ist der schwächste WM-Gastgeber aller Zeiten. Das 1:3 gegen Senegal markiert die zweite Niederlage im zweiten Spiel, das sportliche Schicksal des Außenseiters ist damit besiegelt.
In der abschließenden Partie gegen die Niederlande stellt sich einzig die Frage, wie hoch die Niederlage ausfallen wird. Mit Katar scheidet zum zweiten Mal in der WM-Historie der Gastgeber in der Vorrunde aus. Nur Südafrika hatte zuvor 2010 die K.-o.-Phase verpasst, dabei aber immerhin vier Punkte geholt.
Wären alle Fußballfans bei dieser Weltmeisterschaft Katarer, es wäre beängstigend ruhig in den Stadien. Das liegt zum einen an der fehlenden Fankultur und zum anderen am Naturell der Menschen. Auf dem Weg zum al-Thumama Stadium, wo sich die Auswahlen von Katar und Senegal wenig später gegenüberstehen, geht es unter den Einheimischen geordnet zu. Kein Gebrüll, kein Getrommel. Dagegen ist die Regionalliga Ost ein Tollhaus.
Hamam, ein Katarer, schreitet langsamen Schritts zum Stadion. WM-Fieber sieht anders aus. „So sind wir einfach“, sagt der Mann. Also so ruhig und zurückhaltend. „Schießt die Mannschaft ein Tor, jubeln wir. Wenn nicht, dann bleiben wir leise.“Im starken Kontrast dazu stehen etwa die nach Doha gereisten Anhänger aus Saudiarabien. Sie haben im Spiel gegen Argentinien (2:1) für immense Stimmung gesorgt, sind auch abends in der Stadt rund um den belebten Markt Souq Waqif tonangebend. „Ich wünschte, wir wären ein bisschen mehr wie sie.“Ein Katarer wünscht sich also, seine Landsleute wären ein bisschen mehr wie die Nachbarn aus Saudiarabien, das ausgemachte Feindbild. Eine bemerkenswerte Aussage.
Dass der Westen Katar in den vergangenen Wochen für quasi alles
Reportage.
kritisiert hat, ist Hamam nicht entgangen. „Aber Kritik gibt es doch für jeden, der ein Großereignis veranstaltet, oder?“, entgegnet er. Mehr hat er zu diesem Thema nicht zu sagen.
Besser, aber nicht gut genug
Wer am Vorabend den Ballartisten aus Brasilien oder Portugal bei der Arbeit zugesehen hat, für den ist die Begegnung zwischen Katar und Senegal doch Magerkost. Bei der 0:2-Niederlage im Eröffnungsspiel gegen ein keineswegs hochbegabtes Ecuador haben die Gastgeber ein verheerendes Bild abgegeben. „Wir waren nicht in der Lage, vier Pässe hintereinander zu spielen“, analysierte Teamchef Félix
Sánchez und gelobte sogleich Besserung.
Im richtungsweisenden Spiel gegen Senegal wurde es tatsächlich besser, aber die Leistung Katars
war immer noch nicht gut genug. Alle Kaderspieler verdienen ihr Geld in der Qatar Stars League. Das Problem: Sie hat bislang noch keine Stars produziert, nur altgediente geholt. „Wir brauchen Legionäre“,
weiß Hamam. „Dann wird auch dieses Team besser.“
Die an den Persischen Golf entsendeten Scouts großer Klubs werden sich nach dieser vierwöchigen Weltmeisterschaft viele Namen notiert haben. Ein Katarer wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlich nicht darunter sein, Verteidiger Boualem Khoukhi auf gar keinen Fall. Khoukhi schlug in der 41. Minute unbedrängt bei einem Klärungsversuch böse neben den Ball. Nutznießer Boulaye Dia schoss aus zwölf Metern zum 1:0 für Senegal ein.
Bei all der fehlenden spielerischen Qualität: Katar war auch nicht vom Glück verfolgt. Nach einem Zweikampf zwischen Akram
Afif und Ismaïla Sarr hätte man zweifelsohne auf den Elfmeterpunkt zeigen können. Schiedsrichter Antonio Mateu aus Spanien tat es nicht. Auch der VAR schritt zum wiederholten Mal bei dieser WM trotz konkreten Anlassfalls nicht ein. Auf Erklärungen der Fifa wartet man danach stets vergeblich.
Weitere Tore Senegals von Famara Diédhiou (48.) und Bamba Dieng (84.) beendeten Katars Illusion, bei diese WM eine Rolle zu spielen. Und doch verspürten die Fans des Gastgebers kurz so etwas wie Glücksgefühle. Und sie jubelten, wie Hamam es prophezeit hatte. Mohammed Muntaris Treffer (78.) war der erste Katars in der WM-Geschichte.