Casinos Austria, befreit von der Politik?
Der Niederländer Erwin van Lambaart leitet jetzt den teilstaatlichen Glücksspielkonzern. „Die Politik ist draußen“, sagt er. Hochpolitisch bleibt der Job dennoch.
Die wichtigsten Antrittsbesuche hat er schon absolviert. Erwin van Lambaart ist seit sieben Monaten Chef der Casinos Austria – und als Niederländer musste er zunächst einmal mit der österreichischen Realverfassung vertraut gemacht werden. Seine ersten Besuche führten ihn also zu Finanzminister Magnus Brunner, aber auch zu den Landeshauptleuten: Johanna Mikl-Leitner in Niederösterreich, Michael Ludwig in Wien, Peter Kaiser in Kärnten. In Innsbruck wurde Bürgermeister Georg Willi die Aufwartung gemacht. Die Stakeholder – so nennt man sie alle auf Neudeutsch, also jene, für die die Aktivitäten des Glücksspielkonzerns von Belang sind. Es ging ums erste Kennenlernen, es ging ums Abstecken der jeweiligen Bedürfnisse.
Ohne Politik geht also genau gar nichts, das war Lektion Numero
eins des neuen CasinosChefs. Obwohl die seinerzeitige Suche nach einem Nachfolger für Konzernchefin Bettina GlatzKremsner unter genau gegenteiligen Voraussetzungen erfolgt war: Nach all den politischen Skandalen (Stichwort: Peter Sidlo) und Querschüssen (Stichwort: Untersuchungsausschuss) sollte endlich Ruhe im Glücksspielkonzern einkehren. Der tschechische Mehrheitseigentümer Allwyn (einst Sazka) und die Staatsholding Öbag, die 33 Prozent an den Casinos Austria hält, legten großen Wert auf eine Person, die in keinem Naheverhältnis zur österreichischen Politik steht. Das ist nun also der 59-jährige Erwin van Lambaart, der zuletzt Chef von Holland Casino gewesen war.
Diese Woche stellte sich van Lambaart erstmals österreichischen Journalisten, und der neue Casinos-Chef wirkte dabei (noch) guter Dinge. Obwohl er vor gewaltigen wirtschaftlichen Herausforderungen steht. Und die politischen sind natürlich auch nicht ohne.
„Die Politik ist aus dem Unternehmen draußen“, sagt van Lambaart. Was auf die Führungsspitze durchaus zutrifft, im Vorstand sitzt neben ihm der Tscheche Martin Skopek. Berührungspunkte mit der Politik gibt es natürlich trotzdem: Zunächst einmal steht die geplante Novellierung des österreichischen
Glücksspielgesetzes an. Das war bereits Thema bei van Lambaarts Antrittsbesuchen, aber es tut sich nichts. Schon im Februar 2021 hatte es einen entsprechenden Ministerratsbeschluss gegeben, im vergangenen Jahr hätte das Gesetz auch schon in Begutachtung gehen und beschlossen werden sollen. Doch ein Jahr später ist davon immer noch keine Rede, die Regierungsparteien können sich nicht einigen. Dabei wären einige Vorhaben für die Casinos Austria durchaus essenziell: die Bekämpfung illegaler Glücksspielangebote etwa. Oder aber auch die Schaffung einer selbstständigen, weisungsfreien Glücksspielaufsicht.
Das Fehlen dieser Aufsicht wird schön langsam zu einem großen Problem, da im kommenden Jahr die Ausschreibung von
Glücksspiellizenzen ansteht. Ab 2027 laufen die Konzessionen für Lotterien, Online-Glücksspiel und dann auch für die zwölf terrestrischen Casinos aus – das sind zunächst die Spielstätten in Bregenz, Graz, Innsbruck, Linz, Salzburg und Wien. Drei Jahre später trifft das auch auf die Casinos in Baden, Zell am See, Kitzbühel, Kleinwalsertal, Seefeld und Velden zu.
Und da gab es diese Woche ein interessantes Statement von van Lambaart: „Wir werden uns für die Konzessionen aller Spielstätten bewerben.“Was insofern überraschend ist, als der tschechische Mehrheitseigentümer eher nicht so großes Interesse an den Spielstätten hat, eher an den Lotterien. Andererseits: Der österreichischen Landespolitik
ist die Erhaltung der Standorte immens wichtig, das wurde van Lambaart schon bei seinen Antrittsbesuchen beschieden. Und, ein weiteres Argument für den neuen Casinos-Chef: Die Aussicht, dass ein konkurrierendes Unternehmen da oder dort den Zuschlag bekommen könnte, ist wirtschaftlich auch nicht sonderlich erbauend. Da schon lieber selbst.
Wobei das wirtschaftliche Risiko durchaus gegeben ist: Wer den Zuschlag letztlich bekommt, hat dann auch die sogenannte Betriebspflicht. Und selbst wenn man zu einem späteren Zeitpunkt dann doch die betriebswirtschaftlichen Argumente auf seiner Seite hat und letztlich zusperren muss – das künftig eher mäßige Wohlwollen seitens des Konzessionsgebers ist einem sicher.
Augen zu und durch – und dranbleiben, so lautet also die Devise der Casinos Austria. Dabei laufen jene Spielstätten, die sich nicht in den Landeshauptstädten befinden, ohnehin nicht berauschend. Van Lambaart gibt sich diplomatisch. Die Frage, welche Casinos schwarze und welche rote Zahlen schreiben, beantwortet er so: „Im Moment macht uns keines Sorgen.“Und er hat offenbar seine politischen Hausaufgaben gemacht: „Jedes österreichische Bundesland hat seine eigene Identität“, sagt er, der Konzern werde seinen Beitrag leisten, österreichische Regionen auch touristisch attraktiver zu machen, immerhin seien Casinos so etwas wie ein „touristischer Magnet“. Die Landeshauptleute werden das gern hören. Auch seine Ankündigung, breites Sportsponsoring betreiben zu wollen, wird auf allgemeines Wohlwollen stoßen.
Und wie geht es den Casinos Austria so grundsätzlich? Über das zu Ende gehende Jahr möchte der neue Konzernchef keine Angaben machen, es hänge noch viel davon ab, wie der November und der Dezember laufen werden. Aber eines ist klar: Die im Laufe der Pandemie verloren gegangenen Besucher müssen erst zurückgeholt werden. Im jüngsten Geschäftsbericht des Konzerns, um den tunlichst nicht viel Aufhebens gemacht wurde, sprechen die Zahlen für sich: Die Bruttospielerträge in den österreichischen Casinos sanken im vergangenen Jahr gegenüber 2020 von 163 Millionen auf 135 Millionen Euro. Zum Vergleich: 2019, also vor Ausbruch der Pandemie, waren es 322 Millionen.
Lockdowns und gesetzliches Rauchverbot haben eben ihren Tribut gefordert. Und der Wiederaufbau wird wiederum die Casinos Austria fordern. Zumal im gut gehenden Onlinegeschäft mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit neue Zeiten anbrechen werden: Infolge der Ausschreibung der Onlinelizenzen wird es mit der alleinigen Lizenz für die Casinos Austria wohl vorbei sein.
Und dann gibt es auch noch das Personalproblem. Van Lambaart spricht von 120 bis 130 offenen Stellen. Das vorjährige, von den Tschechen initiierte Sparprogramm „Refit“brachte Einsparungen in Höhe von 50 Millionen Euro, vornehmlich durch einen Personalabbau von vorher 3315 Mitarbeitern auf 2862 Mitarbeiter. Personell sei aber der Bogen keinesfalls überspannt worden, betont van Lambaart, „Refit war notwendig und wichtig“.
Clever ist er also auch.