In der Hölle ist es bitterkalt
Man kann die Praxis der Wärmestuben gar nicht genug loben.
Ganz unten verrichten die Heizer ihren Dienst.
Temperaturen werden ungemein subjektiv empfunden. Das ist auch bei den Nutzern all der Säle und Kammern im „Gegengift“so. Die Kinogeherin fröstelt im Videosaal bei „La tenda rossa“, wenn die Klimaanlage im Hochsommer den Raum auf 25 Grad Celsius runtergekühlt hat. Der Leser in der Literaturstube reißt mitten im Winter das Fenster auf, weil ihm die mittels Elektroofen erzeugten 21 Grad bei der Lektüre von „The English Patient“zu heiß sind.
Er ist die Ausnahme. Bei uns scheint die Angst vor der Kälte weiter verbreitet zu sein als die Hitzetodphobie. Selbst der Klimawandel hat bisher nichts Wesentliches daran geändert. Wahrscheinlich hat Dante recht. In der „Commedia“steigt dieser Dichter mit Vergil ins Inferno hinab. Dort landen sie schließlich im Neunten Kreis, bei den Verrätern auf einem gefrorenen See. In der Hölle ist es bitterkalt: „Die Donau in Österreich breitet im Winter kein so dichtes Tuch über ihren Lauf, auch nicht der Don, fern unter dem kalten Himmel . . .“Das Zähneklappern beginnt. Mittendrin steckt der Teufel.
Wie tröstlich ist es, dass jene Kirchen, die vor den Schrecken des Eises und der Finsternis warnen, auch die Tradition der Wärmestube pflegen. Seit dem Mittelalter gibt es in Klöstern beheizbare Räume, die Schutz vor der Kälte bieten. Nicht nur für das geistliche Personal, sondern vor allem auch für Bedürftige und Obdachlose bietet das Calefactorium Zuflucht. Die Heizer, in der Hierarchie und an ihrem Arbeitsplatz ganz unten angesiedelt, haben für das Wohl der Christenheit wahrscheinlich mehr getan als mancher Erz-Abt oder Papst.
Der Dienst des Kalfakters gewinnt in Krisenzeiten an Bedeutung. Wärmestuben sind auch heute wieder vielerorts überlebensnotwendig, nicht nur in der Ukraine. Sie sind ein Zeichen gegen die Herzenskälte. Eigentlich sollte jedermann auf seine Art bereit sein, notfalls auch einmal als Heizer zu helfen.