Bei Brian Eno geht die Welt ohne Hysterie unter
Ambient-Musikgenie Brian Eno thematisiert in „Foreverandevernomore“die ökologische Apokalypse.
Dass Holzasche als Dünger gut ist, wissen Gärtner. Dass sie auch als Keim für ein nachdenkliches Popalbum dienen kann, wissen wir spätestens jetzt. Brian Eno hat im August 2021 ein Open-Air-Konzert nahe der Akropolis gegeben. Da flogen ihm Ascheflankerln der zehn Kilometer weiter tobenden Waldbrände auf Tastatur und Gesicht. Der Klimawandel kam seiner Musik, die nur oberflächlich betrachtet ereignislos ist, gefährlich nah. Die Gedanken, die diese Nahbranderfahrung ausgelöst hat, hat Eno auf „Foreverandevernomore“(Opal) in zehn formschöne Songs einfließen lassen, die wie gewohnt unter ihrer kühlen Oberfläche glühen.
„Here we are at the birthplace of civilisation, watching the end of it“, sagte sich der auch schon 74-jährige Popmusikavantgardist, der zu Beginn seiner Karriere Roxy Music eine entscheidende Würze verlieh, später das Genre Ambient mitkonstruierte. Das erste Lied, „Who Gives a Thought“, ist von stiller Anmutung, aber strikter Sozialkritik. Der Protagonist denkt zunächst an Glühwürmchen
und an unerforschte Fadenwürmer, ehe er jäh zur Arbeiterklasse wechselt. „The ones who dig and how, who weld and reap and sow, who braid and cut and grind, who split and join and wind. To serve the selfmade man.“Solch konkrete Bezugnahme auf Realität ist nicht ohne Vorläufer, die Vorstellung, dass Eno nur Klangtapete für Flughäfen kreiert hätte, völlig unpassend.
Auf seinen beiden letzten Gesangsalben hat er sich mit Terrorismus und Krieg befasst. Nun ist es die mentale Verfasstheit der vielleicht letzten Generation. Eno grübelt über den (in Erfüllung gegangenen) Traum dieses Fliegens nach: „Icarus or Blériot, who are we?“, fragt er. Werden wir in unserer Sehnsucht nach Gottgleichheit verglühen? Oder nüchtern agieren wie Louis Blériot, der 1909 als erster Mensch den Ärmelkanal in einem Flugzeug überquert hat? Eine pessimistische Antwort gibt die Zeile „Who were we?“. Markiert unsere Lust an der Technik unseren Untergang? Oder ist sie eine Hilfe im
Kampf gegen die ökologische Apokalypse? Die Instrumentierung der Stücke ist wunderbar reduziert. Da ein paar Gitarrenmotive von Leo Abrahams, dort ein bisschen Viola von Marina Moore. Roger Eno, der jüngere Bruder, spielt an einer Stelle Akkordeon.
Vogelgezwitscher und Bibelmetaphern
Sonst wachsen die musikalischen Motive, die aus Enos Synthesizern und Keyboards sprießen, fast so leise wie Pflanzen. „There Were Bells“beginnt mit Vogelgezwitscher und kosmischen Sounds. Das aurale Idyll hält nicht lang. Die Tragödie bricht mit biblischen Metaphern a` la Noahs Flut ein. „In the end, they all went the same way“, heißt es kryptisch. Die vom Menschen geschändete Natur wird detailliert beschrieben. „And the sky was shot with light and hazy blue. Early days of winter sun. All the days turned into one.“So eine treffliche – weil unhysterische – Weltuntergangsmusik hat es kaum noch gegeben.