Ein Blattmacher mit feinem Gespür und Meister des Ausgleichs
Thomas Chorherr wäre am Sonntag 90 Jahre alt geworden. Eine Würdigung des langjährigen früheren „Presse“-Chefs.
Wenn der Journalist Thomas Chorherr einen „runden“Geburtstag feierte, gab sich das offizielle Österreich ein Stelldichein. Schon bei seinem Fünfziger war das so, danach immer wieder. Denn die Republik ehrte nicht nur den „Presse“-Chefredakteur, sondern auch den Lehrbeauftragten, den Buchautor, den Vizepräsidenten der Concordia. Morgen, Sonntag, am 27. November, könnten wir den 90. Geburtstag Professor Chorherrs feiern.
Als „t. c.“1976 von Otto Schulmeister die „Presse“als führendes Organ der bürgerlichen Publizistik übernahm, hatte er schon 21 Jahre Redaktionsarbeit hinter sich. Er war ein logischer Nachfolger: humanistisch gebildet, sattelfest als Jurist, firm in fünf Sprachen, glühender rot-weiß-roter Patriot, aber auch ein liebender Bewunderer der USA, seit er mit einem Fulbright-Stipendium in den Fünfzigerjahren die Vereinigten Staaten ein Jahr lang bereisen durfte.
Heute liest man seine Leitartikel wie einen Anruf aus ferner Zeit: freundlich im Ton, sprachlich meisterhaft, respektvoll dem Andersdenkenden gegenüber, aber stets auf einem festen christlichen Wertegerüst stehend und argumentierend.
Sein erster Berufswunsch war Diplomat
Was seine Redaktion an ihm bewunderte? Es waren seine Qualitäten als Blattmacher, ausgestattet mit der feinen Nase für eine „Gschicht“, aber auch die Unerschütterlichkeit – bei aller Freundlichkeit –, wenn es um Beschwerden über „seine“Redakteure ging. Seine Reisereportagen waren vom Feinsten – eine Kunst, die man kaum erlernen kann: weit weg vom Hotelpool und -buffet und vielmehr Schilderungen der gesellschaftlichen Zustände sowie politische Gespräche mit führenden Persönlichkeiten. Schließlich war „Diplomat“sein erster Berufswunsch nach der Matura. Und Diplomatie benötigte er, der längstdienende Chef dieses Blattes, auch in seiner Redaktion.
Denn wie gleicht man in einem sehr selbstbewussten Team Differenzen aus, die täglich in der Hektik des Zeitungsmachens auftreten? Mit einem Trick. Mit einer großzügigen Sitzgruppe neben seinem Schreibtisch. In diese durfte sich jedermann hineinfallen lassen, wenn die Abendausgabe der Zeitung erledigt war. Milch gab es nicht, Kakao auch nicht. Und all der Stress fiel ab, spätestens bei der „ZiB“war man wieder Freund untereinander.
Diesen Ausgleich zu meistern und in einem Klima der Fröhlichkeit tagtäglich eine hervorragende Zeitung zustande zu bringen – das dankt diesem großen Publizisten eine ganze Generation von „Presse“-Redaktionsmitgliedern.