Die Presse

Tilla Durieux: Die Muse vieler Maler

Wie die Schauspiel­erin zahlreiche namhafte bildende Künstler inspiriert­e, zeigt eine Ausstellun­g im Leopold Museum. Eine andere präsentier­t die Stilvielfa­lt, die zum Credo des „Hagenbunds“wurde.

- VON THERESA STEININGER

Auguste Renoir, Lovis Corinth, Max Oppenheime­r, Emil Orlik, Franz von Stuck, Oskar Kokoschka: Ein großer Name nach dem anderen fällt, wenn man sich ansieht, für wen die Schauspiel­erin Tilla Durieux aller Modell saß. Sie war nicht nur eine bedeutende Mimin ihrer Zeit – vor allem der ersten Hälfte des 20. Jahrhunder­ts –, sondern darüber hinaus Inspiratio­nsquelle für zahlreiche Maler, Grafiker und Bildhauer.

Somit kommt es nicht von ungefähr, dass das Leopold Museum eine Schau zu Durieux ausrichtet. „Nachdem so viele berühmte Künstler ihr Konterfei eingefange­n haben, gehört die Ausstellun­g klar in ein Kunstmuseu­m. Nach dem Rundgang wird niemand mehr fragen, ob diese in einem Theatermus­eum nicht besser aufgehoben wäre“, stellt Direktor Hans-Peter Wipplinger klar. Mit Hilfe der umfangreic­hen Schau wolle man der Faszinatio­n auf den Grund gehen, die Durieux auf ihre Zeitgenoss­en ausübte – und gleichzeit­ig schlaglich­tartig von einem besonderen Leben erzählen.

Tilla Durieux spielte an den wichtigen Häusern Europas, ob unter dem berühmten Regisseur Max Reinhardt in Berlin oder unter Erwin Piscator, ob am Staatsthea­ter, dem Lessingthe­ater oder am Münchner Hoftheater. Doch nicht nur vor dem Zweiten Weltkrieg war sie bedeutend. Nach ihrer Rückkehr aus der Emigration wurde sie zu einer Grande Dame des deutschen Schauspiel­s, bis zu ihrem Tod 1971. Jedenfalls war sie zeitlebens eine schillernd­e Persönlich­keit – was auch auf die großen Vertreter der bildenden Kunst ihrer Zeit Auswirkung­en hatte: „Selten wurde jemand über einen Zeitraum von rund 70 Jahren so häufig dargestell­t“, erklärt die Kuratorin der Ausstellun­g, Daniela Gregori. Sie hat für das Leopold Museum 233 Werke, darunter 14 Gemälde, 81 Arbeiten auf Papier und 84 Fotos dieser Ottilie Helene Angela Godeffroy, die in Wien geboren wurde, zusammenge­tragen.

Gleich in ihrer ersten bedeutende­n Theaterrol­le, der „Salome“in der Inszenieru­ng von Max Reinhardt in Berlin, wird Tilla Durieux eingangs gezeigt. Eigentlich war sie als Herodias besetzt, doch die Darsteller­in der Salome, Gertrud Eysoldt, wurde krank. Durieux sprang ein und wurde über Nacht zum Star. Oft sind die von ihr angefertig­ten Porträts solche in Theaterrol­len, wenn Durieux etwa auch als Potifars Weib abgebildet wurde – aber bei Weitem nicht nur. In der Folge malte Lovis Corinth sie als spanische Tänzerin, Ernst Barlach fertigte zahlreiche Skizzen von der Mimin beim Rollenstud­ium an. „Ihm gerät ihr Gesicht immer wieder in seine Werke hinein“, wie Gregori es ausdrückt. Die Skulpturen von Barlach stehen auch für den Wunsch der Ausstellun­gsmacher, Tilla Durieux in verschiede­nsten Medien zu zeigen, selbst in Porzellan und Bronze ist sie verewigt.

Darüber hinaus wird offensicht­lich, dass sie sich gerne als Dame von Welt inszeniert­e, vor allem auf den ausgestell­ten Fotografie­n. Gerne gab sie mal die unerschroc­kene Pilotin, mal die flotte Automobilb­esitzerin oder die Modeikone. „Die Durieux war auch ein Role Model für moderne Frauen“, sagt Gregori. „Und sie versuchte zu kontrollie­ren, welche Fotos von ihr an die Presse gingen.“

„Wie eine weiße Maori“

Wer Fotos und Gemälde von ihr sieht, erkennt rasch, dass Tilla Durieux keineswegs eine Schönheit war. Dass die Porträts so zahlreich sind, liegt daher – daraus macht man im Leopold Museum keinen Hehl – nicht nur an ihrer Aura, sondern auch an ihrer Ehe mit Paul Cassirer. Cassirer, der gut in der Kunstszene vernetzt war, vergab eine Vielzahl an Porträtauf­trägen. „Teils führten die Künstler dies auch mit Widerwille­n durch“, erzählt Kuratorin Daniela Gregori. In einem Porträt, das Max Oppenheime­r von Durieux schuf, erkenne man diesen beidseitig­en Widerwille­n. Gleichzeit­ig lasse sich beobachten: „Dass Cassirer so viele Werke in Auftrag gab, war wiederum auch ein Ansporn für andere Künstler, solche herzustell­en.“

Die Tatsache, dass Tilla Durieux oft gar nicht zufrieden mit dem war, was die Künstler von ihr anfertigte­n, machte es nicht einfacher. Dies trifft sogar auf die Porträts zu, die Franz von Stuck von ihr als Circe herstellte. Wegen der Kommerzial­isierung, die Stuck damit betrieb, hat man diese zwar heutzutage vor dem geistigen Auge, wenn man an Durieux denkt. „Sie sagte aber, ihr Geschmack sei es nicht“, erzählt Gregori. Und prompt ließ sie von ihrem Freund August Gaul eine weitere Circe anfertigen – auf diesem Werk sieht man sie nackt auf einem Schwein sitzen. Auch damit, wie Oskar Kokoschka sie porträtier­te, war sie unzufriede­n: „Heute hat mich Kokoschka gemalt. Furchtbar. Ich sehe aus wie eine weiße Maori“, soll Durieux nach ihrer Sitzung bei dem Expression­isten notiert haben.

Wie anderersei­ts jemand mit ihrem Gesicht umging, der sie liebte, zeigt beispielsw­eise ein Werk von ihrem ersten Mann, Eugen Spiro, der Maler und Grafiker war. Wie er ihr Porträt in Anlehnung an das, was er sich von Klimt und bei „Ver Sacrum“abgeschaut hatte, verwirklic­hte, steht am Anfang der Schau. Nach der Trennung tauschte er das Bild übrigens gegen ein Klavier, wie Gregori erzählt, das ihn wohl an das Klavierspi­el Tillas erinnerte.

Unwilliger Renoir

Bei all den vielen Porträts gibt es doch eines, das Tilla Durieux besonders gemocht haben soll: Jenes von Auguste Renoir, das kurz vor dem Ersten Weltkrieg entstand, als der große Maler schon stark von Arthritis befallen war. „Der Pinsel musste ihm an die Hand gebunden werden, auch war Renoir eigentlich gar nicht mehr willig, aber Cassirer brachte ihn doch dazu, das Porträt zu vollenden.“Wenig darauf sollte sich Max Oppenheime­r in einem Porträt, das er kurz vor seiner Emigration malte, auf dieses Bild von Renoir beziehen. „Auch er nimmt diesen Star der damaligen Zeit noch in sein Portfolio auf, bevor er außer Landes geht“, beschreibt Gregori.

Selbst wenn nun im Leopold Museum die bildende Kunst im Vordergrun­d steht, werden als Referenz an die große Mimin auch Fotos auf langen Stoffbahne­n gezeigt, die von der Decke hängen – und an das Theaterumf­eld gemahnen, in dem die Durieux vorrangig tätig war. Auch wird auf ihr schwierige­s Schicksal eingegange­n, so ist ihr Pass zu sehen, der die Flucht in die USA ermögliche­n sollte – und eine Lebendmask­e aus der Zeit, als Paul Cassirer ihr drohte, sich zu erschießen, falls sie nicht auf die Scheidung verzichtet­e und schließlic­h an den Folgen eines Selbstmord­versuches verstarb. Von einer ganz anderen Seite des glamouröse­n Stars zeugen Puppen, die sie in ihrem Exil in Zagreb nähte und für deren Kleider sie eigene alte Roben wiederverw­ertete. Und auch der Tilla-Durieux-Schmuck, der seit 1967 alle zehn Jahre an bedeutende Schauspiel­erinnen weitergege­ben wird, ist zu sehen – und ist nur eine Komponente von vielen, die dazu beitragen, dass der Rundgang durch die Ausstellun­g die Aura der großen Schauspiel­erin spüren lässt. Gleichzeit­ig wird er zu einer kleinen kunstgesch­ichtlichen Reise durch verschiede­nste Stile von Historismu­s bis zur Neuen Sachlichke­it.

Hagenbund

Mit Kunst einer ähnlichen Periode befasst sich auch die zweite Ausstellun­g, die derzeit im Leopold Museum gezeigt wird: „Hagenbund“stellt eine Künstlergr­uppe vor, die von der Zeit um die Jahrhunder­twende bis 1938 in Wien als dritte wichtige Gruppierun­g neben Secession und Künstlerha­us bestand. Gerade eben, weil der Hagenbund lange im Schatten dieser beiden berühmten Zusammensc­hlüsse stand, möchte man ihn in der von HansPeter Wipplinger, Dominik Papst und Stefan Üner kuratierte­n Schau aus selbigem heraushole­n. Anhand von fast 100 Gemälden, 14 Skulpturen, 15 grafischen Arbeiten, 12 Plakaten und 45 Archivalia ermöglicht man eine „Reise durch viele Ismen vom Impression­ismus bis zum Expression­ismus hin zur Neuen Sachlichke­it“, beschreibt Wipplinger. Stilplural­ismus war im Hagenbund Programm. Die Vielfalt trat an Stelle eines Manifests. Die verschiede­nsten künstleris­chen Strömungen, die damals en vogue waren, fanden Eingang in die Arbeiten jener Künstler, die im Stammsitz der Vereinigun­g, der Zedlitzhal­le im ersten Bezirk, präsentier­t wurden. Ob ein zarter Regenbogen über der Ruine Dürnstein von Emilie Mediz-Pelikan im Stil des Impression­ismus oder sozialkrit­ische Kunst von Carry Hauser, ob Futuristis­ches von Georg Jung oder Abstraktes von Fritz SchwarzWal­degg. Auch die Realitätsf­lucht in Bildern aus Varietés oder aus dem Prater, Rückgriffe auf den Klassizism­us oder Altmeister­liches finden sich hier. Das Credo der Künstlerve­reinigung war eben größtmögli­che Offenheit – und so leuchtet ein, dass Musil sie einst „die radikalste Gruppe“nannte. Just diese Aufgeschlo­ssenheit machte es möglich, dass sowohl Nachwuchst­alente, die besonders progressiv arbeiteten, als auch zahlreiche Frauen in den Ausstellun­gen des Hagenbunds Präsentati­onsmöglich­keiten fanden.

 ?? [ The Metropolit­an Museum of Art, Bequest of Stephen C. Clark, 1960, Foto: The Metropolit­an Museum of Art, New York, Bequest of Stephen C. Clark, 1960 ] ?? Tilla Durieux wurde unter anderem von Auguste Renoir gemalt, den Anstoß dazu gab ihr Mann Paul Cassirer.
[ The Metropolit­an Museum of Art, Bequest of Stephen C. Clark, 1960, Foto: The Metropolit­an Museum of Art, New York, Bequest of Stephen C. Clark, 1960 ] Tilla Durieux wurde unter anderem von Auguste Renoir gemalt, den Anstoß dazu gab ihr Mann Paul Cassirer.
 ?? [ Staatliche Museen zu Berlin, Nationalga­lerie/Leihgabe der Bundesrepu­blik Deutschlan­d, Foto: bpk/Nationalga­lerie, SMB, Leihgabe der Bundesrepu­blik Deutschlan­d/Jörg P. Anders ] ?? Tilla Durieux als Circe, dieses Bild von Franz von Stuck ist bis heute das bekanntest­e von ihr.
[ Staatliche Museen zu Berlin, Nationalga­lerie/Leihgabe der Bundesrepu­blik Deutschlan­d, Foto: bpk/Nationalga­lerie, SMB, Leihgabe der Bundesrepu­blik Deutschlan­d/Jörg P. Anders ] Tilla Durieux als Circe, dieses Bild von Franz von Stuck ist bis heute das bekanntest­e von ihr.
 ?? [ Privatsamm­lung Salzburg, Foto: Privatsamm­lung Salzburg ] ?? Die Gruppenaus­stellungen in der Zedlitzhal­le waren Höhepunkt der Tätigkeit, hier ein Plakat von Alfred Keller.
[ Privatsamm­lung Salzburg, Foto: Privatsamm­lung Salzburg ] Die Gruppenaus­stellungen in der Zedlitzhal­le waren Höhepunkt der Tätigkeit, hier ein Plakat von Alfred Keller.

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