„Slibowitz zum Amtsgebrauch“
Die Wienbibliothek zeigt Stücke aus dem Nachlass Lotte Tobischs. Und auch Harald Klauhs widmet sich der Biografie der Grande Dame.
Die untergebene Stelle Opernballbüro“, schrieb Lotte Tobisch an den Leiter der Gebäudeverwaltung der Bundestheater, ersuche um Genehmigung zur Unterbringung „folgender Gegenstände“. Was folgte, war eine Liste, die von der Kaffeemaschine bis zum „zukünftigen Eiskasten zur Kundenbewirtung“reichte. Dazwischen fanden sich – nebst anderem:
„1 Geschirrtuch und zwei Seifen (privat) zusätzlich zu den drei amtlich bestätigten“
„1 Flasche Cognac, zwei Flaschen Slibowitz zum Amtsgebrauch für hochrangige Personen“
„1 Johann Strauss Figur (Miniatur) aus Edelplastik mit zwei Tanzfigurinen (Gips)“
„1 Privatfernseher zur Besichtigung von Staatsbegräbnissen und Papstbesuchen“oder auch
„1 Naturpalme (Rauchpalme), die ausschließlich nur im Opernballbüroklima gedeihen kann, äußerst seltenes Exemplar, erhaltungswürdig“.
Der Scherzbrief, geschrieben drei Jahre nach Übernahme des Opernballs 1980, ist ein schönes Beispiel für Lotte Tobischs Schalkhaftigkeit – und für die Mischung aus Ernstnehmen und Nichternstnehmen, mit der sie das gesellschaftliche Ereignis 15 Jahre lang gestalten sollte. Der Brief zählt zu den zahlreichen Schriften und Objekte, die die 2019 Verstorbene der Wienbibliothek vermacht hat – und die ab kommender Woche in einer Ausstellung im Wiener Rathaus zu sehen sind.
Es ist nur ein Teil ihres Nachlasses, wohlgemerkt: Sie selbst legte in ihrem Testament noch zu Lebzeiten fest, was für die öffentliche Aufbewahrung bestimmt sei (und was nicht.) Umfasst sind jedenfalls ihre Korrespondenz mit dem Philosophen Theodor W. Adorno, aber auch Korrespondenz und Manuskripte ihres Lebensmenschen, des 1960 verstorbenen Burgtheater-Dramaturgen Erhard Buschbeck, der wiederum ein enger Vertrauter Rilkes war.
Harald Klauhs, langjähriger „Presse“-Spectrum-Redakteur, wusste davon noch nichts, als er seinerseits seinem Verlag den Vorschlag zur ersten umfassenden Tobisch-Biografie unterbreitete (eine frühere war eher anekdotisch, vieles darin unüberprüft). Klauhs hatte zuvor den Lebensweg des Theologen Adolf Holl nachgezeichnet und hatte über ihn auch Tobisch kennengelernt. Der Residenz-Verlag zeigte sich aufgeschlossen – allerdings mit dem Hinweis, dass es die Ausstellung der Wienbibliothek geben werde, samt zugehöriger Publikation im (gleichen) Verlag. Wenn er das Buch schreiben wolle, müsse es zeitgleich fertig sein.
Charme und Courage
So kommt es, dass am Dienstag gleich zwei neue Bücher zu jener Dame präsentiert werden, die bis heute vielen als „Inbegriff des geistreichen Charmes“gilt, „der unprätentiösen Eleganz und beherzten Courage“. Der öffentlichkeitswirksame Opernball (Tobisch selbst war gemeinsam mit ihrer Mutter nicht nur bei der Wiedereröffnung der Staatsoper am 5. November 1955 zugegen, sondern auch beim ersten
Opernball der Nachkriegszeit im darauffolgenden Jahr) spielt da wie dort nur eine untergeordnete Rolle.
Tatsächlich ist Tobischs unkonventionelle Lebensgeschichte auch eine des 20. Jahrhunderts (und auch eine des Burgtheaters), in der es immer wieder „Nuancen zu entdecken gibt, die uns vorher nicht klar waren“, so die beiden Kuratorinnen Tanja Gausterer und Kyra Waldner. Über den 37 Jahre älteren Buschbeck („Wer kann schon von sich behaupten, zwölf Jahre glücklich gewesen zu sein?“, sagt Tobisch über die Zeit mit ihm) tauchte sie ein in die Welt der Wiener Moderne – zu der wiederum Adorno über sie Zugang fand. Wie ungezwungen sie sich mit ihm austauschte, zeigt ihre Antwort auf eine (unleserliche) Postkarte von ihm: „Ich habe viele Tage Lektüre durch sie gehabt: Bin mir vorgekommen wie ein alter, weiser Ägyptologe, der, mit Hilfe von einem großen Vergrößerungsglas, kostbare Hieroglyphen entziffert!“
Die Ausstellung selbst zitiert in ihrer Gestaltung Tobischs Liebe zur Privatsphäre und führt in pastellfarbenen Stationen (ihre „Lieblingsfarbe“, wie sie einmal behauptete) wie durch die Zimmer einer Wohnung: Es geht um Herkunftsfamilie und Schauspielerei, intellektuellen Austausch, ihre Tätigkeit als Betriebsrätin, um Opernball und karitatives Engagement. Zur Präsentation gibt es Schinkenfleckerln – nach Tobischs legendärem Rezept.