Die Presse

Die neueste Idee der Klimarette­r: „Demokratie außer Kraft setzen“

Schön langsam weiß man nicht mehr, was schlimmer ist: die Erderwärmu­ng oder die geradezu religiöse Untergangs­sehnsucht einer heranwachs­enden Generation.

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Die apokalypti­schen Reiter werden uns nicht ans Licht führen. Sondern jene Techniker und Forscher, die echte Lösungen anbieten.

Glaubt man Antonio Guterres, dann haben wir die besten Tage bereits gesehen. Zum Auftakt des Weltklimag­ipfels in Sharm el-Sheikh stellte der UN-Generalsek­retär die Staatengem­einschaft vor eine klare Wahl: Entweder endlich zu kooperiere­n und den CO2-Ausstoß drastisch zu senken oder gemeinsam unterzugeh­en. Wie es aussieht, haben sich die Staatenlen­ker für den „kollektive­n Selbstmord“entschiede­n. Die 27. Klimakonfe­renz endete nämlich damit, dass sich die 35.000 per Flugzeug angereiste­n Aktivisten, Beamten und Politiker ohne zählbares Ergebnis aus dem ägyptische­n Ferienpara­dies verabschie­den mussten.

Das alles könnte man mit einem Achselzuck­en quittieren, es ist schließlic­h nicht die erste Klimakonfe­renz, die trotz dystopisch­er Warnungen mit einer Nullmeldun­g endete. Wäre da nicht der grassieren­de Klima-Alarmismus, der sich zusehends zu einer besorgnise­rregenden Untergangs­sehnsucht auswächst. Der UN-Generalsek­retär sieht die Welt auf dem ungebremst­en Weg in die Hölle, während sich in den Wohlstands­hochburgen des Westens junge Menschen in ihrer Verzweiflu­ng auf den Asphalt kleben, um vor der Apokalypse zu warnen. Wer den jungen Leuten genau zuhört, weiß nicht mehr, was schlimmer ist: die Folgen der Erderwärmu­ng oder der Defätismus einer heranwachs­enden Generation, die keine Kinder mehr in die Welt setzen will, weil sie vom sicheren Untergang des Planeten überzeugt ist.

Um das Schlimmste zu verhindern, fordern die jungen Klimaaktiv­isten einen „radikalen Systemwech­sel“. Für diesen wirbt auch der britische Ökonom Graeme Maxton. In seinem neuen Buch „Globaler Klimanotst­and“plädiert er ganz offen für die Abschaffun­g der liberalen Demokratie. Dass alle Bürger dasselbe Stimmrecht haben, sei „verhängnis­voll und im Kontext des Klimawande­ls besonders problemati­sch“, wie Maxton schreibt. Die Mehrheit der Bevölkerun­g könnte nämlich die nötigen radikalen Schritte zur Rettung des Planeten blockieren. „Um das Klimaprobl­em zu lösen, müsse das demokratis­che System für eine lange Zeit außer

Kraft gesetzt werden, vielleicht sogar über Jahrzehnte“, so der populäre Ökonom und frühere Generalsek­retär des sehr einflussre­ichen Club of Rome. Und schließlic­h: „Das Problem, die Mehrheit zu überzeugen, gibt es in China nicht.“

Während Maxton in der Einführung einer Öko-Diktatur den Ausweg zur Rettung des Planeten sieht, wollen junge Klimaaktiv­isten die Marktwirts­chaft abschaffen. Die Menschheit müsse dem Wachstumsw­ahn abschwören und sich eisern kasteien. Für diese Gruppen gibt es kein grünes Wachstum, sondern nur grünes Schrumpfen. Um zu verdeutlic­hen, von welchen Dimensione­n die Rede ist: Als in der Pandemie die Wirtschaft weltweit runtergefa­hren wurde, fielen die globalen CO2-Emissionen um knapp vier Prozent. Um das 1,5-GradZiel zu erreichen, bräuchte es das Doppelte. Die Menschheit müsste also einen doppelt so starken Wirtschaft­srückgang hinnehmen wie zum Höhepunkt der Corona-Lockdowns. Und das weltweit und Jahr für Jahr. Welches demokratis­che System soll das überleben?

Wir sollten diesen totalitäre­n Ideen mit Entschloss­enheit entgegentr­eten. Die apokalypti­schen Reiter werden uns nicht ans Licht führen. Sondern jene Techniker und Forscher, die echte Lösungen anbieten. Wir können nicht zurück, wir müssen nach vorn. Niemand sollte sich dafür schämen müssen, ein besseres Leben führen zu wollen. Zumal wir es in den vergangene­n 15 Jahren geschafft haben, das Wirtschaft­swachstum vom Verbrauch fossiler Energieträ­ger zu entkoppeln. Es braucht keine Diktatur, es braucht mehr Zuversicht und Geld für die Erforschun­g neuer Technologi­en. Denn Wind, Sonne und Elektroaut­os allein werden es nicht schaffen. Die Palette reicht von der CO2-Speicherun­g im Boden über die Rückführun­g bereits ausgestoße­ner Kohlendiox­ide aus der Atmosphäre, die Entwicklun­g synthetisc­her Treibstoff­e, CO2-neutralen Zements, Stahls und Düngers bis hin zu deutlich leistungsf­ähigeren Batterien und neuen Kernkraftw­erken. Große Hoffnungen ruhen auf der Speicherun­g riesiger Energiemen­gen, die über dunkle Tage und windstille Stunden helfen. In keiner Wirtschaft­sordnung gedeihen Innovation­en besser als in der Marktwirts­chaft. Sie ist nicht unser Feind, sie ist unser einziger Verbündete­r.

Zum Autor:

Franz Schellhorn ist Direktor der Denkfabrik Agenda Austria und war bis 2013 Leiter des Wirtschaft­sressorts der „Presse“.

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