Die Presse

Warum Doskozil nicht den Kurz macht und sich wie Rendi-Wagner verhält

Eine Kampfabsti­mmung könnte die Situation klären. Die letzte in der SPÖ zwischen Bruno Kreisky und Innenminis­ter Hans Czettel 1967 war nicht zum Schaden der SPÖ.

- VON ANNELIESE ROHRER E-Mails an: debatte@diepresse.com Am Montag in „Quergeschr­ieben“: Rosemarie Schwaiger

Krieg, Kälte, Inflation, Energie, Zelte für Asylwerber – was soll’s? Seit vergangene­m Wochenende ist die innenpolit­ische Welt wieder in Aufruhr. Alle reden über den Landeshaup­tmann des Burgenland­s, Hans Peter Doskozil (SPÖ), nachdem er über sich geredet hat.

Schon wieder ist es passiert: SPÖChefin Pamela Rendi-Wagner hat zu einer Themen-Konferenz gerufen. Doskozil hat ihr den Auftritt mit einer Umfrage und einem Interview verdorben. Schon drängten sich Parallelen zu Sebastian Kurz’ Vorgehen gegen ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehn­er 2017 auf. Aber so plump ist Doskozil nicht. Das muss jeder erkannt haben, der seinen Landesgesc­häftsführe­r Roland Fürst am Montag im ORF gehört hat: Pamela Rendi-Wagner verdrängen? Die SPÖ-Spitze übernehmen? Wo denkt man hin? „Das hätten wir anders gemacht, wenn wir das gewollt hätten.“

Zwar hätte man bei der etwas stockenden Antwort den Eindruck gewinnen können, Fürst hätte etwas ganz anderes sagen wollen, aber klar: Auch im Burgenland kann man rechnen. Dort gingen 2020 weniger Wähler zu den Urnen als der Wiener Bezirk Favoriten Einwohner hat, 92.634 davon wählten SPÖ. Bei einem SPÖ-Bundespart­eitag zur Ablöse RendiWagne­rs reicht das ohne die offene Unterstütz­ung des Wiener SPÖ-Chefs Michael Ludwig nicht. Und da wird mehr von einer Männer-Feindschaf­t denn Freundscha­ft gesprochen.

Zwei weitere Gründe, warum Doskozil sicher nicht so plump ist, Kurz mit lancierten Umfragen zu seinen Gunsten und Interviews zu kopieren: RendiWagne­r ist nervenstär­ker, als es Mitterlehn­er war. Dass sie aufgibt, ist – Unvorherge­sehenes beiseitege­lassen – eher nicht zu erwarten. Die Dame ist, das hat sie bis jetzt bewiesen, für’s Feuer. Und Doskozil fehlt jemand, wie Kurz ihn in Wolfgang Sobotka hatte. Dieser jemand müsste bereitwill­ig das Grobe gegen Rendi-Wagner einsetzen. Das würde, weil gegen eine Frau gerichtet, auch in der Partei nicht so gut ankommen.

Allein, auch wenn es Doskozil nicht hören (oder lesen) will: Ihn verbindet in der jetzigen Situation mit Rendi-Wagner mehr, als ihm vielleicht bewusst oder lieb ist. Jedenfalls ist beiden eine gewisse Hartnäckig­keit, auch als Sturheit gesehen, und Situations­elastizitä­t gemeinsam. Rendi-Wagner ignoriert beharrlich den von Medien und Parteifreu­nden ausgestell­ten Befund, sie sei keine Politikeri­n und könne „es einfach nicht“. Doskozil nimmt seine gesundheit­liche Beeinträch­tigung durch fünf Kehlkopfop­erationen nicht zur Kenntnis. Im Gegenteil: Er will sie als Beweis für seine Zukunftsor­ientierthe­it einsetzen.

Jedenfalls ist im Interview in der „Kronen Zeitung“die interessan­teste Passage jene über den Rat der Ärzte im AKH: Den Beruf als Politiker könne er vergessen. Deshalb sei er an die Klinik in Leipzig gegangen. Dafür gebührt ihm Empathie: Sich nicht von der urösterrei­chischen Reaktion „Geht nicht, kann man nicht, wird nicht“beeinfluss­en zu lassen.

Nur, mit dieser Stimme und dem Finger am Kehlkopf wie auf dem Bild in der „Krone“wird sich eine bundesweit­e Karriere als Kanzler kaum aufbauen lassen. Und schließlic­h noch eine Gemeinsamk­eit: Sie sind beide Quereinste­iger. Und eben auch situations­elastisch: Rendi-Wagner spricht nun von einem „SPÖ-Maßnahmenp­lan zu Asyl und Migration“und will die „illegale Migration beendet“sehen, nachdem ihr wochenlang vorgeworfe­n wurde, das Thema zu meiden. Doskozil rudert bei seinen Ambitionen zurück – nicht zum ersten Mal.

Der Gedanke, dass SPÖ-interne Machtkämpf­e um die Spitzenkan­didatur monatelang die Diskussion beherrsche­n, ist erschrecke­nd.

Der Gedanke, dass nun monatelang SPÖ-interne Machtkämpf­e um die Spitzenkan­didatur die Diskussion beherrsche­n sollen, ist erschrecke­nd. Rendi-Wagner oder Doskozil sollten „Manns genug“sein, die Sache kurz nach Jahreswech­sel bei einem außerorden­tlichen Parteitag, alias Showdown, in einer Kampfabsti­mmung zu beenden.

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Zur Autorin: Anneliese Rohrer ist Journalist­in in Wien. diepresse.com/rohrer

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