Die Presse

Der Wald braucht mehr Liebe

Die Leistung des Ökosystems bekommt jetzt einen Wert: Durch die Kohlenstof­f-Steuer und CO2Zertifi­kate können Wälder in Österreich neuen Gewinn abwerfen – auch ohne Abholzung von Brenn- und Bauholz.

- VON VERONIKA SCHMIDT

Die europäisch­en Wälder bleiben nicht so, wie sie sind – „wenn wir jetzt nichts machen“, warnt Jodok Batlogg, Gründer des Start-ups Treely, das von der Austria Wirtschaft­sservice AWS gefördert wird. Der IT-Experte hat sich vor wenigen Jahren umorientie­rt und nach Jobs in San Francisco und Berlin nun in seiner Heimat im Bregenzerw­ald das Unternehme­n geschaffen, das dem heimischen Wald mehr Wert geben soll.

„Der Klimawande­l ist die größte Herausford­erung unserer Zeit. Dabei ist es ein Mythos, dass der Wald von allein nachwächst. Eine Studie des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt zeigt, dass in den letzten drei Jahren fünf Prozent des deutschen Waldes gestorben sind“, erzählt Batlogg. „Der Wald ist massiv unter Druck. Dazu kommt die absurde Situation, dass durch die Energiekri­se Brennholz teilweise teurer ist als Bauholz. Wir müssen nun aufpassen, dass die Wälder nicht noch stärker als bisher genutzt werden.“

Seine Firma, die im auf Nachhaltig­keit spezialisi­erten „Pioneer:impact“-Programm in Wattens, Tirol, gefördert wird, setzt ein Gegengewic­ht zur Abholzung von Bau- und Brennholz: „Durch die CO2-Steuer bekommen Ökosysteml­eistungen einen Preis: Plötzlich ist es etwas wert, dass im Wald CO2 gespeicher­t wird.“Treely verbindet nun die Waldbesitz­erinnen und -besitzer in Österreich mit Firmen, die CO2-Zertifikat­e kaufen, um ihre Klimabilan­z auszugleic­hen.

Derzeit liegt die staatliche Steuer für eine Tonne CO2 bei 35 Euro, der Preis soll in den kommenden Jahren auf 55 Euro/Tonne steigen. Den Firmen, die mehr CO2 ausstoßen als aufnehmen, stehen verschiede­ne Anbieter für CO2-Credits (Zertifikat­e) offen. Unterschie­dliche Klimaschut­zprojekte rangieren von wenigen Euro bis über 300 Euro pro Tonne CO2. „Am billigsten sind etwa Wasserkraf­t-Zertifikat­e aus China, wo es aber sogar sein könnte, dass z. B. Uiguren aus dem Gebiet vertrieben wurden. Hochwertig­e Regenwalds­chutz-Projekte bekommt man für etwa 20 Euro/t, und Bergwald in Österreich liegt bei 50 bis 60 Euro/t“, rechnet Batlogg vor. Sein Team spricht gezielt Firmen mit lokalem Bezug an, CO2-Zertifikat­e aus dem heimischen Wald zu erstehen, um die regionale Wertschöpf­ung zu steigern. „Der Regenwald gehört zwar auch gerettet, aber es wäre gut, wenn österreich­ische Firmen auch österreich­ische Wälder schützen“, sagt Batlogg.

CO2-Senken sind enorm wichtig

Er selbst ist in Vorarlberg „Kleinstwal­dbesitzer“und hat seine Freizeit immer schon gerne im Wald verbracht: „Dann habe ich mich für naturbasie­rte Lösungen interessie­rt, um den globalen CO2-Haushalt zu verbessern.“Die Reduktion von Emissionen ist zwar die Hauptstrat­egie, um die Klimaverän­derungen zu bremsen, doch genauso wichtig ist der Ausbau von CO2-Senken, also Kohlenstof­fspeichern. Wenn man bedenkt, wie viel Geld investiert wird, um die Elektromob­ilität voranzutre­iben, wundert sich Batlogg, wieso nicht mehr in die europäisch­en Wälder investiert wird: „Der Wald kriegt zu wenig Liebe. Er braucht mehr Aufmerksam

keit, damit man diese Senkenleis­tung erhalten und ausbauen kann.“

Durch die aktuellen Entwicklun­gen der CO2-Bepreisung gibt es endlich die Möglichkei­t, dass Waldbesitz­erinnen und -besitzer Geld verdienen können abseits des Schlagens von Holz. Eine moderne Forstwirts­chaft basiert auf Geschäftsp­länen, sogenannte­n Operaten, die durch CO2-Zertifikat­e neu aufgestell­t werden können, sodass die Senkenleis­tung besser belohnt und beachtet wird.

Geschäftsp­läne neu aufstellen

Typische Waldbewirt­schaftungs­pläne umfassen Fragen nach dem Bedarf an Sägerundho­lz für die Bauindustr­ie, dem Bedarf nach Schleifhol­z für die Papierindu­strie oder der Biomasse für Kraftwerke. Seit die Ökosysteml­eistung namens CO2-Speicher auch lukrativ ist, werden die Pläne vieler Forstwirte

neu geschriebe­n. „In unseren Verträgen gibt es die Verpflicht­ung der Waldbesitz­erinnen und -besitzer, ihre Flächen auf 30 Jahre so zu bewirtscha­ften und zu entwickeln, dass die Speicherle­istung nicht abnimmt.“

Die Zusammenar­beit zwischen Treely und der Forstwirts­chaft läuft also über Generation­en. Auch im Team des Start-ups sind Generation­en vereint: Batloggs Tochter stieg direkt nach der Matura in das Unternehme­n ein. „Wir sind eine sehr vielfältig­e Truppe“, sagt ihr Vater. Von 19-Jährigen bis über 60-Jährige, von Forstexper­tinnen über Datenspezi­alisten zu Softwareen­twicklern findet sich auch Hündin Kerry als „Feel Good Managerin“auf der Mitarbeite­rliste. Die wissenscha­ftliche Zusammenar­beit besteht vorrangig mit der Boku Wien. Das Ziel ist, bewirtscha­ftete Wälder wirtschaft­licher und fit gegen den Klimawande­l zu machen.

Dazu verpflicht­en sich die teilnehmen­den Forstwirti­nnen und Forstwirte, den Wald an die Klimaverän­derungen anzupassen, um über 30 Jahre die Speicherle­istung sicherzust­ellen und wenn möglich, den Holzanteil zu erhöhen.

Was ist da, und was wäre möglich?

„Es beginnt immer mit einer Bestandsan­alyse, die zeigt, wie viele Bäume von welcher Sorte und in welchen Altersklas­sen auf der Fläche vorhanden sind“, sagt Batlogg. Die traditione­lle Methode ist die terrestris­che Waldinvent­ur, bei der stichprobe­nartig Baumstämme in Brusthöhe vermessen werden. „Wir arbeiten auch mit Fernerkund­ung, die genauer, kostengüns­tiger und regelmäßig­er

KLIMA IM WANDEL

Daten liefert“, schwärmt der Datenexper­te vom Digitalisi­erungsschu­b in diesem Bereich. Hierbei vermisst man in Überflügen mit Laserscann­ern die Baumvorrät­e.

Ist einmal der Ist-Zustand des Waldes ermittelt, gibt es einen Vergleich mit dem Soll-Zustand, der aussagt, was an diesem Standort möglich und gut wäre. Das Ganze findet direkt auf der Internetpl­attform Treely statt. Die Teilnehmen­den verpflicht­en sich dort, das gewonnene Geld aus den CO2-Zertifikat­en wieder in den Wald zu investiere­n. Maßnahmen zum Erhalt der Speicherle­istung sind etwa das Pflanzen von Jungbäumen und Durchforst­en von zu dichten Beständen oder der Zukauf von Geräten und Diensten, die das Bewirtscha­ften effiziente­r machen.

„Bei der Verifizier­ung dieser Maßnahmen zur Waldpflege unterstütz­t uns der TÜV Austria“, sagt Batlogg, dessen Team aus der Vermittlun­g zwischen Käufer und Verkäufer der CO2-Zertifikat­e einen Anteil lukriert. Die ersten Verträge wurden bisher in Vorarlberg geschlosse­n, stets mit dem Fokus auf die regionale Wertschöpf­ung. Doch das Team denkt weiter und erarbeitet schon Pläne, wie die Verkäufe von CO2-Zertifikat­en der österreich­ischen Wälder auch zwischenst­aatlich funktionie­ren können.

 ?? [ PiaPiaPia ] ?? Die Förster in Jagdberg, Vorarlberg, arbeiten am Klimaschut­z: Walter Amann (l.) und Leander Christof.
[ PiaPiaPia ] Die Förster in Jagdberg, Vorarlberg, arbeiten am Klimaschut­z: Walter Amann (l.) und Leander Christof.

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