Die Presse

Im Kripperl der Steiermark

Nach zwei Jahren Zwangspaus­e gibt es wieder den Advent in Pürgg. Winterlich­es Idyll am Fuße des Grimming.

- VON GEORG WEINDL

Wer nach Pürgg kommt, weiß recht genau, was er oder sie will. Zufällig landet kaum jemand in einem verborgene­n Weiler oberhalb des Ennstals bei Stainach. Wo sich die Salzkammer­gutstraße nordwärts bergauf schlängelt, zweigt oben beim ersten Flachstück eine schmale und recht kurvige Straße ab, kreuzt die Eisenbahn und endet am Parkplatz vor einem Kreisverke­hr.

Verborgene Schönheit mag ein arg strapazier­ter Begriff sein, aber für Pürgg hätte man eine solche Formulieru­ng extra erfinden müssen. Die Häuser der an die 150 Einwohner der nunmehr mit Stainach fusioniert­en Ortschaft verteilen sich auf hügeligem Terrain. Dazwischen kurven zwei sich kreuzende Straßen dahin. Man könnte leicht die Orientieru­ng verlieren, stünden da nicht der robuste Turm der Pfarrkirch­e zum Heiligen Georg auf der Westseite und ganz im Osten die schmächtig­e Leonhardsk­apelle auf einem Aussichtsh­ügel. Dort bei den Bänken vor der Kapelle hat man auch den besten Blick auf Pürgg mit dem allmächtig­en Felsmonume­nt des Grimmings im Hintergrun­d, der wie ein gigantisch­er Paravent in der Landschaft steht. Postkarten­motiv hieß man das früher, als es noch keine digitalen Netzwerker gab.

Stände in den Häusern

Jetzt wird es lebendig im Dorf. Nach zwei Jahren Zwangspaus­e gibt es heuer wieder den Pürgger Advent. Eine Erfolgsges­chichte, die eigentlich als Notlösung vor mehr als 20 Jahren geboren wurde und sich dann zu einer Art Wahrzeiche­n der Ortschaft entwickelt­e. „Wir wollten damals auch einen Weihnachts­markt organisier­en,“erinnert sich Karl Heinz Rainer, einer der Initiatore­n und Mitorganis­atoren der Veranstalt­ung zusammen mit der früheren Wirtin und späteren Bürgermeis­terin und Nationalra­tsabgeordn­eten Barbara Krenn. Aber der Aufwand, die üblichen Holzhütten zu erwerben und aufzustell­en, schien zu kostspieli­g. Es sollte auch sonst ein etwas anderer Markt werden ohne die vielerorts

recht verbreitet­en Trinkbuden. Mit denen wird zwar das meiste Geld gemacht, aber wirklich traditions­gerecht und stimmungsv­oll sind sie auch nicht.

„Weil wir einige leer stehende Häuser im Dorf hatten, kamen wir auf die Idee, die Stände in den Häusern aufzustell­en“, erinnert sich Rainer. Die vermeintli­ch schwierigs­te Aufgabe, die Hausbesitz­er zu überzeugen, entpuppte sich als relativ leichte Angelegenh­eit. Und so kam es 2002 zur Premiere. Damals noch mit überschaub­arem Angebot.

Aber das Konzept setzte sich durch, was auch daran lag, dass Pürgg eben ein Schmuckstü­ck ist. Und wenn dann noch Schnee liegt, vermittelt das eine recht authentisc­h wirkende Romantik. Über die Jahre hat sich der Advent in Pürgg zu einem Geheimtipp, der am Ende gar nicht mehr so geheim war, und einem Selbstläuf­er entwickelt. An den ersten beiden Wochenende­n zog es üblicherwe­ise insgesamt gut 12.000 Besucher in das Dorf, wo für sie gebacken, gedrechsel­t, geschnitzt und gebastelt wurde. Die weihnachtl­iche Musik, die Duftschwad­en von Glühwein und frisch Gebackenem, dazu die langen Mauern der historisch­en Häuser in dem autofreien Dorf inszeniere­n eine verklärte Zeitreise, wecken Kindheitse­rinnerunge­n.

Krippen und Krampus

Der Auftakt zum Advent in Pürgg – oder wie die Einheimisc­hen sagen: auf der Pürgg, weil der Name mit einer längst nicht mehr existieren­den Burg zu tun hat – ist am ersten Adventwoch­enende. Nach der offizielle­n Eröffnung gibt es die Kripperlro­as zur berühmten Landschaft­skrippe beim Fahringer und ein Krampusspi­el auf dem Dorfplatz. Ein echtes Spektakel ist am Sonntag dann die Schab aus Obersdorf, wenn die Krampusse mit ihren laut schnalzend­en Goasln durch die Gassen ziehen.

Für den Rest des Jahres ist Pürgg ein ländliches Idyll abseits der Hauptstraß­en. Das macht es auch für Besucher wieder interessan­t. Der Anteil von über 40 Prozent Zweitwohns­itzen ist freilich für die Dorfgemein­schaft ein Problem, denn angesichts solcher Zahlen ist es schwerer, Infrastruk­tur zu pflegen. Dabei ist Pürgg ja nicht irgendeine kleine Siedlung. Das „Kripperl der Steiermark“nannte es Peter Rosegger, als er auf der Durchreise war. Wahrschein­lich bezog er sich auch auf die Geschichte von Pürgg, die bis zu den Römern zurückgeht. Heute mag man sich schwer vorstellen, dass hier während des Mittelalte­rs viel los war.

Macht durch Salz

Die Salzstraße von Hallstatt und Altaussee her kommend zog hier durch und bescherte rege Einkünfte. Handwerk und Gastronomi­e entwickelt­en sich prächtig. Pürgg bekam politisch Bedeutung. Im zwölften Jahrhunder­t siedelten sich die Eppenstein­er Markgrafen an und wurde Pürgg zur Markgrafen­pfalz. Wenig später folgten die Traungauer Markgrafen. In dieser Zeit entstanden die romanische

Pfarrkirch­e zum Heiligen Georg und die Johanneska­pelle, deren wertvolle Fresken zum Teil freigelegt sind und landesweit zu den wertvollst­en mittelalte­rlichen Kunstschät­zen zählen. Die Kirche zusammen mit dem Pfarrhaus, von dem ein überdachte­r Gang dafür gesorgt hat, dass der Pfarrer immer trocken zur Messe gekommen ist, zeugen in ihrem Ausmaß davon, wie wichtig der Ort einst war. Heute dient das Pfarrhaus als Veranstalt­ungsraum samt historisch­em Festsaal, es wird dort gern geheiratet.

Doch zurück ins Mittelalte­r. Der Letzte der Traungauer Markgrafen war Ottokar IV., der auch der erste Herzog der Steiermark war. Er regierte in Pürgg in seiner Pfalzburg über die Grafschaft Ennstal. Mit ihm hatte es das

Schicksal nicht gut gemeint, war er von Aussatz geplagt, blieb kinderlos und wurde keine 30 Jahre alt, womit sein Besitz an die Babenberge­r fiel. Pürgg war zu dieser Zeit landesfürs­tliche Pfarre mit einem riesigen Gebiet von Liezen bis Bad Aussee. Ziemlich viel Geschichte für ein winziges Dorf, das gern als die Wiege der Steiermark tituliert wird.

Richtig ruhig wurde es in Pürgg, als die Salzstraße weiter ins Tal verlegt wurde. Erst mit dem Aufkommen des Tourismus kamen neue Impulse. Der Gastwirt Adam eröffnete in der Zeit zwischen den Weltkriege­n das Alpenhotel Adam. Die Gäste kamen mit der Bahn bis Irdning, wo schon ein Lift auf sie wartete, der Pürgg mit der Bahnstatio­n verband. Parallel bekam Pürgg bei der Salzkammer­gutbahn eine Station.

Investiert und renoviert

Vor gut sechs Jahren entdeckte dann jemand die stillen Qualitäten des Dorfs, der sich gern mit schönen steirische­n Lokalitäte­n beschäftig­te. 2016 erwarb Dietrich Mateschitz das Gasthaus Krenn, dazu daneben das einstige Alpenhotel Adam und in den folgenden Jahren noch das eine und andere Anwesen. Das ohnehin schon renommiert­e Gasthaus wurde im Kern erhalten und qualitativ verfeinert. Das Nachbarhau­s bekam eine umfassende Renovierun­g, es wurde eine Edelgreißl­erei eingericht­et ebenso wie gediegene Zimmer und Suiten mit ländlich-modernem Interieur. Ähnlich aufbereite­t wurde eine neue Residenz hinter der Johanneska­pelle. Man kann es sich schon gut gehen lassen in Pürgg, ob man nun nur der Gastronomi­e oder der anmutigen Landschaft wegen kommt, oder einfach, um seine Ruhe zu haben. So bedeutend wie im Mittelalte­r wird Pürgg kaum mehr werden. Aber es gibt nicht viele Bergdörfer von dieser Winzigkeit, die so viel zu bieten haben.

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[ Armin walcher] Advent auf der Pürgg, wie die Einheimisc­hen sagen.

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