Im Kripperl der Steiermark
Nach zwei Jahren Zwangspause gibt es wieder den Advent in Pürgg. Winterliches Idyll am Fuße des Grimming.
Wer nach Pürgg kommt, weiß recht genau, was er oder sie will. Zufällig landet kaum jemand in einem verborgenen Weiler oberhalb des Ennstals bei Stainach. Wo sich die Salzkammergutstraße nordwärts bergauf schlängelt, zweigt oben beim ersten Flachstück eine schmale und recht kurvige Straße ab, kreuzt die Eisenbahn und endet am Parkplatz vor einem Kreisverkehr.
Verborgene Schönheit mag ein arg strapazierter Begriff sein, aber für Pürgg hätte man eine solche Formulierung extra erfinden müssen. Die Häuser der an die 150 Einwohner der nunmehr mit Stainach fusionierten Ortschaft verteilen sich auf hügeligem Terrain. Dazwischen kurven zwei sich kreuzende Straßen dahin. Man könnte leicht die Orientierung verlieren, stünden da nicht der robuste Turm der Pfarrkirche zum Heiligen Georg auf der Westseite und ganz im Osten die schmächtige Leonhardskapelle auf einem Aussichtshügel. Dort bei den Bänken vor der Kapelle hat man auch den besten Blick auf Pürgg mit dem allmächtigen Felsmonument des Grimmings im Hintergrund, der wie ein gigantischer Paravent in der Landschaft steht. Postkartenmotiv hieß man das früher, als es noch keine digitalen Netzwerker gab.
Stände in den Häusern
Jetzt wird es lebendig im Dorf. Nach zwei Jahren Zwangspause gibt es heuer wieder den Pürgger Advent. Eine Erfolgsgeschichte, die eigentlich als Notlösung vor mehr als 20 Jahren geboren wurde und sich dann zu einer Art Wahrzeichen der Ortschaft entwickelte. „Wir wollten damals auch einen Weihnachtsmarkt organisieren,“erinnert sich Karl Heinz Rainer, einer der Initiatoren und Mitorganisatoren der Veranstaltung zusammen mit der früheren Wirtin und späteren Bürgermeisterin und Nationalratsabgeordneten Barbara Krenn. Aber der Aufwand, die üblichen Holzhütten zu erwerben und aufzustellen, schien zu kostspielig. Es sollte auch sonst ein etwas anderer Markt werden ohne die vielerorts
recht verbreiteten Trinkbuden. Mit denen wird zwar das meiste Geld gemacht, aber wirklich traditionsgerecht und stimmungsvoll sind sie auch nicht.
„Weil wir einige leer stehende Häuser im Dorf hatten, kamen wir auf die Idee, die Stände in den Häusern aufzustellen“, erinnert sich Rainer. Die vermeintlich schwierigste Aufgabe, die Hausbesitzer zu überzeugen, entpuppte sich als relativ leichte Angelegenheit. Und so kam es 2002 zur Premiere. Damals noch mit überschaubarem Angebot.
Aber das Konzept setzte sich durch, was auch daran lag, dass Pürgg eben ein Schmuckstück ist. Und wenn dann noch Schnee liegt, vermittelt das eine recht authentisch wirkende Romantik. Über die Jahre hat sich der Advent in Pürgg zu einem Geheimtipp, der am Ende gar nicht mehr so geheim war, und einem Selbstläufer entwickelt. An den ersten beiden Wochenenden zog es üblicherweise insgesamt gut 12.000 Besucher in das Dorf, wo für sie gebacken, gedrechselt, geschnitzt und gebastelt wurde. Die weihnachtliche Musik, die Duftschwaden von Glühwein und frisch Gebackenem, dazu die langen Mauern der historischen Häuser in dem autofreien Dorf inszenieren eine verklärte Zeitreise, wecken Kindheitserinnerungen.
Krippen und Krampus
Der Auftakt zum Advent in Pürgg – oder wie die Einheimischen sagen: auf der Pürgg, weil der Name mit einer längst nicht mehr existierenden Burg zu tun hat – ist am ersten Adventwochenende. Nach der offiziellen Eröffnung gibt es die Kripperlroas zur berühmten Landschaftskrippe beim Fahringer und ein Krampusspiel auf dem Dorfplatz. Ein echtes Spektakel ist am Sonntag dann die Schab aus Obersdorf, wenn die Krampusse mit ihren laut schnalzenden Goasln durch die Gassen ziehen.
Für den Rest des Jahres ist Pürgg ein ländliches Idyll abseits der Hauptstraßen. Das macht es auch für Besucher wieder interessant. Der Anteil von über 40 Prozent Zweitwohnsitzen ist freilich für die Dorfgemeinschaft ein Problem, denn angesichts solcher Zahlen ist es schwerer, Infrastruktur zu pflegen. Dabei ist Pürgg ja nicht irgendeine kleine Siedlung. Das „Kripperl der Steiermark“nannte es Peter Rosegger, als er auf der Durchreise war. Wahrscheinlich bezog er sich auch auf die Geschichte von Pürgg, die bis zu den Römern zurückgeht. Heute mag man sich schwer vorstellen, dass hier während des Mittelalters viel los war.
Macht durch Salz
Die Salzstraße von Hallstatt und Altaussee her kommend zog hier durch und bescherte rege Einkünfte. Handwerk und Gastronomie entwickelten sich prächtig. Pürgg bekam politisch Bedeutung. Im zwölften Jahrhundert siedelten sich die Eppensteiner Markgrafen an und wurde Pürgg zur Markgrafenpfalz. Wenig später folgten die Traungauer Markgrafen. In dieser Zeit entstanden die romanische
Pfarrkirche zum Heiligen Georg und die Johanneskapelle, deren wertvolle Fresken zum Teil freigelegt sind und landesweit zu den wertvollsten mittelalterlichen Kunstschätzen zählen. Die Kirche zusammen mit dem Pfarrhaus, von dem ein überdachter Gang dafür gesorgt hat, dass der Pfarrer immer trocken zur Messe gekommen ist, zeugen in ihrem Ausmaß davon, wie wichtig der Ort einst war. Heute dient das Pfarrhaus als Veranstaltungsraum samt historischem Festsaal, es wird dort gern geheiratet.
Doch zurück ins Mittelalter. Der Letzte der Traungauer Markgrafen war Ottokar IV., der auch der erste Herzog der Steiermark war. Er regierte in Pürgg in seiner Pfalzburg über die Grafschaft Ennstal. Mit ihm hatte es das
Schicksal nicht gut gemeint, war er von Aussatz geplagt, blieb kinderlos und wurde keine 30 Jahre alt, womit sein Besitz an die Babenberger fiel. Pürgg war zu dieser Zeit landesfürstliche Pfarre mit einem riesigen Gebiet von Liezen bis Bad Aussee. Ziemlich viel Geschichte für ein winziges Dorf, das gern als die Wiege der Steiermark tituliert wird.
Richtig ruhig wurde es in Pürgg, als die Salzstraße weiter ins Tal verlegt wurde. Erst mit dem Aufkommen des Tourismus kamen neue Impulse. Der Gastwirt Adam eröffnete in der Zeit zwischen den Weltkriegen das Alpenhotel Adam. Die Gäste kamen mit der Bahn bis Irdning, wo schon ein Lift auf sie wartete, der Pürgg mit der Bahnstation verband. Parallel bekam Pürgg bei der Salzkammergutbahn eine Station.
Investiert und renoviert
Vor gut sechs Jahren entdeckte dann jemand die stillen Qualitäten des Dorfs, der sich gern mit schönen steirischen Lokalitäten beschäftigte. 2016 erwarb Dietrich Mateschitz das Gasthaus Krenn, dazu daneben das einstige Alpenhotel Adam und in den folgenden Jahren noch das eine und andere Anwesen. Das ohnehin schon renommierte Gasthaus wurde im Kern erhalten und qualitativ verfeinert. Das Nachbarhaus bekam eine umfassende Renovierung, es wurde eine Edelgreißlerei eingerichtet ebenso wie gediegene Zimmer und Suiten mit ländlich-modernem Interieur. Ähnlich aufbereitet wurde eine neue Residenz hinter der Johanneskapelle. Man kann es sich schon gut gehen lassen in Pürgg, ob man nun nur der Gastronomie oder der anmutigen Landschaft wegen kommt, oder einfach, um seine Ruhe zu haben. So bedeutend wie im Mittelalter wird Pürgg kaum mehr werden. Aber es gibt nicht viele Bergdörfer von dieser Winzigkeit, die so viel zu bieten haben.