Wohnbedürfnisse im „Golden Age“
Wie auch immer die Pläne der Generation 55 plus für den Lebensabend aussehen: Frühzeitige Planung hilft.
Als die „Golden Girls“in der gleichnamigen TV-Serie ihre WG gründeten, war die jüngste gerade einmal 53. Ein Paradebeispiel, geht man nach Expertenmeinungen. Denn frühe Planung – mit 50 durchaus nicht zu zeitig – hilft dabei, die persönlichen Vorstellungen mit den möglichen Wohnformen im Alter zu vereinen. Laut dem Projektentwickler Silver Living, spezialisiert auf Wohnen im Alter und Zukunftsvorsorge, passiere das meist erst dann, wenn Betreuung, Umzug oder Adaptierung unumgänglich geworden ist. Jedenfalls kam das von Silver Living beauftragte Institut Sora mit seiner Studie zu „Wohnen im Alter – die 50- bis 75-Jährigen in Krisenzeiten: Wohnbedürfnisse, Zukunftsaussichten und mehr“zu diesem Schluss.
Wachsender Bedarf
Was benötigt nun der Mensch in seinen „goldenen“Jahren? Braucht er Betreuung, besteht der Bedarf eines Pflegewohnhauses? Fakt ist, dass 25,4 Prozent der Österreicher der Altersklasse 60 plus angehören und damit zu den sogenannten Best Agern zählen. Laut Prognosen der Statistik Austria werden diese bis 2030 mit einem Zuwachs von etwa 530.000 Personen fast ein Drittel der Gesamtbevölkerung ausmachen. Doch bereits heute besteht ein zusätzlicher Bedarf von rund 80.000 betreuten Wohneinheiten, bis 2030 wären gar 101.500 Wohnungen nötig.
Primär scheint es jedoch eine Frage der finanziellen Ressourcen zu sein, wie das abschließende Lebensdrittel gestaltet wird. So blicken Wohnungseigentümer im Generellen entspannter auf ihre Zukunft als andere, sie fühlen sich stabiler situiert. 75 Prozent der befragten Best Ager planen jedenfalls keinen altersbedingten Wohnungswechsel.
Zuhause alt werden
Die meisten der Befragten der Studie, immerhin 58 Prozent, möchten so lang wie möglich in ihrem Eigenheim, gern auch mit Unterstützung, verbleiben und nur im Notfall – wenn die Barrierefreiheit nicht mehr gegeben ist oder die Wohnungsgröße es nicht zulässt – anderwärtig betreut werden. „Unabhängigkeit ist den Menschen am wichtigsten. Aber auch die ruhige Lage, die Nähe zu Angehörigen und zum Beispiel eine gute Infrastruktur werden als bedeutsam empfunden“, berichten Günther Ogris und Bernhard Hoser vom Institut Sora. „Es braucht mehr Auseinandersetzung mit dem Thema Wohnen im Alter in der Bevölkerung, mehr Information und Bewusstseinsbildung über die Änderung der Wohnbedürfnisse. Die Bevölkerung sollte animiert werden, sich rechtzeitig um das Design der eigenen Lebens- und Wohnsituation im Alter zu kümmern“, ziehen Walter Eichinger und Thomas Morgl, Geschäftsführer von Silver Living, ein Fazit. „Die Mehrheit will wohl selbstbestimmt wohnen, trifft aber selbst keine Entscheidungen oder verdrängt die zu erwartende, individuell nötige Betreuung.“
Doch was soll der Einzelne im konkreten Fall nun tun? Eine Möglichkeit ist die barrierefreie Adaption
des Eigenheims – oder dessen entsprechende Gestaltung schon beim Bau (siehe Seite F4). Den Umzug in eine Seniorenresidenz zu planen ist für viele belastend – für andere hingegen eine große Erleichterung, Arbeit und Verantwortung abgeben zu können.
Vom Heim zur Residenz
Eine Institution in Sachen altersgerechtes Wohnen und Beratung ist landesweit die Österreichische Jungarbeiterbewegung (ÖJAB). Sie sichert seit 1946 und mittlerweile an 43 Standorten unter anderem die Pflege von Menschen im fortgeschrittenen Alter. Betreutes Wohnen, an den individuellen Bedarf angepasst, spielt auch im kürzlich in Betrieb genommenen, zweitraktigen Pflegewohnhaus für 214 Personen in Wien Meidling eine zentrale Rolle. Mit diesem Thema hat sich Architekt Christian Krakora, langjähriger Partner des ÖJAB, in der aktuellen Planung auseinandergesetzt: „Für die ältere Generation zu bauen beutetet, sich mit den Wohnbedürfnissen der Senioren zu beschäftigen und architektonische Antworten zu finden.“Baulich angelehnt an den Neubau ist übrigens auch ein Altbestand, das ehemalige Pflegewohnhaus, aus dem die Senioren in die jetzigen Räumlichkeiten umgezogen sind. Dieser wird in den nächsten
zwei Jahren und nach vollständiger Modernisierung wieder angeschlossen und ermöglicht durch einen Kindergarten bzw. durch junges Wohnen auch die barrierefreie Zusammenführung der Generationen.
Auf ein ähnliches Konzept setzt ein neues Wohnbauprojekt in Nassereith im Bezirk Imst. Hier sollen 78 wohnbaugeförderte und barrierefreie Wohnungen für Menschen verschiedener Generationen und Bedürfnisse entstehen. Die Fertigstellung des nunmehr fünften „Hauses im Leben“ist für Ende 2024 geplant. Teil des Projekts sind eine Arztpraxis, eine Kinderbetreuungseinrichtung sowie gewerbliche Flächen mit einer Physiotherapie, einer Psychotherapie, einem Kosmetikstudio und einem Friseursalon. Sie alle ergänzen die bestehende Infrastruktur im Ort. „Durch die von einer Wohnbegleitung betreute gegenseitige Unterstützung der Bewohner wird ein achtsames Miteinander gelebt“, erklärt Anton Stabentheiner, der das Wohnkonzept entwickelt hat. „Es ist ein Gebäudekomplex mit Mehrwert für eine moderierte, aktivierte Nachbarschaft.“
Miteinander und nicht allein
Wer eigenständig, aber nicht allein leben möchte, dem könnte eine WG gefallen. Wichtig ist jedoch,
dass die Raumaufteilung dafür geeignet ist. Es muss Rückzugsmöglichkeiten geben und auch die Gemeinschaftsräume sowie Nassräume sollten eine gewisse Größe haben. Besteht der Bedarf einer zusätzlichen Betreuung, sollte auch diese integrierbar sein. Und natürlich spielen Barrierefreiheit und die Infrastruktur eine Rolle. Vor allem sollte ein ausführliches Gespräch stattfinden, bevor man sich endgültig für diese Lebensform entscheidet. Denn einer hört vielleicht nicht so gut und braucht lautes Radio, der andere mag es wiederum lieber etwas ruhiger. Auch die rechtlichen Fragen sind nicht außer Acht zu lassen. Wer ist Hauptmieter, wer unterschreibt den Mietvertrag, wer haftet, wenn etwas zerstört wird?
Eine besondere Variante ist dabei das generationenübergreifende WG-Leben. Aufgaben wie das Einkaufen können die Jüngeren übernehmen, die wiederum von den Erfahrungen der Älteren profitieren. Lukas Hecke, Mitbegründer der Plattform Wohnbuddys, bringt seit 2016 Wohngemeinschaften aller Art zusammen. Das Angebot: Über einen Algorithmus wird der perfekte Wohnpartner gefunden und eine Wohnraumvereinbarung regelt das Zusammenleben. Zudem werden die neu gegründeten Wohngemeinschaften begleitet.