Freizeit schlägt Stadt
Die aktuellen Krisen hinterlassen Spuren in der Hotellerie. Neben neuen Konzepten und ESG beschäftigt Investoren, Betreiber und Entwickler die Frage der Finanzierung.
Es ist nicht das Jahr der großen Transaktionen im Hospitaly-Segment, im Vergleich zu 2019 etwa stellt sich das Volumen spärlich dar. Wurden damals rund 1,075 Milliarden Euro in Österreich umgesetzt, so sind es heuer bis zum dritten Quartal an die 252 Millionen. „Das Positive ist aber, dass die Nachfrage weiterhin vorhanden ist“, stellt Herwig M. Peham, Bereichsleiter Investment bei EHL Investment Consulting fest: „Hotelinvestments sind weiterhin interessant.“
Ferienhotellerie resilienter
Die geringe Nachfrage hat auch damit zu tun, dass viele potenzielle Investoren in den vergangenen Jahren auf den Wohnungsmarkt ausgewichen sind. Damit verschob sich allerdings der Umsatz zwischen Stadt- und Ferienhotellerie. Die großen Fonds, die hauptsächlich auf Stadthotellerie setzten, blieben dieser Assetklasse fern, daher fielen 63 Prozent des Investitionsvolumens in den Bereich Leisure. „Vor Corona waren das 15 bis 20 Prozent“, weiß Marcel Weber, Head of Hospitality bei Arnold Investments. Durch den Rückgang der internationalen Teilnehmer haben außerdem „die nationalen Investoren mit 65 Prozent der Gesamtsumme wieder die Führung übernommen“. Allerdings beginnen sich verstärkt auch heimische und internationale institutionelle Investoren für das Segment Freizeithotellerie zu interessieren. Die höhere Resilienz macht diese Assetklasse im aktuellen Marktumfeld – und wohl auch in der Zukunft – für Investoren attraktiver.
Notverkäufe im Hotelsegment wird es aber trotzdem keine geben, ist Peham überzeugt: „Die Schnäppchen, die sich einige Marktteilnehmer erhofft haben, haben wir nicht gesehen.“Es ist auch nicht zu erwarten, dass diese Situation eintreten wird – sofern es nicht zu stärkeren negativen wirtschaftlichen Entwicklungen komme. Natürlich gebe es immer wieder Probleme für Tourismusbetriebe, aber „dass wir von einem Trend sprechen können, ist aus meiner Sicht nicht zu sehen.“
Die Trends zeigen sich woanders – bei neuen beziehungsweise verbesserten Konzepten. „Bereits Corona hat die personallosen Konzepte verstärkt“, sagt Weber. Jetzt tut die Inflation ihr Übriges. SelfCheck-in
und noch stärkere Reduzierung des Personals sparen Kosten. Oftmals gibt es Partnerschaften mit umliegenden Lokalen, um möglichst wenig Personal einzusetzen. Immer stärker wird auch auf Mixed-Use-Konzepte gesetzt, wie Hotels mit Serviced Apartments oder Senior-Living im Hotel. „Ähnliche Bereiche, aber doch konträr“, beschreibt es Weber. Vor allem bei den Senior-Living-Konzepten seien weitere Veränderungen zu erwarten.
Ebenfalls ein Trend: dass Hotels von Entwicklern oder von Investoren selbst betrieben werden. Das ist dem Risikomanagement geschuldet: „Der Betreiber ist ja oftmals eine Blackbox, und es ist schwer zu durchschauen, wie gut dieser aufgestellt ist“, sagt Patrick Adamle, geschäftsführender Gesellschafter MRP Hotels. Um unerfreuliche Überraschungen zu vermeiden, bauen die Unternehmen ihre eigenen Betreiberfirmen auf. „Damit geht man weniger Risiko ein.“Peham sieht auch eine verstärkte Zusammenarbeit der Projektentwickler: „Das Know-how wird gebündelt, und gemeinsam werden neue Projekte entwickelt.“
Und: ESG macht auch vor Hospitality nicht halt, doch auch in
diesem Bereich gibt es noch Klärungsbedarf. Adamle: „ESG ist ein sehr wichtiges Thema, aber noch nicht final durchdacht und gelöst. Es gibt viele offene Punkte.“Bei neuen Projekten führt ohnehin kein Weg daran vorbei, bei bestehenden Projekten sieht die Sache etwas anders aus. Stadthotels lassen sich den Umständen entsprechend adaptieren, bei Bestandsimmobilien sind die Möglichkeiten limitiert. „Für Energiefresser wie Leisure- und vor allem Spa-Hotels ist das ein Nice-to-have, da ein Umbau mit enormen Investitionskosten verbunden ist“, sagt Weber. Über kurz oder lang wird die Nachfrage nach ESG ohnehin zu der geforderten
Veränderung führen, nicht nur von Betreibern und Investoren, „auch von Finanzierungsseite wird hier mehr Druck kommen“, erklärt Peham.
Hauptsache sicher
Die Finanzierung gestaltet sich derzeit ohnehin schwierig. „Wir haben uns in den vergangenen Monaten von einer Pandemie in eine Hochzinsphase bewegt“, sagt Adamle. Die Eigenkapitalanforderungen sind gestiegen, die Banken finanzieren nur vereinzelt Projekte. Es wird ausgewählt investiert, und Projekte werden nur mit höheren Sicherheiten umgesetzt. „Alles andere wird links liegen gelassen“, schildert Adamle. Es wird genauer geprüft, sowohl bei den Investoren als auch bei den Betreibern und Entwicklern. Die Stadt, die Lage, das Umfeld und das Konzept sind mehr denn je entscheidend. „Man kann nicht mehr alles über einen Kamm scheren“, sagt Adamle. Früher hätte es gereicht, die Nächtigungszahlen einer Destination zu kennen, um Rückschlüsse auf die Auslastung des Hotels zu ziehen – das gehört der Vergangenheit an. Und: Neben der Sicherheit ist Individualität Trumpf – das gilt für alle Bereiche der Hospitality.