„Sich trauen, einen Weg einzuschlagen“
Digitale Revolutionen sind großartig, sofern sie beitragen, Ungleichheit zu beseitigen und den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen, sagt der WU-Manager des Jahres, Christopher Schläffer.
Radikale, digitale Veränderungen faszinieren Christopher Schläffer. An einer solchen arbeitet er seit 2018 als CoGründer von Nyoum: Es geht um eine neue Art von Video- und Audiokommunikation. Mittels einer Technologie, die dezentral und nicht als große Datenkrake funktioniert – und nichts weniger als die Kommunikation revolutionieren soll. Unabhängig vom Oligopol der Softwarekonzerne aus China und den USA. „99 Prozent ihrer Onlinezeit verbringen Menschen mit jeweils nur elf Apps“, sagt Schläffer. Das Internet habe zwar dazu beigetragen, vielen Menschen Information und Bildung zugänglich zu machen, derzeit aber sei das Internet nicht inklusiv, sagt der 53-Jährige, der in Maishofen in Salzburg aufgewachsen ist und heute in London lebt.
„Die nächste große Phase des Internets ist kontextuell“, sagt Schläffer. Künstliche Intelligenzen werden den Kontext des Menschen verstehen. Ein Beispiel: Eine Person in Wien und eine in London telefonieren über das Internet und vereinbaren ein Treffen in einem Wiener Kaffeehaus. Die Software im kontextuellen Internet erkennt nicht nur, dass ein Tisch um eine bestimmte Uhrzeit zu reservieren ist, sondern auch, dass ein Flug von London nach Wien, ein Hotelzimmer, Öffi-Tickets etc. benötigt werden, und macht Vorschläge dazu. Klar, dass Datenund Persönlichkeitsschutz dabei die großen Themen sind.
Entscheiden trotz Unsicherheit
Bevor Schläffer Unternehmer wurde, hat er eine unglaubliche Konzernkarriere hingelegt. Nach dem Studium – vor wenigen Tagen wurde er von seiner Alma Mater in Wien als WU-Manager des Jahres 2022 ausgezeichnet – begann er als Consultant bei Accenture. 1998 wechselte er zur Deutschen Telekom und wurde mit nur 31 Jahren deren Chefstratege. Ihn interessierte, sagt er, die strategische Sicht auf neue Geschäftsmodelle und die Frage, wie Veränderung wertorientiert
mit dem Menschen im Mittelpunkt gestaltet werden könne.
Strategisch arbeiten zu dürfen sei eine glückliche Fügung gewesen. Geholfen habe ihm, dass er früh erwachsen werden musste und mit zwölf Jahren die Verantwortung für die Geschwister übernommen hat. Daneben seine Fähigkeit, Zusammenhänge erkennen zu können. Und dass er in guten Teams und mit herausragenden Menschen arbeiten durfte. „Man muss sich trauen, einen Weg einzuschlagen. Das ist der Kern des Unternehmerischen, nicht alles vorhersehen zu können und trotzdem zu entscheiden.“
In fast zwölf Jahren erlebte er Börsengänge, Akquisitionen, Kostenreduktionen und Wachstum. Er promotete mit Steve Jobs das iPhone in Europa, genauso wie mit Android-Entwickler Andy Rubi und den Google-Gründern Larry Page und Sergey Brin in einem spektakulären Event in der New Yorker U-Bahn Android in den USA.
Als er mit 40 Jahren das damals längstdienende Vorstandsmitglied war und, wie er es nennt, die Lernkurve abflachte, beschloss er, Tech-Entrepreneur zu werden. Er gründete bislang vier Unternehmen, eines wurde zum Vorreiter in Sachen Connected Home, und erlebte mit ihnen Erfolge – aber auch eine Pleite, weil ein Investor selber Finanzprobleme bekommen hat. Er habe, sagt er, gespürt, wie sich Scheitern anfühlt.
In diesen Jahren habe er viel über Führung gelernt – autodidaktisch. Als Jüngster im Team leitete er auch die Strategie-Einheit der Deutschen Telekom – selbst die Assistentin war damals älter als er. Viel über menschenzentriertes Führen habe er auch über den Vergleich gelernt und sich Gutes von anderen abgeschaut sowie via „copy with pride“übernommen.
Für Gleichberechtigung wirken
Bemerkenswert ist auch Schläffers humanitäres Engagement: „Economics of Equality“ist ihm ein Anliegen, weswegen er Aufsichtsrat von Amnesty International und Förderer der Programmier-Initiative „I am the Code“ist. Bis 2030 sollen eine Million Mädchen in Afrika programmieren lernen. Außerdem gründete er das Social Enterprise Activism Group: „Wenn alle Menschen frei und gleich an Würde und Rechten geboren sind, dann ist die anhaltende Diskriminierung in unserer Welt eine der größten Herausforderungen.“