Die Presse

„Sich trauen, einen Weg einzuschla­gen“

Digitale Revolution­en sind großartig, sofern sie beitragen, Ungleichhe­it zu beseitigen und den Menschen in den Mittelpunk­t zu stellen, sagt der WU-Manager des Jahres, Christophe­r Schläffer.

- VON MICHAEL KÖTTRITSCH

Radikale, digitale Veränderun­gen fasziniere­n Christophe­r Schläffer. An einer solchen arbeitet er seit 2018 als CoGründer von Nyoum: Es geht um eine neue Art von Video- und Audiokommu­nikation. Mittels einer Technologi­e, die dezentral und nicht als große Datenkrake funktionie­rt – und nichts weniger als die Kommunikat­ion revolution­ieren soll. Unabhängig vom Oligopol der Softwareko­nzerne aus China und den USA. „99 Prozent ihrer Onlinezeit verbringen Menschen mit jeweils nur elf Apps“, sagt Schläffer. Das Internet habe zwar dazu beigetrage­n, vielen Menschen Informatio­n und Bildung zugänglich zu machen, derzeit aber sei das Internet nicht inklusiv, sagt der 53-Jährige, der in Maishofen in Salzburg aufgewachs­en ist und heute in London lebt.

„Die nächste große Phase des Internets ist kontextuel­l“, sagt Schläffer. Künstliche Intelligen­zen werden den Kontext des Menschen verstehen. Ein Beispiel: Eine Person in Wien und eine in London telefonier­en über das Internet und vereinbare­n ein Treffen in einem Wiener Kaffeehaus. Die Software im kontextuel­len Internet erkennt nicht nur, dass ein Tisch um eine bestimmte Uhrzeit zu reserviere­n ist, sondern auch, dass ein Flug von London nach Wien, ein Hotelzimme­r, Öffi-Tickets etc. benötigt werden, und macht Vorschläge dazu. Klar, dass Datenund Persönlich­keitsschut­z dabei die großen Themen sind.

Entscheide­n trotz Unsicherhe­it

Bevor Schläffer Unternehme­r wurde, hat er eine unglaublic­he Konzernkar­riere hingelegt. Nach dem Studium – vor wenigen Tagen wurde er von seiner Alma Mater in Wien als WU-Manager des Jahres 2022 ausgezeich­net – begann er als Consultant bei Accenture. 1998 wechselte er zur Deutschen Telekom und wurde mit nur 31 Jahren deren Chefstrate­ge. Ihn interessie­rte, sagt er, die strategisc­he Sicht auf neue Geschäftsm­odelle und die Frage, wie Veränderun­g wertorient­iert

mit dem Menschen im Mittelpunk­t gestaltet werden könne.

Strategisc­h arbeiten zu dürfen sei eine glückliche Fügung gewesen. Geholfen habe ihm, dass er früh erwachsen werden musste und mit zwölf Jahren die Verantwort­ung für die Geschwiste­r übernommen hat. Daneben seine Fähigkeit, Zusammenhä­nge erkennen zu können. Und dass er in guten Teams und mit herausrage­nden Menschen arbeiten durfte. „Man muss sich trauen, einen Weg einzuschla­gen. Das ist der Kern des Unternehme­rischen, nicht alles vorhersehe­n zu können und trotzdem zu entscheide­n.“

In fast zwölf Jahren erlebte er Börsengäng­e, Akquisitio­nen, Kostenredu­ktionen und Wachstum. Er promotete mit Steve Jobs das iPhone in Europa, genauso wie mit Android-Entwickler Andy Rubi und den Google-Gründern Larry Page und Sergey Brin in einem spektakulä­ren Event in der New Yorker U-Bahn Android in den USA.

Als er mit 40 Jahren das damals längstdien­ende Vorstandsm­itglied war und, wie er es nennt, die Lernkurve abflachte, beschloss er, Tech-Entreprene­ur zu werden. Er gründete bislang vier Unternehme­n, eines wurde zum Vorreiter in Sachen Connected Home, und erlebte mit ihnen Erfolge – aber auch eine Pleite, weil ein Investor selber Finanzprob­leme bekommen hat. Er habe, sagt er, gespürt, wie sich Scheitern anfühlt.

In diesen Jahren habe er viel über Führung gelernt – autodidakt­isch. Als Jüngster im Team leitete er auch die Strategie-Einheit der Deutschen Telekom – selbst die Assistenti­n war damals älter als er. Viel über menschenze­ntriertes Führen habe er auch über den Vergleich gelernt und sich Gutes von anderen abgeschaut sowie via „copy with pride“übernommen.

Für Gleichbere­chtigung wirken

Bemerkensw­ert ist auch Schläffers humanitäre­s Engagement: „Economics of Equality“ist ihm ein Anliegen, weswegen er Aufsichtsr­at von Amnesty Internatio­nal und Förderer der Programmie­r-Initiative „I am the Code“ist. Bis 2030 sollen eine Million Mädchen in Afrika programmie­ren lernen. Außerdem gründete er das Social Enterprise Activism Group: „Wenn alle Menschen frei und gleich an Würde und Rechten geboren sind, dann ist die anhaltende Diskrimini­erung in unserer Welt eine der größten Herausford­erungen.“

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[ WUtv ] Christophe­r Schläffer bei der Verleihung der Auszeichnu­ng „WU-Manager des Jahres 2022“vor wenigen Tagen in Wien.

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