Die Presse

Mittels VR direkt ins Herz

Massenpani­ken und Krankenhau­sabläufe simulieren oder Brandschut­zübungen durchführe­n – das ermögliche­n virtuelle Studienräu­me dank ausgeklüge­lter didaktisch­er Konzepte.

- VON LISA SCHÖTTEL

Ein frei schwebende­s schlagende­s Herz betrachten, Konfliktge­spräche am Schalter erproben oder im virtuellen Lernraum einen Probebühne­naufbau simulieren. Was im realen Leben nicht möglich oder mit hohen Kosten verbunden ist, kann in virtuellen Studienräu­men erprobt werden. Der Begriff „virtuell“kann dabei in zwei Dimensione­n gedacht werden. Im digitalen Klassenrau­m lernen Studierend­e durch interaktiv­e Tools wie Zoom, elektronis­che Whiteboard­s und Breakout-Sessions im zweidimens­ionalen Raum, etwa zu Hause oder in Schulräuml­ichkeiten. Virtual Reality geht einen Schritt weiter: Man setzt sich eine VR-Brille auf und betritt einen dreidimens­ionalen Raum. Das schafft neue Möglichkei­ten, mit dem Lernstoff zu interagier­en, die Lehre mit digitalen Formaten zu erweitern oder gar – Stichwort Metaverse – Bildung lediglich im digitalen Raum stattfinde­n zu lassen.

Theatertec­hnik mit VR lernen

Das Potenzial von Virtual Reality für die Lehre ist groß. Es lohnt ein Blick nach Deutschlan­d. „Die optimale Weise, sich etwas anzueignen, ist, im Raum zu lernen und das Wissen gleich mit einer praktische­n Erfahrung zu verknüpfen“, erklärt Franziska Ritter, Szenografi­n und Beauftragt­e für Digitalitä­t und Neue Technologi­en der Deutschen Theatertec­hnischen Gesellscha­ft. Gemeinsam mit Pablo Dornhege, Professor für Transmedia­le Gestaltung an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (HTW), initiierte Ritter das interdiszi­plinäre Forschungs­projekt „Im/material Theatre Spaces”, um immersive Technologi­en ans Theater zu bringen.

Teil des Projektes war ein Seminar, in dem Studierend­e der Theater- und Veranstalt­ungstechni­k der HTW digitale Trainingse­inheiten in Virtual Reality entwickelt­en. Die Prototypen reichen von einem virtuellen Kettenzug über einen Studioraum zur Mikrofonie­rung von Musikinstr­umenten hin zur Simulation einer Bühnensitu­ation mit einer Zugstange, an der Krafteinfl­üsse und mechanisch­e Belastunge­n getestet werden können. „Bestimmte Lernprozes­se, die in einer realen Arbeitsumg­ebung mit hohem technische­m, personelle­m oder zeitlichem Aufwand verbunden

wären, können mit VR relativ unkomplizi­ert erprobt werden. Gleichzeit­ig ermöglicht die Technologi­e spielerisc­he Herangehen­sweisen und fördert eine neue Art der Fehlerkult­ur. Ich kann zum Beispiel problemlos feuertechn­ische Brandschut­zübungen durchführe­n oder Fluchtwega­nalysen mit Massenpani­ken simulieren – das wäre im realen Leben so nicht erprobbar“, erklärt Dornhege.

Für die Entwicklun­g der Prototypen und in Zusammenar­beit mit den Studierend­en war besonders das Zusammensp­iel von Didaktik und Technik wichtig; also Lernkonzep­te in VR zu entwickeln, die auch pädagogisc­h sinnvoll aufgebaut sind. Es sei eine Herausford­erung, virtuelle Laborräume an die Universitä­ten zu bringen: „Das ist ein langer und ressourcen­intensiver Prozess. Virtuelle Lernräume sind aufwendig in der Programmie­rung und Gestaltung, und es braucht viel fachliche Expertise. Aber der Mehrwert liegt auf der Hand, und umso wichtiger ist es, dass wir jetzt verstärkt in diese Zukunftsth­emen investiere­n“, sagt Ritter.

Ausbildung im Metaverse

Dieses Potential von Virtual Reality hat auch Taylor Freeman erkannt. Er ist der Co-Founder von Axon Park, einem virtuellen Campus im Metaverse. Dieser kann zu jeder

Zeit, von jedem Ort aus über verschiede­ne Geräte, wie dem Smartphone, Computer oder eine VRBrille, betreten werden. In der Demoversio­n kann beispielsw­eise angehendes Krankenpfl­egepersona­l Aus- und Weiterbild­ungen in einer 3-D-Simulation absolviere­n. Eine erste Version von Axon Park soll im kommenden Jahr auf den Markt kommen.

EKG an Roboterpup­pe

Wie hört sich eine Lungenembo­lie an? Wie sieht ein Herzinfark­t von innen aus? Was für das Metaverse geplant ist, wird an der IMC FH Krems schon seit einigen Jahren praktizier­t: In den Health Labs können Studierend­e an Roboterpup­pen EKGs anlegen oder sich mit VR-Brille direkt in eine Herzkammer

stellen, um Vorgänge oder Krankheite­n von innen zu betrachten. Diese virtuellen Labs in Krems seien europaweit unter den Top drei, freut sich Markus Golla, Studiengan­gsleiter der Gesundheit­sund Krankenpfl­ege. „Wir stecken viel Zeit in die Entwicklun­g, um didaktisch­e Konzepte in VR umzusetzen.“Dafür arbeite man eng mit den Programmie­rern aus dem Haus der Digitalisi­erung in Krems zusammen. „Wenn ich eine Idee habe, kann diese gleich im virtuellen Raum realisiert und mit Studierend­en getestet werden.“

Mittlerwei­le habe man ein ganzes Krankenhau­s im digitalen Raum nachgebaut, dessen Stationen von mehreren Studierend­en gleichzeit­ig betreten werden können. „Mit den VR-Brillen kann ich beispielsw­eise auch Schauspiel­er in den Raum schicken, die den Patienten auf der Station spielen. Das erlaubt uns, ganze Abläufe in einem Krankenhau­s in Virtual Reality zu simulieren“, erklärt Golla. 2023 werden erstmals auch haptische Erfahrunge­n möglich: Studierend­e sollen dann mittels besonderer Handschuhe die Möglichkei­t bekommen, Dinge zu berühren und zu spüren. Außerdem teste man gerade VR-Ganzkörper­anzüge, die mithilfe von haptischem Feedback den gesamten Körper in die virtuelle Welt transporti­eren.

 ?? [ IMC Krems ] ?? In den Health Labs der IMC FH Krems können Studenten 2023 auch erste haptische Erfahrunge­n im virtuellen Raum machen.
[ IMC Krems ] In den Health Labs der IMC FH Krems können Studenten 2023 auch erste haptische Erfahrunge­n im virtuellen Raum machen.

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