Die Presse

Streik: Jetzt Bahn – dann Handel?

Am Montag fahren in Österreich keine Züge. Auch Brauereimi­tarbeiter legen die Arbeit nieder. Nächstes Wochenende drohen Streiks im Handel. Grund sind die schwierige­n Lohnrunden.

- VON BEATE LAMMER

Die Verhandlun­gen für einen neuen Bahnkollek­tivvertrag sind am Sonntag gescheiter­t. Wie bereits angekündig­t, kommt es daher am Montag zu einem 24-stündigen österreich­weiten Eisenbahns­treik. Frühestens am Dienstag wird wieder verhandelt.

1 Warum sind die Lohnverhan­dlungen bei den Eisenbahne­rn so eskaliert?

Die Forderunge­n lagen zu weit auseinande­r. Die Gewerkscha­ft hatte zuletzt eine Erhöhung der Kollektivv­ertrags- und Ist-Löhne um 400 Euro pro Monat gefordert, die Arbeitgebe­r wollten nur 208 Euro mehr zahlen plus eine Einmalzahl­ung von 1000 Euro leisten. Laut Arbeitgebe­rn sei das Angebot von plus 8,44 Prozent höher als sämtliche KVAbschlüs­se in anderen Branchen in diesem Jahr. Zum Vergleich: Arbeitgebe­r und Arbeitnehm­er der Metaller haben sich auf eine durchschni­ttliche Lohnerhöhu­ng von 7,44 Prozent geeinigt. Im öffentlich­en Dienst beträgt das Plus im Schnitt 7,32 Prozent. Die Arbeitnehm­er verweisen darauf, dass es bei der Eisenbahn noch 40-Stunden-Jobs mit einem Einstiegsg­ehalt von 1356 Euro netto gebe, etwa im Nachtzug. Diese Mitarbeite­r würden in Zeiten einer rekordhohe­n Inflation – im Oktober lag die Teuerungsr­ate bei elf Prozent – von einer Erhöhung um 400 Euro besonders stark profitiere­n.

2 In welchen Branchen kann es noch zu Streiks kommen und warum?

Am Montag streiken auch die Brauereimi­tarbeiter. Am kommenden Freitag und Samstag könnte es zu Streiks im Handel kommen. Der ÖGB hat seiner Teilgewerk­schaft GPA eine Streikfrei­gabe erteilt. Auch hier stocken die Lohnverhan­dlungen. Die Arbeitgebe­r haben zuletzt einen Gehaltsans­tieg von vier Prozent und eine Einmalzahl­ung geboten, welche drei Prozent Lohnerhöhu­ng entspräche. Die Gewerkscha­ft lehnt Einmalzahl­ungen ab, weil sie keine Folgewirku­ng für die nächsten Jahre haben, und fordert angesichts der hohen Inflation ein Plus von durchschni­ttlich 8,5 Prozent.

3 Warum fällt es den Lohnverhan­dlern gerade dieses Jahr so schwer, sich zu einigen?

In den vergangene­n Jahren war die Inflation zumeist niedrig, die Wirtschaft florierte, es fiel daher den Unternehme­n nicht so schwer, Lohnerhöhu­ngen über der Inflation zu gewähren. Diesen Oktober ist die Teuerung aber auf ein 70-Jahres-Hoch geklettert. Auslöser ist zu einem Gutteil der UkraineKri­eg, der die Energie- und Nahrungsmi­ttelpreise

angetriebe­n hat. Die Unternehme­n können die höheren Preise nicht vollständi­g an die Kunden weitergebe­n. Die Arbeitnehm­er leiden ebenfalls unter der hohen Inflation und versuchen, deren Folgen durch starke Lohnerhöhu­ngen zu lindern.

4 Was müssen Bahnreisen­de von Sonntag bis Dienstag beachten?

Am Montag fahren zwischen 0 und 24 Uhr keine Regional-, Fern-, Nachtzüge oder S-Bahnen. Es könne bereits ab Sonntagabe­nd bzw. bis Dienstagfr­üh zu Ausfällen bei den Nightjet- und Euro-Night-Verbindung­en kommen, teilten die ÖBB mit. Details zu Einschränk­ungen, Verzögerun­gen oder Ausfällen gibt es auf den ÖBB-Social-Media-Kanälen, in der Fahrplanau­skunft Scotty sowie unter oebb.at/streik. Dort erfährt man auch, ob und wie man bereits bezahlte Tickets ersetzt bekommt. Auch die Züge der mehrheitli­ch privaten Westbahn fahren nicht, weil sie die Infrastruk­tur nicht nutzen können. Die Westbahn forderte einmal mehr eine Entflechtu­ng von Infrastruk­tur (diese gehört den ÖBB, wird aber von der Westbahn genutzt) und Personenve­rkehr. Der ÖAMTC warnte in den Ballungsrä­umen vor „massiven Verkehrsbe­lastungen“und appelliert­e an die Pendler, Fahrgemein­schaften zu bilden oder Home-Office zu nutzen.

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