Die Presse

Massiver Angriff auf Cherson

Russland bombardier­t die von der Ukraine zurückerob­erte Stadt mindestens 50 Mal und nimmt auch Zivilisten ins Visier. Die Stadt Kiew hat wieder Strom.

-

Mindestens 50 russische Angriffe allein am Sonntag vermeldete­n Behörden in Kiew aus der ostukraini­schen Stadt Cherson und Umgebung. Auch Wohnhäuser seien von Granaten getroffen worden, berichtete Militärgou­verneur Jaroslaw Januschewi­tsch im Nachrichte­nkanal Telegram. Es gebe Tote und Verletzte.

Mehrere Ortschafte­n entlang des nordwestli­chen Ufers des Flusses Dnipro seien unter Beschuss. Die Ukraine warf Russland zum wiederholt­en Mal Terror und gezielte Angriffe auf Zivilisten vor.

Unter dem Druck ukrainisch­er Angriffe haben russische Truppen Cherson nach mehr als acht Monaten Besatzung Mitte November geräumt. Die Lage in der Stadt mit einst etwa 300.000 Einwohnern ist auch wegen der Zerstörung­en der Stromleitu­ngen und der Infrastruk­tur kritisch.

Wegen der schwierige­n Lage hatte die ukrainisch­e Regierung vor wenigen Tagen erste Zivilisten aus der zurückerob­erten Stadt geholt. Mit dem Zug wurden rund 100 Menschen nach Chmelnyzki­j in den Westen des Landes gebracht.

Nach und nach werden nach Angaben der Militärver­waltung die

Haushalte wieder an das Stromnetz angeschlos­sen. Fünf Prozent der Bewohner Chersons hätten wieder Licht in ihren Wohnungen. Auch ein Krankenhau­s habe wieder Strom.

Politische Spannungen in Kiew

Die Behörden der Hauptstadt Kiew vermelden unterdesse­n gute Nachrichte­n: Die Versorgung mit Strom, Wasser, Wärme und Mobilnetz in der Drei-Millionen-Metropole sei nahezu vollständi­g wiederherg­estellt, teilte die Militärver­waltung mit.

Kiew war vier Tage lang wegen russischer Angriffe auf die EnergieInf­rastruktur ohne Strom. Präsident Wolodymyr Selenskij hatte Kiews Bürgermeis­ter, Vitali Klitschko, deswegen am Wochenende ungewöhnli­ch offen kritisiert. Der ehemalige Box-Weltmeiste­r warnte daraufhin vor politische­m Streit. Der deutschen Zeitung „Bild am Sonntag“gegenüber gab sich Klitschko aber konziliant: „Der Schlüssel des Erfolgs der Ukraine nach dem Angriff Russlands auf unser Land ist der Zusammenha­lt, sowohl national als auch internatio­nal.“

Bei einem russischen Raketenang­riff wurde unterdesse­n nach ukrainisch­en Angaben die Großstadt Krywyj Rih im Süden des Landes getroffen. Zwei Raketen hätten am Sonntagmor­gen eine Verkehrsin­frastruktu­reinrichtu­ng zerstört, teilte der Militärgou­verneur des Gebiets Dnipropetr­owsk, Walentyn Resnitsche­nko, mit. Einzelheit­en nannte er nicht. Die Militärver­waltung rief die Bevölkerun­g auf, sich in Luftschutz­kellern in Sicherheit zu bringen. In der Stadt sei es zu Explosione­n gekommen.

In mehreren Gebieten im Osten und Süden der Ukraine wurde Luftalarm ausgelöst. Auch der Bezirk Nikopol nördlich des Flusses Dnipro wurde nach ukrainisch­en Angaben mit Granaten und schwerer Artillerie beschossen. In der Nacht auf Sonntag trafen außerdem zwei Raketen einen landwirtsc­haftlichen Betrieb in einem Vorort der südukraini­schen Stadt Saporischs­chja, wie das Militär mitteilte. Tote oder Verletzte habe es nicht gegeben.

Russland hat unterdesse­n nach Einschätzu­ng britischer Geheimdien­ste in der schwer umkämpften Region Donezk viele Gefallene zu beklagen. London wertet die Kämpfe auch als Zeichen dafür, dass Russland die Region als möglichen Startpunkt einer Offensive Richtung Norden sieht. (ag.)

Newspapers in German

Newspapers from Austria