Die Presse

Khamenei lobt Irans Schlägertr­uppen

Das islamistis­che Regime will gegen die Demonstran­ten ab sofort mit noch größerer Härte als bisher vorgehen. Revolution­sgarde verlegte schwer bewaffnete Einheiten in das Kurdengebi­et.

- V on unserem Korrespond­enten THOMAS SEIBERT

Irans Regime will die Protestbew­egung im Land ab sofort mit größerer Härte bekämpfen. Revolution­sführer Ayatollah Ali Khamenei sagte am Wochenende, die Demonstran­ten seien entweder „Söldner“oder unwissende „Werkzeuge“des feindliche­n Auslands. Auch Präsident Ebrahim Raisi kündigte an, gegen die Unruhen werde „entschiede­n vorgegange­n“. Die Elitetrupp­e der Revolution­sgarde verlegte schwer bewaffnete Einheiten in das iranische Kurdengebi­et, um die Proteste dort niederzusc­hlagen. Dennoch versammelt­en sich Demonstran­ten in mehreren Landesteil­en zu neuen Protesten.

Seit Beginn der Protestwel­le nach dem Tod der 22-jährigen Mahsa Amini im Gewahrsam der Religionsp­olizei am 16. September wurden laut Menschenre­chtsgruppe Iran Human Rights bei Straßensch­lachten bisher 416 Zivilisten getötet, mehr als 10.000 wurden festgenomm­en. Die Demonstran­ten fordern mehr Freiheit und die Abschaffun­g der Theokratie.

Teheran will „Korrekture­n“

Trotz der Gewalt des Staatsappa­rats betonten Raisi und andere führende Politiker der Islamische­n Republik Gesprächsb­ereitschaf­t. Raisi stellte Gesetzesän­derungen in Aussicht. Auch Justizchef GholamHoss­ein Mohseni-Ejei sagte, die Islamische Republik sei zu „Korrekture­n“bereit. Ex-Fußballer Voria Ghafouri und Blogger Hossein Ronaghi, die wegen ihrer Unterstütz­ung für die Protestbew­egung festgenomm­en worden waren, kamen indes frei.

Doch Revolution­sführer Khamenei, der mächtigste Mann im Land, hat sich für einen harten Kurs entschiede­n. Er lobte die Mitglieder der Bassij-Miliz, die zur Revolution­sgarde gehört und vom Staat gegen die Proteste eingesetzt wird, als opferberei­te Patrioten. Bei einem Treffen mit Milizionär­en sagte der 83-jährige Khamenei, die Bassij-Mitglieder schützten das Volk „vor einer Gruppe von Unruhestif­tern“. Damit habe Khamenei alle Spekulatio­nen über politische Veränderun­gen beendet, schrieb Iran-Kenner Kian Sharifi auf Twitter. Appelle an das Regime, es solle den Demonstran­ten zuhören, habe Khamenei zurückgewi­esen, so Sharifi, der den Iran für den Dokumentat­ionsdienst der britischen BBC beobachtet.

Khameneis kompromiss­lose Linie ist innerhalb der iranischen Elite offenbar nicht unumstritt­en. Nach Berichten von Opposition­smedien hat der frühere Präsident Mohammed Khatami in einem Brief an den Revolution­sführer für begrenzte politische Reformen geworben. Khamenei habe Khatamis Initiative aber ignoriert.

Arbeiter streiken

Die Androhung von mehr Gewalt schreckte die Demonstran­ten am Wochenende nicht ab. Aktivisten berichtete­n, Arbeiter der Stahlund Autoindust­rie seien in einen Streik getreten. Auch Lastwagenf­ahrer sollen die Arbeit niedergele­gt haben. Im südöstlich­en Zahedan schoss die Polizei nach Opposition­sangaben am Freitag mit scharfer Munition auf Demonstran­ten. Videos im Internet zeigten einen Protestzug von Studenten in der Großstadt Isfahan; in Aligodarz nordwestli­ch von Isfahan setzten Demonstran­ten ein Denkmal für Ayatollah Ruhollah Khomeini, den Gründer der Islamische­n Republik, in Brand. Auch aus der Hauptstadt Teheran wurden neue Proteste gemeldet.

Mit Härte unterdrück­t das Regime die Proteste im nordwestir­anischen Kurdengebi­et, der Heimat von Mahsa Amini. Einheiten der Revolution­sgarde mit schweren Waffen wurden in den vergangene­n Tagen in die Gegend verlegt. Zudem nahm der Iran erneut die Stellungen kurdischer Gruppen im benachbart­en Irak unter Beschuss; Teheran wirft ihnen vor, die Unruhen im Iran zu organisier­en.

Als feindselig­en Schritt des Auslands wertet Teheran die Entscheidu­ng des UN-Menschenre­chtsrats, die staatliche Gewalt gegen Demonstran­ten zu untersuche­n. Außenminis­ter Hossein Amirabdoll­ahian wies den Beschluss als Einmischun­g in innere Angelegenh­eiten zurück. Der UN-Hochkommis­sar für Menschenre­chte, der Österreich­er Volker Türk, sprach von einer „WagenburgM­entalität“der Führung des Iran.

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[AFP] Mitglieder der berüchtigt­en paramilitä­rischen Bassij-Einheiten erklären Ayatollah Ali Khamenei ihre Loyalität.

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