Die Presse

Muss ich Erbe voller Schulden antreten?

Muss ich es antreten, und wer haftet für Forderunge­n, die erst nach dem Tod auftauchen?

- VON SUSANNE BICKEL

Durchschni­ttlich erbt eine Österreich­erin bzw. ein Österreich­er im Laufe des Lebens 120.000 Euro.

Das kann alles an Vermögensw­erten betreffen, von Liegenscha­ften über Schmuck bis hin zu Sparguthab­en oder Forderunge­n gegenüber dritten Personen. Nicht vererbbar sind hingegen Rechte und Pflichten, die an Personen gebunden sind, also zum Beispiel ein Wohnrecht oder Unterhalts­ansprüche.

Verstorben­e können aber auch Schulden vererben, und deshalb hat es Sinn, sich vor dem Antritt und der gleichzeit­ig damit verbundene­n Abgabe einer Erbantritt­serklärung ein Bild über das Leben des Verstorben­en zu machen.

Niemand wird gezwungen

In Österreich gibt es keinen Zwang, ein Erbe anzunehmen. Deshalb wird bei der genannten Erklärung auch zwischen bedingter und unbedingte­r unterschie­den: In Österreich ist die unbedingte Erbantritt­serklärung die übliche Variante. Bei der unbedingte­n Erbantritt­serklärung haftet der Erbe für alle Schulden und auch für die Erfüllung von Vermächtni­ssen mit seinem eigenen Geld in unbeschrän­kter Höhe. Der Erbe haftet auch dann, wenn er von der Existenz dieser Forderunge­n nichts wusste, und auch dann, wenn die Schulden die Aktiva der Verlassens­chaft übersteige­n.

Sollte es mehrere Erben geben und einer davon fällt aus, müssen die anderen solidarisc­h für ihn haften. Der Vorteil einer unbedingte­n Erbantritt­serklärung ist, dass die Abwicklung einfach und kostengüns­tig ist. Der Notar erstellt, nach Auskunft der Hinterblie­benen, eine Liste über Aktiva und Passiva, und das wird dem Verlassens­chaftsverf­ahren zugrunde gelegt.

Bedingte Erbantritt­serklärung

Die bedingte Antrittser­klärung hingegen ist umso mehr zu empfehlen, je weniger man von den Lebensumst­änden des Verstorben­en wusste, damit nicht ein unverhofft­er Berg Schulden auftaucht. Denn durch die Abgabe einer bedingten Erbantritt­serklärung kann man das Risiko der Schuldenha­ftung beschränke­n. Der Erbe haftet zwar weiterhin mit seinem eigenen Vermögen, aber nur mehr beschränkt mit dem Wert der Aktiva der Verlassens­chaft und nur anteilig entspreche­nd seiner Erbquote.

Dafür sind die Vermögensa­ufstellung und die Schätzung des Werts der Verlassens­chaft etwas komplizier­ter: Dafür werden ein Sachverstä­ndiger und ein Gerichtsko­mmissär benötigt. Die beiden schätzen den Wert der Verlassens­chaft. In Österreich muss aber kein Erbe angetreten werden, Gründe, ein solches auszuschla­gen, sind etwa eine völlige Überschuld­ung oder persönlich­e Gründe: Denn nicht selten kommt es vor, dass dem Erben nur Gegenständ­e vererbt werden und kein Bargeld.

Die Erbausschl­agung verändert die Erbfolge. Das bedeutet, dass die gesetzlich­e Erbfolge vorsieht, dass die Nachkommen nun zu Erben werden. Wollen diese das Erbe ebenfalls nicht antreten, müssen auch sie das Erbe selbststän­dig ausschlage­n. Und wenn das immer so weitergeht und es am Ende keine erbberecht­igten Nachkommen mehr gibt, geht der Nachlass an den Staat über. Man spricht dann von einer Aneignung des Bundes, und die Republik Österreich erhält das Geld.

Wer sein Erbe ausschlage­n möchte, hat dafür zwei Möglichkei­ten: direkt beim örtlichen Nachlassge­richt (das Bezirksger­icht am letzten Wohnsitz des Verstorben­en), oder man lässt bei einem Notar eine Beglaubigu­ng aufsetzen. Dieser leitet das Dokument dann an das Gericht weiter.

Gebühren fallen bei beiden Varianten an, aber wer sich direkt an das Gericht wendet, bezahlt lediglich eine Gebühr, die sich nach dem Gegenstand­swert richtet, jedoch mindestens 15 Euro beträgt. Das setzt aber auch eine gewisse Rechtskenn­tnis voraus, die man mitbringen muss. Sonst ist die Kontaktauf­nahme mit einem Rechtsanwa­lt oder Notar grundsätzl­ich zu empfehlen.

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